Kraftvoller Handschuh

Mit dem Human Grasp Assist wollen General Motors und NASA Menschen helfen, die sich am Fließband leicht Belastungsstörungen zuziehen.

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Mit dem Human Grasp Assist wollen General Motors und NASA Menschen helfen, die sich am Fließband leicht Belastungsstörungen zuziehen.

Ingenieure beim Automobilkonzern GM haben zusammen mit Forschern der US-Weltraumbehörde NASA einen neuartigen kraftverstärkten Handschuh entwickelt. Der sogenannte Human Grasp Assist (HGA) soll Menschen helfen, die den ganzen Tag lang ähnliche Bewegungen mit den Händen ausführen und deshalb Gefahr laufen, sich eine Belastungsstörung zuzuziehen. Der HGA erkennt dabei, wie der Träger Hände und Finger einsetzen möchte und erlaubt Bewegungen dann mit deutlich weniger Kraftaufwand. So soll es möglich sein, Nerven und Sehnen auch dann nicht zu stark zu belasten, wenn man ein Werkzeug häufig oder gar über viele Minuten greifen und halten muss. Dazu stecken im HGA Aktoren und mechanische Sehnen, die die Funktion von Muskeln übernehmen, sowie eine feine Drucksensorik.

Auch beim Greifen schwerer Gegenstände ist nur wenig Kraft nötig.

(Bild: GM)

Das System könnte in der Praxis etwa Arbeitern in einer Automobilfabrik helfen, die schwere Bauteile verschrauben müssen. Die NASA interessiert sich zudem für die Einsatzmöglichkeiten im Weltraum – hier wäre der HGA den Astronauten, die bei Ausflügen ins All sowieso schon unter großem physischen Druck stehen, bei Reparatur- und Montagearbeiten behilflich. Die Kraftverstärkung soll eine doppelte bis dreifache Leistung ermöglichen, für einen Anpressdruck von 7 oder 10 Kilogramm reichen dann 2,5 bis 5 Kilo. Das System ist dank seiner Sensoren so sensibel, dass auch ein Händedruck ohne Verletzungen des Gegenüber möglich wäre. Derzeit ist der HGA allerdings noch recht groß – neben den Handschuhen mit ihrer Mechanik muss auch noch eine Steuerelektronik sowie ein Akkugürtel vom Nutzer getragen werden.

"Voll ausentwickelt hat das System das Potenzial, die Kraft, die ein Arbeiter in unserer Produktion aufwenden muss, deutlich zu reduzieren", glaubt Dana Komin, bei GM für den technischen Bereich der Fabrikautomation zuständig. "Wir reduzieren die Gefahr bei sich ständig wiederholenden Bewegungen." Das Repetitive Strain Injury Syndrom könne so bekämpft werden.

Sensoren, Aktoren und mechanische Sehnen helfen greifen.

(Bild: GM)

Das HGA-System wiegt in seiner aktuellen Version knapp 900 Gramm ohne Batterie, Kontrollelektronik und ein kleines Display für Programmierung und Diagnostik sind hier bereits enthalten. Die Forscher arbeiten aber an einer Miniaturisierung: Die nächste Generation soll verkleinerte Komponenten und stärker zusammengefasste Baugruppen enthalten, die sowohl beim Gewicht als auch bei der Größe deutliche Einsparungen erlauben.

"Der Prototyp-Handschuh erlaubt uns bereits jetzt, neue Ideen auszuprobieren. Mit einem so ausgestatteten Raumanzug hätte man bei Weltraumausflügen Möglichkeiten, die weit über die übliche Fingerfertigkeit eines Astronauten hinausgehen", sagt Trish Petete, verantwortlich für Crew-Systeme am Johnson Space Center der NASA in Houston.

Das System soll vor der Serienreife noch etwas verkleinert werden.

(Bild: GM)

Entstanden ist das HGA-Vorhaben ursprünglich aus dem Robonaut-2-Projekt, bei dem NASA und GM bereits seit 2007 zusammenarbeiten. Dabei soll ein humanoider Roboter den Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS zur Hand gehen. Das Prototyp-System tut seit 2011 seinen Dienst und enthält bereits ein Greifsystem, das dem des HGA ähnelt.

Der HGA könnte nur eine von vielen robotischen Hilfen für die tägliche Arbeit werden. Der japanische Automobilkonzern Toyota hat im vergangenen Jahr einen Gehassistenten vorgestellt, der es Menschen mit einem gelähmten Bein erlaubt, ähnlich gut zu laufen wie ein Nichtbehinderter. Auch hier kommen verschiedene Sensoren zum Einsatz, die den gewünschten Beinwinkel vom Oberschenkel her messen und dann errechnen, welcher "Kick" der eingebaute Motor mit seinen 50 Watt dem Unterschenkel geben muss, um einen natürlichen Bewegungsablauf herzustellen. Weitere Sensoren melden, wenn es zu einem Bodenkontakt kommt.

Ein solches System könnte entsprechend feinabgestimmt auch Fabrikarbeitern umgeschnallt werden, die viel laufen müssen – der Kraftaufwand würde sinken. Es könnte aber auch dabei helfen, stets eine ergonomisch korrekte Position am Fließband einzunehmen – auch das ohne große Anstrengung. (bsc)