Erste mit robotisierten Spermieninjektionen gezeugten Babys sind geboren
Start-ups wollen künstliche Befruchtungen automatisieren und so günstiger machen. Geräte sollen das Einbringen der Samen in geeignete Eizellen übernehmen.
- Antonio Regalado
Im vergangenen Frühjahr verpackten Ingenieure in Barcelona die Bauteile eines Roboters für Spermieninjektionen und schickten ihn per DHL nach New York. Dann reisten sie ihm zur New Hope-Klinik hinterher, wo sie ein Mikroskop, eine mechanisierte Nadel, eine winzige Petrischale und einen Laptop wieder zu einem Befruchtungs-Instrument zusammensetzten.
Im nächsten Schritt positionierte einer der Ingenieure, der keine Erfahrung in Fruchtbarkeitsmedizin hatte, mit einem Sony PlayStation-5-Controller zunächst die Roboternadel. Diese bewegte sich dann selbstständig auf eine menschliche Eizelle zu, die durch eine Kamera beobachtet wurde, drang ein und gab eine einzelne Samenzelle ab. Insgesamt befruchtete der Roboter mehr als ein Dutzend Eizellen auf diese Weise. Dabei entstanden gesunde Embryonen.
Kürzlich wurden dann aus zwei Schwangerschaften zwei kleine Mädchen geboren, die nach Angaben der Forscher die ersten Menschen sind, die nach einer robotisierten Befruchtung zur Welt gekommen sind. "Ich war ganz ruhig. In diesem Moment dachte ich: ‚Das ist nur ein weiteres Experiment‘", sagt Eduard Alba, der Maschinenbaustudent, der das Gerät zum Einbringen des Spermas überwacht hatte.
Automatisierung der künstlichen Befruchtung
Das Start-up Overture Life, das den Roboter entwickelt hat, bezeichnete das Gerät als ersten Schritt zur Automatisierung der In-vitro-Fertilisation (IVF). Es könne das Verfahren kostengünstiger und weitaus verbreiteter machen, als es das heute ist.
Derzeit sind IVF-Labors millionenschwere Unternehmen, in denen geschulte Embryologen bis zu 125.000 Dollar im Jahr dafür verdienen, dass sie Spermien und Eizellen mit ultradünnen Hohlnadeln unter einem Mikroskop behandeln.
Einige Start-ups meinen jedoch, dass der gesamte Prozess automatisch ablaufen könnte, oder zumindest fast automatisch. Overture beispielsweise hat einen Patentantrag für einen Biochip gestellt, der ein IVF-Labor in Miniaturformat beschreibt, komplett mit versteckten Reservoirs für Wachstumsflüssigkeiten und winzigen Kanälen, durch die sich die Spermien schlängeln.
"Stellen Sie sich eine Box vor, in die Spermien und Eizellen hineingehen und aus der fünf Tage später ein Embryo herauskommt", sagt Santiago Munné, ein preisgekrönter Genetiker und Innovationsvorstand des spanischen Unternehmens. Er ist überzeugt, dass in einem Tischgerät durchführbare künstliche Befruchtungen dafür sorgen können, dass Patienten vielleicht nie mehr eine Spezialklinik aufsuchen müssen. In den USA kann ein einziger Versuch, per IVF schwanger zu, 20.000 Dollar kosten. Stattdessen würden die Eizellen einer Patientin künftig direkt in ein automatisches Fruchtbarkeitssystem in der Praxis eines Gynäkologen eingespeist werden. "Das muss billiger sein, und wenn es jeder Arzt machen könnte, wäre es das auch", sagt Munné.
MIT Technology Review hat ein halbes Dutzend Start-ups mit ähnlichen Zielen identifiziert, die etwa AutoIVF, IVF 2.0, Conceivable Life Sciences und Fertilis heißen. Einige haben ihre Wurzeln in Universitätslabors, die sich auf miniaturisierte Lab-on-a-Chip-Technologie spezialisiert haben. Bisher hat Overture mit rund 37 Millionen Dollar das meiste Geld eingeworben. Es stammt von Investoren wie Khosla Ventures und Susan Wojcicki, der ehemaligen YouTube-Geschäftsführerin.
Ziel der Automatisierung: Mehr Babies
Das Hauptziel der IVF-Automatisierung ist nach Ansicht der Unternehmer ganz einfach: Es geht darum, viel mehr Babys zu bekommen. Weltweit werden jedes Jahr etwa 500.000 Kinder durch IVF geboren. Allerdings haben die meisten Menschen, die Hilfe beim Kinderkriegen brauchen, keinen Zugang zu Fruchtbarkeitsmedizin oder können sie nicht bezahlen.
Künstliche Befruchtungen vollständig zu automatisieren wird allerdings nicht einfach sein. Die Reagenzglasbefruchtung umfasst ein Dutzend Verfahren, und der Roboter von Overture führt bisher nur eines davon durch, und auch das nur teilweise. "Das Konzept ist außergewöhnlich, aber dies ist ein kleiner Schritt", sagt Gianpiero Palermo, ein Fruchtbarkeitsmediziner am Weill Cornell Medical Center. Ihm wird die Entwicklung der so genannten intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI), in den Neunziger Jahren zugeschrieben. Palermo merkt an, dass die Forscher von Overture immer noch auf manuelle Hilfe angewiesen sind, wenn es darum geht, eine Samenzelle in die Injektionsnadel zu bringen. "Meiner Meinung nach ist das noch keine robotergestützte ICSI", sagt er.
Andere Ärzte sind skeptisch, dass Roboter in absehbarer Zeit die Embryologen ersetzen können oder sollten. "Man nimmt ein Spermium auf und bringt es mit minimalem Trauma und so behutsam wie möglich in eine Eizelle ein", sagt Zev Williams, Leiter der Fruchtbarkeitsklinik der Columbia University. Im Moment ist der Mensch noch viel besser als eine Maschine", sagt er.
Sein Zentrum hat ebenfalls einen Hilfsroboter für IVF entwickelt, allerdings mit einem begrenzteren Ziel: winzige Tröpfchen des Wachstumsmediums zu verteilen, in dem die Embryonen wachsen sollen. "Es ist nicht gut für die Embryonen, wenn die Tropfengröße variiert", sagt Williams. "Immer wieder die gleichen Tropfen zu erzeugen, das ist es, wo der Roboter glänzen kann." Er nennt es eine "risikoarme" Möglichkeit, die Automatisierung im Labor einzuführen.