Kundenloyalität statt Kundenbindung
Anne M. Schüller ist Deutschlands führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Im Interview mit heise resale erklärt sie, warum der Unterschied zwischen Kundenbindung und Kundenloyalität so wichtig ist und wie man Menschen zu echten Fans der eigenen Marke macht.
Anne M. Schüller ist Deutschlands führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Im Interview mit heise resale erklärt sie, warum der Unterschied zwischen Kundenbindung und Kundenloyalität so wichtig ist und wie man Menschen zu echten Fans der eigenen Marke macht.
Während Marketingprofis Tipps und Tricks zur "Kundenbindung" verraten, sprechen Sie lieber darüber, wie man Kundenloyalität gewinnt. Wo genau liegt der Unterschied?
Anne M. Schüller: "Klassische Kundenbindungsstrategien funktionieren nicht mehr. Denn sie gehen vom Unternehmen aus. Dabei wird Kundentreue meist an Bedingungen geknüpft, durch Punkte, Prämien oder Rabatte erkauft, durch Fußangeln in Geschäftsbedingungen erschlichen oder durch Wechselbarrieren erzwungen. Ergebnis: Der Kunde bleibt nicht, weil er will, sondern vielmehr, weil er mehr oder weniger muss.
Loyalität hingegen ist freiwillige Treue. Sie entsteht durch Anziehungskraft und nicht durch Druck oder Zwang. Sie kann niemals eingefordert werden, man bekommt sie vielmehr aus Überzeugung geschenkt. Loyal ist jemand, der sich Anderen ganz allgemein oder einem Unternehmen und seinen Marken im Besonderen verbunden fühlt und dies durch sein Verhalten auch kundtut. Loyalität geht somit vom Kunden aus. Er könnte jederzeit wechseln, will aber nicht. Durch und durch loyale Kunden kaufen nicht nur immer wieder, sie sind auch blind und taub für den Wettbewerb. Sie sind ferner als Fans und missionierende Botschafter aktiv. So sorgen sie für wertvolles Neugeschäft."
Sie sagen auch, dass man sich den Herdentrieb der Kunden zu Nutze machen soll. Widerspricht das nicht der Ansicht, dass jeder Kunde individuell verstanden und betreut werden will?
Anne M. Schüller: "Natürlich ist jeder Mensch einzigartig und will in seiner Individualität wahrgenommen und behandelt werden. Doch immer sind wir auch Teil einer Gruppe, quasi ein sozial vernetztes Individuum. Isolation gehört zu unseren schlimmsten Ängsten. Als wertvolles und geachtetes Mitglied einer Gemeinschaft zu gelten: Das gibt uns Sicherheit und Geborgenheit. Unsere Hirne sind vor allem dafür gemacht, das Zusammenleben in einer Gruppe zu meistern. Und Loyalität ist ein sichtbarer Ausdruck dafür.
Loyalität erzeugen heißt: Zugehörigkeit erleben, füreinander einstehen, gemeinsam erfolgreich sein. Alle dauerhaft funktionierenden Zusammenschlüsse – und somit auch Unternehmen – tragen Loyalität in sich. Wir sind lieber eingebettet in eine achtbare Gemeinschaft, als ständig ‚auf der Flucht'. So ist es die vielleicht größte Herausforderung im Loyalitätsmanagement, zu verstehen, wie Gemeinschaften funktionieren. Denn dann verstehen wir auch Loyalität."
Was genau verstehen Sie unter dem "Herdentrieb" und wie kann er zur Gewinnung der Kundenloyalität genutzt werden?
Anne M. Schüller: "Zwischenmenschliche Beziehungen färben und lenken sehr stark, was wir für gut oder schlecht befinden. Manches erscheint uns nur deshalb begehrenswert, weil andere es haben – oder wollen. Gruppendynamische Prozesse nennt man das gern. Was viele tun, das kann so falsch nicht sein. Dabei beeinflusst das Urteil von Meinungsmachern oft das Konsumverhalten ganzer Gruppen. Denn viele hören erst mal, was ‚Influencer‘ und ‚Opinion-Leader‘ zu sagen haben. Die wenigsten unter uns sind ja Vormacher, die meisten sind Nachmacher. So kommt es, dass Menschen sich an denen orientieren, die ‚oben‘ sind und das Sagen haben. Deren Loyalität zu gewinnen ist also besonders zielführend."
Anne M. Schüller ist Management-Consultant und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Über 20 Jahre lang hat sie in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen verschiedener internationaler Dienstleistungsbranchen gearbeitet und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Die Diplom-Betriebswirtin und zehnfache Buchautorin gehört zu den gefragtesten Keynote-Rednern im deutschsprachigen Raum. Sie arbeitet auch als Business-Trainerin und lehrt an mehreren Hochschulen. Sie gehört zum Kreis der ‚Excellent-Speakers‘. Zu ihren Kunden zählt die Elite der deutschen, schweizerischen und österreichischen Wirtschaft. Kontakt: www.anneschueller.de
Die Kundenloyalität, von der Sie sprechen, basiert auf viel Gefühl: Es ist von freiwilliger Treue, andauernder Verbundenheit und emotionaler Fürsprache des Kunden gegenüber "seinem" Unternehmen die Rede. Ist diese Art von Kundenbeziehung in einer Schnäppchenjäger-Gesellschaft wie der heutigen denn überhaupt noch möglich?
Anne M. Schüller: "Jede funktionierende Kundenbeziehung hat immer auch mit dem Erzeugen guter Gefühle zu tun: mit Achtsamkeit, Zuwendung, Verlässlichkeit, Sicherheit, Flexibilität, Wertschätzung und Respekt. Geldscheine sind Stimmzettel. Letztlich zahlen wir für einen Zuwachs auf unserem Glückskonto, nämlich für die Erfüllung von Hoffnungen, Wünschen und Träumen. Im Consumer-Bereich geht es hierbei vor allem um Lebensqualität. Und im Business um sichtbaren Erfolg. Emotionalität ist, auch wenn das auf den ersten Blick ein wenig alchemistisch klingt, die sicherste Möglichkeit, Kunden auf Dauer zu halten.
Wenn ein Unternehmen allerdings nichts Außergewöhnliches zu bieten hat, wenn seine Produkte austauschbar sind und der Service alles andere als begeistert, entscheidet immer der Preis. Dann soll es wenigstens billig sein. So trösten wir uns – wir sagen ja auch Trostpreis – mit Billigpreisen oder Rabatten über emotionale Mängel und Enttäuschungen hinweg. Was hingegen einzigartig ist und uns emotional berührt oder begeistert, darf ruhig ein wenig kosten."
Welches sind denn die größten Fehler, die Händler machen, wenn es um den Aufbau einer dauerhaften Kundenloyalität geht?
Anne M. Schüller: "Die Liste ist lang, und es ist von Fall zu Fall verschieden, was funktioniert. Eine ganz grundsätzliche Regel lautet: Wer treue Kunden will, muss Kundentreue belohnen. Das hört sich jetzt banal an, ist es aber nicht. Denn in vielen Branchen hat man das Gefühl: Ist man erst mal Kunde, dann ist man ‚zweite Klasse‘. Unternehmen geben oft so unglaublich viel Geld aus, um neue Kunden zu gewinnen. Doch kaum sind sie endlich eingefangen, wird an allen Ecken und Enden gespart: Mitarbeiter werden nicht trainiert, es sind zu wenige da, sie haben keine Lust – oder Frust. Sie werden schlecht geführt, sie haben keine Ressourcen, keinen Spielraum und keine Ideen, um Kunden zu begeistern und schließlich zu 'loyalisieren'. So ist ganz offensichtlich: Auch die Bestandskundenbetreuer sind in Unternehmen ‚zweite Klasse‘. Die Neukundenjäger sind die Helden vom Dienst."
Viele Firmen versuchen sich neuerdings in Social Media-Netzwerken wie StudiVZ oder Facebook positiv darzustellen und so die Online-Mundpropaganda anzukurbeln. In den meisten Fällen funktioniert das aber nicht besonders gut bzw. bringt vielleicht viele "Fans" auf diesen Seiten, aber deswegen noch lange keinen Umsatz. Sie raten Firmen aber trotzdem, stärker auf "Mitmach-Marketing" des Kunden, beispielsweise in Form von User-Ratings, Focus-Groups und Corporate Blogs zu setzen. Was ist an Ihrem Ansatz anders, oder anders gefragt, was machen die Firmen falsch, die mit ihren Versuchen scheitern?
Anne M. Schüller: "Mit Social Media stehen wir erst ganz am Anfang. Die meisten Unternehmen üben noch, und viele haben noch nicht mal angefangen. Mitmach-Marketing beschränkt sich allerdings nicht nur auf Social Media, sondern ist in allen Stufen des Wertschöpfungsprozesses anwendbar. Dabei kooperiert man mit den Kunden, beobachtet und befragt sie regelmäßig und bindet sie aktiv in die Abläufe ein. So macht man seine Kunden zu Mitwissern und Mitgestaltern. Dies senkt nicht nur das unternehmerische Risiko, sondern baut auch Eintrittsbarrieren für den Wettbewerb auf. Denn wenn man Menschen zeigt, dass man sich für ihre Meinung wirklich interessiert, und wenn man ihnen Mitwirkungsmöglichkeiten gibt, verändert sich deren Haltung zum Unternehmen und seinen Angeboten positiv. Dies sorgt nicht nur fürs Drüberreden, sondern auch für den sogenannten ‚Mein-Baby-Effekt‘. Und wer lässt schon gern sein Baby im Stich?"
Sie beobachten die Entwicklung und die Methoden, die Firmen zum Aufbau der Kundenloyalität nutzen, ja sehr genau. Gibt es Ihrer Meinung nach ein Unternehmen, die die Klaviatur der Kundenbindung besonders gut beherrscht? Die es geschafft hat, eine emotionale Komponente einzubringen und beim Kunden das Gefühl zu schaffen, dass es "seine" Marke ist?
Anne M. Schüller: "Die Firma, die all das derzeit sichtbar am besten macht? Für mich ist es Apple. Apple will Produkte bauen, die so sexy sind, dass sich die Leute darin verlieben. Nur so konnte es gelingen, dass eine Unmenge von Apple-Fans quasi die ganze Kommunikationsarbeit für das Unternehmen macht. Die Produkt- und Markentreue ist bei Apple bemerkenswert hoch. Klug war es auch, die Apple-Stores zu erfinden. Anstatt aber dort auf Teufel komm raus zu verkaufen, setzen die Mitarbeiter alles daran, eine ‚Brand Experience‘ zu gestalten, die Markenpräferenz weiter zu festigen und Kundentreue zu bewirken. Leidenschaft ist wohl das treffendste Wort für alles, was Apple tut. Und Leidenschaft ist ja nicht nur ein Innovationsmotor, sondern auch ein kraftvoller Loyalitätsmacher." (Marzena Sicking) /
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