LNG: Volltanken im Ausland, bitte!

Seite 3: Klimaschutz wurde oft als Argument gegen die Terminals vorgebracht.

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Nach den Angriffen Russlands auf die Ukraine ab dem 24. Februar vollzog die deutsche Bundesregierung eine radikale Wende. Anfang März bereits verkündete die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zusammen mit dem niederländischen Staatsunternehmen Gasunie und dem Energiekonzern RWE, ein LNG-Terminal in Brunsbüttel errichten zu wollen. Die Kosten eines solchen Terminals sind mit einer Milliarde Euro veranschlagt, die Bauzeit soll bei drei Jahren liegen – was aber das Minimum sein dürfte.

Das Terminal soll über eine jährliche Kapazität von acht Milliarden Kubikmetern verfügen, was etwa neun Prozent des jährlichen Gasverbrauchs in Deutschland entspricht, und eine Regasifizierungskapazität, die rund drei Prozent der europaweiten Kapazität ausmacht. So erhöhe man die Versorgungssicherheit und trage "zu mehr Unabhängigkeit von leitungsgebundenen Erdgasimporten in Nordwesteuropa bei", erklärt die KfW.

Zum Standort Stade informierte unmittelbar nach Kriegsbeginn die Hanseatic Energy Hub GmbH (HEH), dass derzeit alle Genehmigungsunterlagen fertiggestellt würden. Frühestens Ende 2026 könne dort ein LNG-Terminal in Betrieb gehen, dessen Kapazität bei zwölf Milliarden Kubikmetern liegen soll.

Das Thema Klimaschutz steht bei diesen Projekten natürlich stets mit im Raum – wurde dieses Argument doch oft gegen die Terminals vorgebracht. Die Branche versucht entsprechend, das Klimathema zumindest in der Kommunikation zu antizipieren. So wirbt HEH bereits damit, das Terminal werde "auch für kohlenstoffarme Energieträger wie Bio-LNG und synthetisches Methan ausgelegt". Das sagt aber wenig aus, weil Biomethan und synthetisches Methan – beispielsweise per Sabatier-Prozess aus Wasserstoff und CO2 erzeugt – chemisch ohnehin mit Erdgas weitgehend identisch sind.

Importe von LNG in EU-28-Länder 2020 (in Milliarden Kubikmetern)

(Bild: Statista; Quelle: BGR)

Aber wie steht es um die künftige Nutzung mit anderen Gasen? Das Wirtschaftsministerium betont, es sei "perspektivisch" vorgesehen, das Terminal in Brunsbüttel "für den Import von grünen Wasserstoffderivaten wie Ammoniak umzurüsten".

Auch die Nutzung für den Import von Wasserstoff sei "aus technischer Sicht grundsätzlich umsetzbar", sagt Martin Kaltschmitt vom Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft der TU Hamburg. Allerdings sei flüssiger Ammoniak wahrscheinlich etwas einfacher zu handhaben als flüssiger Wasserstoff.

Der DVGW, der technische Fachverband der Gaswirtschaft, bestätigt, dass zumindest die Nutzung der Terminals für Ammoniak "technisch gut möglich" sei. Große Teile der Infrastruktur, wie Schiffsanleger und Energieversorgung, könnten ohne Anpassungen weiter genutzt werden. Die LNG-Tanks lassen sich ebenso für Ammoniak verwenden, allerdings mit einer reduzierten Kapazität, da Ammoniak spezifisch schwerer ist als LNG. Pumpen müssten ausgetauscht, auch andere Anlagenbestandteile wie die Regasifizierung angepasst werden. Die Kosten einer solchen Umrüstung schätzt der DVGW auf 10 bis 20 Prozent der ursprünglichen Investitionssumme, also etwa 100 bis 200 Millionen Euro. Allerdings sei es auch möglich, die Tanks durch stärkere Fundamente gleich zu Beginn auf Ammoniak auszulegen, was man in Brunsbüttel bereits plane.

Unterdessen stellt sich auch die Frage, wie die Klimabilanz von LNG im Vergleich zu Pipeline-Erdgas grundsätzlich aussieht. Die Antwort ist komplex, weil hier viele Faktoren zusammenkommen, speziell die Art der Gasgewinnung und die Länge des Transportweges. Zwar lägen "die Vorketten aus russischem Erdgas in etwa bei denen einer LNG-Versorgung aus Katar", heißt es in einer Untersuchung des Fraunhofer ISI im Auftrag des UBA von 2019. Betrachtet man aber LNG aus den USA, das laut ISI zu 85 Prozent per Fracking gewonnen wird, so liegen die Vorkettenemissionen um 50 Prozent höher als bei Katar oder Russland. Da die USA ihren LNG-Export massiv ausgebaut haben, dürfte das künftig in Deutschland fehlende Gas vor allem von dort kommen – mit einer entsprechend schlechten Klimabilanz. Oder aber aus Katar, wo Wirtschaftsminister Robert Habeck im März hingereist war, um eine "Energiepartnerschaft" zu schließen. Im Hinblick auf LNG-Terminals in Deutschland warnt Habeck laut Medienberichten die Deutsche Umwelthilfe vor gerichtlichen Klagen gegen den Bau von LNG-Terminals. Solche Klagen könnten wieder zu einer Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen führen.

(grh)