LNG: Volltanken im Ausland, bitte!

Nach Rückgang und möglichem Importstopp der russischen Gaslieferungen muss Deutschland auf andere LNG-Importe und eigene Terminals wie in Wilhelmshaven setzen.

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Innenraum eines LNG-Schiffstanks. Solche Tanker sollen Europa unabhängiger von russischem Gas machen.  , Foto: picture-alliance/dpa, E.ON-Ruhrgas

Innenraum eines LNG-Schiffstanks. Solche Tanker sollen Europa unabhängiger von russischem Gas machen.

(Bild: picture-alliance/dpa, E.ON-Ruhrgas)

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Bernward Janzing
Inhaltsverzeichnis

Es war eine 180-Grad-Wende. Lange Zeit überwog in Deutschland die Ansicht, ein eigenes Terminal zum Import von Flüssigerdgas (LNG) sei unnötig. Schließlich ist Deutschland per Pipeline gut an Russland angebunden – einerseits über die Ukraine und Belarus, andererseits direkt über Nord Stream 1 und künftig über Nord Stream 2.


Dieser Text stammt aus der aktuellen Ausgabe 3/2022 von MIT Technology Review.


Zudem gibt es in Europa bereits 37 LNG-Terminals, 26 davon in der heutigen EU. Aufgrund der gut ausgebauten Gasnetze kann Deutschland auf einige dieser Terminals zurückgreifen – auf jene in Dunkerque, Rotterdam und Zeebrugge zum Beispiel. Diese schienen als Sicherheitsreserve zu reichen. Und so war die Motivation, zusätzlich in ein eigenes LNG-Terminal zu investieren, gering – besonders angesichts des deutschen Ziels, langfristig von den fossilen Energien wegzukommen.

Schon im vergangenen Herbst bekam diese Sichtweise Schrammen. Die Gaslieferungen aus Russland über die Pipelines durch Belarus und die Ukraine gingen zurück. Der Zusammenhang mit den politischen Konflikten in dieser Weltregion lag auf der Hand – erst recht als sich die Situation im Januar zuspitzte. So kam es, dass Polen zeitweise auf dem Umweg über Deutschland versorgt wurde, indem der Gasfluss am deutschen Grenzübergangspunkt Mallnow sich in Richtung Osten umkehrte.

Dieser Text stammt aus: Technology Review 3/2022

(Bild: 

Technology Review 3/2022 im heise shop

)

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Obwohl seinerzeit in Deutschland durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 weiterhin unvermindert Gas ankam, hinterließen die fehlenden Lieferungen aus Russland über andere Routen zunehmend eine Lücke in der Europäischen Union. Mehrlieferungen aus Norwegen konnten das Defizit nur zum Teil auffangen – also musste der Rest nun in Form von LNG beschafft werden. Wie steht es aber um die kurz- und mittelfristige Beschaffung von LNG?

LNG steht für Liquified Natural Gas. Das ist Erdgas, das auf minus 162 Grad Celsius heruntergekühlt wird und dann im flüssigen Zustand nur noch ein Sechshundertstel seines ursprünglichen Volumens benötigt. So kann es in Tankschiffen rund um den Globus transportiert werden. Ein mittleres Tankschiff fasst etwa 150.000 Kubikmeter LNG, was 90 Millionen Normkubikmetern (also bei Normaldruck) entspricht. Da das Erdgas vor der Verflüssigung noch von unerwünschten Spurengasen gereinigt wird, ist LNG mit 98 Prozent Methan ein besonders reines Gas.

An den LNG-Terminals wird das Gas wieder auf Normaltemperatur gebracht ("regasifiziert") und in das Gasnetz gepumpt. In der jüngsten Diskussion über LNG wurde mitunter auch der Begriff Flüssiggas gebraucht, doch dieser verwirrt: Flüssiggas steht üblicherweise für Propan und Butan, die bei Raumtemperatur und geringer Kompression bereits flüssig werden. LNG jedoch ist Methan und heißt korrekt Flüssigerdgas.