Klimafreundliche Städte: Diese positiven Ansätze gibt es

Die großen Klima- und Gesellschaftskrisen der Zukunft müssen in den Städten gelöst werden.

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(Bild: IM_photo/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Hanns-J. Neubert
Inhaltsverzeichnis

Weltweit leben immer mehr Menschen in städtischen Konglomeraten. Bis 2070 werden es wohl 70 Prozent sein. Die von der Klimaerwärmung angeheizten, zunehmenden Wetterextreme bedrohen die städtischen Infrastrukturen, verstärken gleichzeitig aber auch die soziale Ungleichheit innerhalb der Städte.

Vor kurzem machte ein globales Netzwerk von Wissenschaftlern in einem "Viewpoint", einem Denkanstoß, in der Zeitschrift "Lancet Planetary Health" darauf aufmerksam, dass unterschiedliche Schutzmaßnahmen nur dann die Klimaresilienz von Städten wirksam verbessern können, wenn sie auch eng miteinander verzahnt sind.

Brenda B. Lin von der staatlichen Behörde Australiens für wissenschaftliche und industrielle Forschung (CSIRO) und Alessandro Ossola von der Abteilung für Pflanzenwissenschaften an der Universität von Kalifornien Davis regten ihre Community an, Städtebauern bewusst zu machen, dass man verschiedene Methoden kombinieren müsse, um eine Stadt für die Zukunft zu rüsten.

Nur zusammen genommen und aufeinander abgestimmt könnten technologische, naturbasierte und soziale Lösungen zur Anpassung an den Klimawandel ihre Wirkung voll entfalten. Die meisten Stadtentwickler hielten nämlich bisher oft nur eine ganz bestimmte Lösungsphilosophie für den Goldstandard. In ihrem Denkanstoß zeigen die Wissenschaftler jedoch, dass einzelne Lösungsansätze die Komplexität und den Umfang der Anpassungen in Städten nicht bewältigen können, dass Einzelmaßnahmen versagen.

Technologische Lösungen, um die Zukunft von Städte zu planen, gibt es reichlich und ständig kommen neue dazu. Klimaanlagen sind zwar eine Lösung gegen Hitze, wenn man sie mit vorhandenen Heiz- und Kühlsystemen, mit Fernheizungsrohren und mit Kühltürmen verbindet, ließe sich aber sogar noch viel von der nötigen Betriebsenergie einsparen.

Wasserdurchlässige Straßenbeläge, die schwarzen Asphalt ersetzen, könnten gleichzeitig die städtische Hitze erträglicher machen und einen schnellen Regenabfluss verhindern. Der darunter liegende Boden nimmt Niederschläge wie ein Schwamm auf, seine Verdunstungskälte sorgt auch für Kühle auf der Straße.

Andere Entscheidungsträger wollen mit digitalen Programmen und Sensoren die Klimakatastrophen in den Griff bekommen. Bei gefährlichen Wetterlagen ließen sich dann schnell Gegenmaßnahmen einleiten, Menschen warnen und Wasserspeicher öffnen. Allerdings sind Technologien für viele Städte viel zu teuer, insbesondere in armen Ländern.

Naturnahe Lösungen, wie mehr Bäume, Grünflächen, Wasserrückhalteflächen, Dach- und Wandbegrünungen senken erwiesenermaßen die Stadttemperaturen – je nach Klimazone um zwei bis sieben Grad.

Das Problem: Sie reagieren empfindlich auf zu viel Wasser und lange Dürrezeiten, in denen selbst Rückhalteflächen austrocknen. Naturbasierte Konzepte müssen also sehr gut gemanagt werden, damit sie ihre Funktionen und Leistungen lange erhalten, auch wenn sich Wetter und Klima ändern. Auch die erfordern aber finanzielle und verwaltungstechnische Ressourcen, die sich viele Städte nicht leisten können.

Zu den sozialen Lösungen gehören Anstöße, die die einzelnen Bewohner ermutigen, ihr Verhalten zu ändern und neue Maßnahmen zu akzeptieren, selbst wenn es unbequem sein sollte. Bürgerbeteiligungen und Basisinitiativen in Stadtteilen helfen, Barrieren abzubauen. Hier spielt die soziale Offenheit eine ganz besondere Rolle. Denn das Bewusstsein für Klimarisiken kann in armen Gemeinschaften hoch sein, doch die Fähigkeit, sich selbst zu schützen, ist oft sehr begrenzt, weil beispielsweise Grünflächen in ihren Stadtteilen fehlen und sie in wenig klimaangepassten Wohnungen wohnen.

An drei Städten zeigen die Autoren des Denkanstoßes, wie es gehen könnte, Technologie, Natur und Soziales zu verbinden. Dazu schauten sie auf das kleine, wohlhabende Freiburg in Deutschland, das mittelgroße, sehr arme Durban in Südafrika und die eng bebaute High-Tech-Stadt Singapur.

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In Freiburg haben Bürgerinitiativen eine lange Geschichte. Mit ihren Aktivitäten stießen sie einen eindrucksvollen gesellschaftlichen und kulturellen Wandel an, der die Stadtverwaltung veränderte. Technologisch steht heute der öffentliche Verkehr im Zentrum der Stadtgestaltung. Die grünen Straßenbahnkorridore sind wasserdurchlässig und ergänzen die historischen, schmalen Wasserkanäle entlang der Fußwege, die Sturzregen ableiten und für zusätzliche Kühlung sorgen.

Die Dreimillionen-Stadt Durban in Südafrika ist die ärmste Stadt Südafrikas und hat mit ungleichen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Bedingungen zu kämpfen. Maßnahmen zur Klimaanpassung konkurrieren um die knappen Finanzen mit sozialen Entwicklungsprojekten. Deshalb war es hier ganz entscheidend, dass Projekte für den Klimaschutz gleichzeitig auch einen Nutzen für Infrastrukturprojekte, für die Armutsbewältigung und für die Wirtschaft haben. Deshalb flocht die Stadt ein Netzwerk aus Initiativen und Unternehmen, die die Probleme vor Ort gut kennen und das Know-how für Lösungen mitbringen. Mit deren Hilfe ist die Stadt jetzt tatsächlich in der Lage, Probleme in den Bereichen Wasser, biologische Vielfalt, Klima und Armut erfolgreich anzugehen.

Das reiche Singapur, eine der kompaktesten Städte der Welt, setzte früh auf die Integration von grünen Freiflächen zwischen den Gebäuden. Dennoch kann die Temperatur gegenüber den ländlichen Außengebieten um sieben Grad höher sein. Ein digitaler Zwilling der Stadt soll jetzt dabei helfen, ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte angesichts des Klimawandels optimal zu steuern. Anders als bisherige Smart-City-Konzepte integriert das Berechnungsmodell nämlich mehrere Umwelt-, Landoberflächen-, Industrie-, Verkehrs- und Gebäudeenergiemodelle genauso wie Klimamodelle.

Bleibt zu hoffen, dass der Denkanstoß der Stadtklima-Forscher aus elf Ländern seinen Weg noch rechtzeitig zu den Stadtplanern findet.

(jle)