Kreislaufwirtschaft: Vom Bier zum Urin und wieder zurück

Ein schwedisches Start-up will mit speziellen Toiletten Urin recyceln, um Gerste zu düngen, aus der Bier gebraut wird, das der Mensch wieder in Urin verwandelt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 21 Kommentare lesen

Sanitation 360 möchte die Ausscheidungen der Menschen trennen und verwerten.

(Bild: sanitation360.se)

Lesezeit: 3 Min.

70.000 Liter menschlichen Urin will das schwedische Start-up Sanitation360 in den nächsten drei Jahren in Dünger verwandeln. Dieser wiederum soll Gerste auf Feldern düngen, so die Idee.

Sanitation360 ist ein Spin-off der Swedish University of Agricultural Sciences in Uppsala. Um den nötigen Urin einzusammeln, arbeitet es seit 2021 mit einer Firma zusammen, die portable urinabscheidende Toiletten auf der schwedischen Insel Gotland vermietet. Dort herrscht chronische Wasserknappheit. Die Forschenden haben einen Prozess entwickelt, den Urin zu trocknen, zu Pulver zu zermahlen und in Pellets zu pressen. Diese bringen Bauern mit handelsüblichen Düngerstreuern auf ihre Felder auf, um Gerste für eine lokale Brauerei anzubauen.

Damit wolle man die Idee des Urin-Recyclings "vom Konzept in die Praxis" überführen, zitiert das Fachjournal Nature Prithvi Simha, CTO von Sanitation360. Das Ziel sei es, ein Modell für andere Regionen überall auf der Welt aufzubauen.

Urin enthält viel Phosphat, Nitrat und Kalium. Simha schätzt, dass die Menschheit genug Urin produziert, um rund ein Viertel des weltweiten Bedarfs an Phosphor- und Stickstoffdünger zu decken. Allein die Herstellung von Stickstoffdünger verursacht ein bis drei Prozent des weltweiten Energieverbrauchs. Zudem entlastet das Recycling von Urin die Kläranlagen, vermeidet die Überdüngung von Bächen und Flüssen und spart Wasser.

Dieser Text stammt aus: Technology Review 2/2022

(Bild: 

Technology Review 2/2022 im heise shop

)

Wir schauen auf unsere Wirtschaft und wie wichtig das Konzept der Kreislaufwirtschaft ist, um die bisherigen Verfahren und Prozesse zu überwinden. Das und mehr lesen Sie im neuen Heft, das ab dem 17.2. im Handel liegt und ab dem 16.2. bequem im heise shop zu bestellen ist. Highlights aus dem Heft:

Eine Voraussetzung dafür ist es, den Urin möglichst sauber und konzentriert zu sammeln – also ohne Verdünnung durch Spülwasser oder Verunreinigung durch Fäkalien. Wasserlose Toiletten gibt es schon lange – etwa in abgelegenen Siedlungen, Slums oder Flüchtlingscamps. Doch sie sind unpopulär, weil sie oft stinken. Eine elegantere Lösung bietet die österreichische Firma EOOS Next. Sie hat eine Toilettenschüssel entwickelt, bei der das Urin durch seine Oberflächenspannung automatisch in ein Auffangbecken gelangt – ähnlich wie bei einer tropfenden Teekanne. Dabei müssen sich auch Männer zum Wasserlassen hinsetzen.

Die nächste Frage ist: Was geschieht mit dem aufgefangenem Urin? Da es unpraktikabel ist, in Häusern eine zusätzliche Abwasserleitung eigens für Urin zu installieren, sollte es idealerweise gleich in der Toilette vorverarbeitet werden. Ein Problem dabei: Ein Enzym namens Urease baut den im Urin enthaltenen Harnstoff (CO(NH2)2) ab und setzt dabei stinkendes Ammoniak (NH3) frei. Für dieses Problem gibt es unterschiedliche Lösungsansätze: Das schweizerische Start-up Vuna etwa will laut Nature Mikroorganismen einsetzen, um das flüchtige Ammoniak in lösliches Ammoniumnitrat (NH4NO3) zu überführen, einen gebräuchlichen Ausgangsstoff für Düngemittel.

In Gotland verfolgt das schwedische Team einen anderen Ansatz: Der Harnstoff-Abbau wird zunächst durch eine Erhöhung des pH-Werts gestoppt und der Urin anschließend durch ein Gebläse dehydriert. Auf diese Weise lasse sich die Masse um 95 Prozent reduzieren und gleichzeitig 80 Prozent des Stickstoffs sowie je 100 Prozent des Phosphors und des Kaliums erhalten, schreibt Sanitation360 auf seiner Webseite. Die dazu nötige Technik ist in einer austauschbaren Kassette direkt unter dem Toilettensitz untergebracht. Jede Kassette kann laut Unternehmen 250 Liter Urin verarbeiten, bis sie durch eine frische ersetzt werden muss. Zurück bleibt ein trockener Dünger, der direkt vor Ort benutzt oder weiterverarbeitet werden kann.

(grh)