Linux 4.19: Schöner starten und bereit für das WLAN von Morgen
Seite 2: Schöner starten, schneller funken & Strom sparen
Linux schöner starten
Linux 4.19 ermöglicht einen ästhetischen Startprozess, indem es harte, durch Auflösungswechsel oder Statusausgaben erzeugte Brüche zu vermeiden versucht. Letztlich sollen Distributionen damit den Bootprozess ähnlich schick und geschmeidig gestalten können, wie es Mac-User seit langem gewöhnt sind; das Ganze dürfte in der Praxis aber mehr dem Windows-Start via UEFI ähneln.
Den schickeren Start ermöglichen Änderungen, durch die das früh beim Booten initialisierte Framebuffer-Subsystem des Kernels nur dann an der Bildschirmkonfiguration dreht oder irgendwas darstellt, wenn es irgendwelche Informationen auszugeben gibt ("deferred console takeover"). Das sollte nur bei Warnungen oder Fehlern der Fall sein, wenn der Kernel mit der Option quiet
startet, wie es bei vielen Distributionen seit Jahren der Fall ist. Stattdessen wird weiter das Logo ausgegeben, das das UEFI-BIOS am Ende des Selbsttests angezeigt hat. Während der Grundinitialisierung des Kernels wird schließlich irgendwann der Grafiktreiber des Kernels geladen, der sich im Idealfall ebenfalls ein Ändern der Bildschirmauflösung spart, wenn das UEFI-BIOS diese schon optimal eingestellt hat; das gelingt derzeit aber nur mit dem Intel-Treiber und einem Patch, den erst in den Nachfolger von 4.19 einfließen soll. Am Ende des Boot-Prozesses soll sich dann auch der Anmeldemanager sanft einblenden können.
Wie so ein geschmeidiger Boot-Prozess aussehen kann, zeigt der Entwickler der Änderungen in einem Video: Nach dem Power-on-Self-Test (POST) des BIOS bleibt das Hersteller-Logo während der Initialisierung der Linux-Distribution stehen, an deren Ende das Bild dann fließend zum Anmeldemanager überblendet. Es ist eines von vier Videos, die der Entwickler im Home-Office mit dem eigenen Smartphone aufgenommen hat. Er arbeitet darauf hin, mit diesen und weiteren Änderungen den Boot-Prozess des im Oktober erwarteten Fedora 29 zu verschönern; daher soll sich der Boot-Manager dort in vielen Fällen standardmäßig nicht zeigen, solange man nicht Shift festhält oder Tasten wie Esc oder F8 drückt. Das Ganze klappt aber nur unter bestimmten Bedingungen, denn neben dem UEFI-BIOS muss auch der Grafiktreiber des Kernels mitspielen. So richtig flutschen dürfte es fürs Erste wohl nur mit modernen Intel-Chips, denn beim für sie zuständigen Treiber haben die Entwickler in den vergangenen Jahren bereits allerlei Vorarbeit geleistet, um einen schickeren Boot-Prozess zu ermöglichen.
Support fĂĽr schnellere WLANs
Linux 4.19 unterstützt den nächsten WLAN-Standard IEEE 802.11ax, der WLAN-Übertragungen um Faktor vier zu beschleunigen verspricht. Die entsprechenden Änderungen haben Intel-Entwickler beigesteuert. Die haben auch gleich ihren WLAN-Treiber Iwlwifi um Support für eine neue Serie von WLAN-Chips erweitert, die den schnelleren Funkstandard beherrscht. Diese Intel Wireless-AX 22560 genannte Modellreihe will Intel offenbar mittelfristig einführen, wann genau, ist allerdings nicht bekannt.
Durch die frĂĽhe Integration in Linux steigt die Chance, dass bei der ProdukteinfĂĽhrung aktuelle Linux-Distributionen die WLAN-Chips von Haus aus unterstĂĽtzen. Nachdem Intel jetzt die Grundlagen zur UnterstĂĽtzung von 802.11ax im WLAN-Stack (mac80211) und dessen Konfigurationsinterface (cfg80211) gelegt hat, ist es fĂĽr die Programmierer anderer WLAN-Treiber nun deutlich leichter, Support fĂĽr den neuen WLAN-Standard zu implementieren.
Treiber fĂĽr AVM FRITZ! AC 430 und 860
Der neue Kernel unterstützt von Haus aus die USB-WLAN-Sticks AVM FRITZ! AC 430 und 860. Das ist den in Linux 4.19 integrierten Treibern für USB-WLAN-Chips von Mediatek zu verdanken, die zu den Reihen MT76x0U und MT76x2U zählen.
Der Treiber ist unabhängig von Mediatek entstanden. Das Unternehmen hatte selbst quelloffene Treiber freigegeben, aber nicht aktiv gepflegt; sie funktionierten daher nur mit ausgewählten, schon bei der Veröffentlichung veralteten Linux-Kerneln. Daher ließen sie sich unter damals aktuellen Linux-Distributionen nicht oder nur mühsam einsetzen. Offenbar wiesen die Herstellertreiber zudem so viele Qualitätsmängel auf, dass die Programmierer lieber komplett neue Treiber geschrieben haben. Diese unterstützen nicht nur die genannten WLAN-Sticks von AVM, sondern auch von anderen Herstellern produzierte WLAN-Adapter, die der Quellcode der Treiber Mt76x0 und Mt76x2 nennt – darunter der XBox-One-Wireless-Adapter, der Devolo-Wifi-ac-Stick sowie Asus USB-AC50, USB-AC51, USB-AC54 & USB-AC55.
Strom sparen mit Thunderbolt und Realtek-Netzwerkchips
So manch Notebook, PC und Server mit einem Gigabit-Netzwerkchip von Realtek wird mit Linux 4.19 sparsamer laufen. Das ist einigen Änderungen zu verdanken (u.a. 1, 2, 3), durch die der für diese Chips zuständige Treiber R8169 die PCIe-Stromspartechnik ASPM (Active State Power Management) jetzt in vielen Systemen standardmäßig aktiviert. Durch diese können der Chip samt seiner PCIe-Anbindung in sparsamere Modi schalten und im Idealfall sogar weitgehend schlafen gehen, wenn es wenig oder nichts zu tun gibt.
Diese kleine Änderung dürfte auf vielen Systemen mehr Stromsparpotenzial frei werden, als normalerweise zu erwarten wäre: Ein an den Änderungen beteiligter Entwickler hat festgestellt, dass die Intel-Prozessoren mancher mit Realtek-NICs bestückten Systeme nur dann in die tieferen und stromsparenden Schlafzustände (die "Package-C-States") wechselt, wenn ASPM im Netzwerktreiber aktiv ist – offenbar, weil alle anderen Komponenten schon tief genug schlafen, sodass nur der Realtek-Treiber das tiefere Schlafen blockiert.
Beim Gaming-Notebook Dell G3 3779 soll das Sparpotenzial durch die Änderungen beispielsweise bei 3 Watt liegen – ein Wert, durch den sich die Akkulaufzeit des Notebooks spürbar verlängern kann. Solche Realtek-Chip sitzen auch auf vielen Mainboards für Desktop-PCs oder Heimserver, daher können die Änderungen auch dort den Stromverbrauch ein wenig senken. Allerdings bergen sie auch die Gefahr von Problemen, denn die Entwickler hatten die Stromspartechnik bislang bewusst links liegen lassen, weil sie hin und wieder Probleme bereitet. Die Entwickler haben einige der Ursachen aber ausgemerzt; womöglich lauern aber noch weitere in Treibern, Firmware oder Hardware. Wer über solche stolpert, sollte die zuständigen Entwickler darüber informieren, damit diese die Macke aus der Welt schaffen oder umgehen können.
Geringeren Stromverbrauch und somit längere Akkulaufzeit verspricht auch eine Änderung am Thunderbolt-Treiber, durch die er jetzt die zur Laufzeit nutzbaren Stromsparfunktionen unterstützt.
Linux 4.19 wird mindestens zwei Jahre gepflegt
Die neue Linux-Version wird kein Stable-, sondern ein Longterm-Kernel. Die Entwickler versorgen ihn daher nicht nur zirka drei Monate mit kleinen und offensichlich ungefährliche Verbesserungen, sondern mindestens zwei Jahre. Das stellte Greg Kroah-Hartman bereits im August klar, kurz bevor die Hauptentwicklungsphase von 4.19 endete.
Zur selben Zeit veröffentlichte der zweitwichtigste Kernel-Entwickler auch einen ausführlichen Blog-Post zur Frage, welche Geräteklasse man am besten mit welcher Kernel-Linie kombiniert. Die Kurzform: Für die meisten Nutzer sei der Kernel der eingesetzten Distribution der richtige. Wenn stattdessen ein Kernel.org-Linux her soll, empfiehlt Kroah-Hartman für Notebooks und Desktop-PCs jeweils den aktuellen Stable-Kernel. Bis dato war das das Linux 4.18, dessen Pflege allerdings in drei bis vier Wochen enden dürfte, jetzt wo Linux 4.19 erschienen ist.
Auch bei neuen Servern rät Kroah-Hartman zum Stable-Kernel. Er selbst nutzt sie auch auf Servern mit älteren Komponenten, wo auch der jeweils neueste Longterm-Kernel in Frage komme – bis dato war das Linux 4.14. Er rät indes nachdrücklich davon ab, Kernel einer älteren Longterm-Reihe (derzeit etwa 4.4 und 4.9) auf Servern einzusetzen, auf denen man Nutzern, Programmen oder virtuellen Maschinen nicht trauen kann. Das begründet er mit Sicherheitsbedenken: Einige in neue Versionen eingepflegte Sicherheitskorrekturen lassen sich nur nicht ordentlich in derart alte Versionen zurückportieren oder würden dort zu wenig getestet.