Laser-Kartografie: Wie Archäologen verschollene Städte im Amazonas finden

Mit Hilfe verbesserter bildgebender Verfahren, die vom Hubschrauber aus eingesetzt werden können, machen Archäologen ganz neue Entdeckungen.

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Screenshot einer 3D-Visualisierung der Stätte Cotoca. Man sieht deutlich eine pyramidenartige Erhöhung sowie ein Straßensystem.

(Bild: Prümers / DAI)

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Die Archäologie ist seit dem 19. Jahrhundert vor allem eine ganz praktische Kunst: Forscherinnen und Forscher recherchieren in Archiven, befragen Menschen und graben sich schließlich mit schwerem Gerät durch die Erde, um etwas Neues über die Vergangenheit zu lernen. Doch seit einigen Jahren hilft auch Kollege Computer: Nicht nur zur Erfassung der auf einer Grabungsstätte anfallenden, enormen Datenmengen, sondern zunehmend auch bei der Entdeckung noch unbekannter Gebiete, die sich zu untersuchen lohnen.

Dazu müssen Archäologen mittlerweile nicht einmal mehr mit den Füßen den Erdboden betreten: Sogenannte Remote-Sensing-Verfahren – also Fernerkundung – erlauben das Detektieren neuer potenzieller Ausgrabungsstätten vom Hubschrauber oder vom Flugzeug aus. Ein besonderes Projekt dieser Art hat nun das Deutsche Archäologische Institut (DAI) aus Berlin mit Kollegen an den Universitäten von Bonn und Exeter durchgeführt und dabei sehr spannende Entdeckungen im bolivianischen Amazonasgebiet gemacht.

Wie die Gruppe in ihrer im Journal "Nature" erschienenen Studie schreibt, gelang es ihnen mit der Radar-basierten LIDAR-Technik (Light detection and ranging) bislang unbekannte Bauten der Casarabe-Kultur zu entdecken, die zwischen 500 und 1400 nach Christus existierte. Das Gebiet, das wohl eine urbanisierte Gemeinschaft mit lockerer Bebauung war, sei "beeindruckend groß".

Die zwei Flächen, die mittels eines Eurocopter AS350, an dem die LIDAR-Technik befestigt war, wurden in 200 Metern Höhe überflogen und kartografiert. Sie messen 147 beziehungsweise 315 Hektar in einem "dichten, aus vier Bereichen bestehenden System". Neben zeremoniellen Strukturen ließ sich auch ein komplexes System aus Kanälen, Wasserspeichern und Bewässerungsanlagen feststellen. All dies ist heute unter dem Llanos de Mojos genannten Mosaik aus Savannen und Wäldern versteckt und vom Boden aus quasi nicht zu erkennen.

Diese Form der tropischen Urbanisierung sei im Amazonas Gebiet bislang noch nicht beschrieben worden, so das Team weiter. Es war eine fortgeschrittene Agrargesellschaft, der es gelang, eine Fläche von der Größe Englands, die zuvor regelmäßig überflutet wurde, in "eine produktive Landschaft für den Ackerbau und die Aquakultur" umzubauen. Die Forscher glauben, dass es hier eine soziopolitisch und wirtschaftlich hohe Diversität gegeben hat. Vor dem aktuellen Projekt hatte man bereits 189 Monumentalbauten und fast 1000 Kilometer an Kanälen entdeckt. Diese Zentren seien das gesamte Jahr über bewohnt gewesen.

So geht Archäologie auch - mit LIDAR-Technik über Bolivien (8 Bilder)

Blick aus dem Helikopter, an dem der LIDAR-Sensor für die Flüge über den dicht bewachsenen Wald Boliviens befestigt ist.
(Bild: José Iriarte / DAI )

Vor dem LIDAR-Projekt – die Technik an sich wird bereits seit 2011 im Amazonas-Tiefland eingesetzt – gab es dafür nur teilweise Belege. Es war enorm schwierig, sich vor Ort ein Bild zu machen, weil die Stätten im Regenwald so isoliert sind. Wie die Casarabe-Kultur wirklich funktionierte, war deshalb unbekannt. Im Rahmen der neuen Studie wurde nun eine Laser-Kartografie von sechs Bereichen durchgeführt, von denen bekannt war, dass sie größere Bevölkerungsmengen beherbergt haben müssten. Besonders interessante Bereiche wurden dann per LIDAR im Detail untersucht. Dabei wird ein Laserpuls mit einer Wiederholrate von 200 kHz zur Erde geschickt und die Zeit gemessen, die die Reflexion benötigt. Daraus lässt sich dann die Topografie bestimmen, was auch grafisch aufbereitet werden kann.

Das DAI-Projekt kommt genau zur rechten Zeit: Manche der jetzt untersuchten Regionen sind von Entwaldung bedroht. Diese bringt oft auch die Vernichtung bislang unbekannter archäologischer Stätten mit sich, die einfach von Bulldozern "überfahren" werden. "Sie werden für immer zerstört", warnt DAI-Forscher Heiko Prümers. Schlimm daran ist auch, dass vieles noch komplett unbekannt ist. "Es gibt gigantische Regionen, von denen keine einzige archäologische Stätte bekannt ist." Die Theorie, dass der westliche Teil des Amazonasbeckens nur wenig bewohnt war, bevor die Spanier kamen, lässt sich nicht halten. Sie sind sogar größer als die fortschrittlichen, miteinander verbundenen Siedlungsgebiete im Süden. "Das hilft uns, die Kategorien für die früheren und heutigen Gesellschaften des Amazonasbeckens neu zu definieren", enden die Forscher in ihrer Studie.

(bsc)