Klimawandel: Wie Städte mit dem Wasser leben

Laut neuem IPCC-Bericht ist eine Anpassung an die Klimawandel-Folgen unumgänglich. Sogenannte Schwammstädte sind Beispiele dafür, wie die Bilderstrecke zeigt.

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Der gut 55 Hektar große Yuweizhou Wetland Park liegt im Herzen der Stadt Nanchang, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Jiangxi.

(Bild: Turenscape)

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Das Wasser gewinnt immer, also ist es besser, sich das Wasser zum Freund zu machen – nach dieser Philosophie funktionieren Schwammstädte. Sie nehmen ein Zuviel an Wasser auf und geben es nach und nach wieder ab. Daher sind die Schwammstädte ein gutes Beispiel für Anpassungen an die Auswirkungen des Klimawandels.

Gerade die erforderlichen Anpassungen sind ein zentraler Punkt im neuesten IPCC-Bericht des Weltklimarates. Mit den größeren Auswirkungen des Klimawandels auf die Biosphäre könnten sich die Menschen auch nicht mehr wie bisher auf das Funktionieren von Ökosystemen verlassen. Daher sei die Anpassung des Menschen umso wichtiger.

Der Pekinger Landschaftsarchitekt Yu Kongjian hat dafür eine Vision: Er möchte das natürliche Wassergleichgewicht wiederherstellen. Statt Flüsse mit Deichen einzugrenzen, Gebäude oder Parkplätze dort zu errichten, wo das Wasser hinfließen will oder Dämme zu bauen, die bereits 333 Flüsse im Jangtse-Gebiet ausgetrocknet haben, schafft er flexible Räume, in denen sich das Wasser ausbreiten und im Untergrund versickern kann.

"Diese grauen Infrastrukturen sind Killer des natürlichen Systems, auf das wir für unsere nachhaltige Zukunft angewiesen sind", sagt Yu. Sein 1998 gegründetes Landschaftsarchitekturbüro Turenscape gestaltet Landschafts- und Siedlungsräume, die Überschwemmungen verhindern und das Wasser für eine spätere Nutzung speichern.

Seit dem 17. Jahrhundert haben wir 87 Prozent der weltweiten Feuchtgebiete, die flexibel Wasser aufnehmen und abgeben können, vernichtet. Immer mehr Menschen benötigen immer mehr Raum. Vergrößert sich eine Stadt mit ihren befestigten Flächen nur um ein Prozent, erhöht der Regenwasserabfluss das jährliche Hochwasser in den nahe gelegenen Wasserläufen um 3,3 Prozent. In dichten Städten versickern nur etwa 20 Prozent des Regens tatsächlich im Boden. Der Rest wird aus der Stadt geleitet.

Dieser Text stammt aus: Technology Review 2/2022

(Bild: 

Technology Review 2/2022 im heise shop

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Anfang der 2000er-Jahre erstellte Yu zusammen mit einem Forschungsteam von Peking eine Karte der Überschwemmungsrisikogebiete. Er empfahl, diese Zonen als Reservoir für Regenwasser zu nutzen. Seine Empfehlungen wurden von der Regierung ignoriert. Im Juli 2012 kam es dann zur Katastrophe: Pekings größtes Unwetter seit mehr als 60 Jahren überflutete Straßen und füllte Unterführungen. Fast 80 Menschen starben. "Die Flut von 2012 hat uns gezeigt, dass ökologische Sicherheit eine Frage von Leben und Tod ist", sagt Yu. Der Klimawandel hat diese Bedrohungen noch verschärft. Im Sommer und Herbst 2021 kam es zu tödlichen Überschwemmungen in New York, New Jersey, Tennessee, Alabama, Deutschland, Belgien, Indien, Thailand und auf den Philippinen. Gleichzeitig gab es Dürren, Ernteausfälle und Waldbrände im amerikanischen Westen, in Syrien, Guatemala, Griechenland und Sibirien. Klimawandel ist Wasserwandel.

Kurz nach dem Sturm von 2012 griff die chinesische Regierung dann doch Yus Empfehlungen auf und Präsident Xi Jinping rief das Programm "Schwammstädte" ins Leben – die chinesischen Städte sollten fortan Wasser aufnehmen wie Schwämme und langsam wieder abgeben. Die Idee, dem Wasser Raum zu geben, wurde damit von einem Randkonzept zur nationalen Mission. 2015 begann die Zentralregierung mit Demonstrationsprojekten in 16 Städten und 2016 kamen 14 weitere hinzu. Zwischen 2016 und 2020 wurden 90 Provinzstädte in "Schwämme" umgewandelt und bis 2030 sollen 100 Städte mit mehr als einer Million Einwohnern 70 Prozent Regenwasserrückhaltung erreichen.

Inzwischen sind Schwammstädte Teil einer weltweiten "Slow Water"-Bewegung. Die ehrgeizigsten Slow-Water-Projekte umfassen den Erhalt oder die Wiederherstellung von Feuchtgebieten, Flussauen und Bergwäldern, die gleichzeitig als Kohlenstoffspeicher dienen und bedrohten Pflanzen und Tieren ein Zuhause bieten. Aber es gibt auch kleine städtische Projekte, die zwischen Gebäuden oder in engen Korridoren entlang von Straßen angelegt werden – denn aus Städten Schwämme zu formen, schützt nicht nur und hebt die Lebensqualität. Es ist auch einfach schön.

Stadtentwicklung: Chinas Schwammstädte in Bildern (9 Bilder)

Der gut 55 Hektar große Yuweizhou Wetland Park liegt im Herzen der Stadt Nanchang, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Jiangxi. (Bild: Turenscape)

(jle)