Missing Link: Von Geheimnissen und Whistleblowing - 50 Jahre Pentagon Papers

Seite 3: Nixons Jagd auf Ellsberg

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Unabhängig von dieser Entscheidung gab es den Versuch, durch eine öffentliche Lesung der Pentagon Papers zu verhindern, dass die Papiere wieder weggeschlossen wurden. In aller Eile hatte sich ein Team um Noam Chomsky und Howard Zinn gebildet und eine Version der Papers zusammengestellt, die der Senator Mike Gavel in einem Filibuster vorlesen sollte. Zusätzlich versuchte man, 4100 Seiten der Pentagon Papers über das Komitee für öffentliche Bauten, dem Gavel vorstand, als Kongressdokumente zu klassifizieren. Dafür wurde ein Mitarbeiter von Gavel angeklagt, aber die Sache wurde nach der Entscheidung des obersten Gerichtshofes ad acta gelegt.

Parallel dazu setzte Nixon seine Hintermänner in Bewegung. Sie sollte für die Prozesse gegen Ellsberg und Russo belastendes Material sammeln. Besonders gegen den bei RAND arbeitenden Analysten Daniel Ellsberg sollte ermittelt werden. Wie konnte es sein, dass einer, der als Elitesoldat in Vietnam gedient hatte, sich zum Gegner des Vietnamkrieges entwickelte? Wie konnte es sein, dass sich jemand, der noch unentdeckt war, zur Polizei geht und sich zu seinem Whistleblowing bekennt? Da müsste doch ein psychischer Defekt vorliegen. Nixon beschäftigte sich geradezu obsessiv mit Ellsberg und lies sein Team bei dessen Psychiater einbrechen. Außerdem wurde Ellsberg überwacht, sein Telefon vom FBI angezapft. Als diese Aktionen im Zuge des Watergate-Skandals bekannt wurde, platzte das Gerichtsverfahren gegen Ellsberg und Russo.

In ihren Reflexionen über die Pentagon Papers beschäftigte sich Hannah Arendt mit der Lüge, die schon immer ein erlaubtes Mittel der Politik sei. Sie fragte sich auch, ob die technische Reproduzierbarkeit der Lüge einen Stand erreichen könnte, in dem die Wahrheit vollends verschüttet werden könnte. Die Antwort ist nein: "Unter normalen Umständen kommt der Lügner gegen die Wirklichkeit, für die es keinen Ersatz gibt, nicht auf; so groß das Gewebe aus Unwahrheiten eines Lügners auch sein mag, es wird doch, selbst wenn er Computer zu Hilfe nimmt, niemals groß genug sein, um die Unendlichkeit des Wirklichen zuzudecken. Der Lügner kann zwar mit beliebig vielen einzelnen Unwahrheiten Erfolg haben, aber er wird die Erfahrung machen, dass er damit nicht durchkommt, wenn er aus Prinzip lügt."

(bme)