Missing Link: Abstrakte Künstler und kalte Krieger - die CIA und die Kultur

Seite 2: Eine CIA-Erfindung?

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1974 stellte die Malerin und Kunsthistorikerin Eva Cockcroft die These auf, dass das MoMA mehr tat als nur paar Bilder auszuleihen. In einer konzertierten Aktion mit der CIA hätte das Museum die gegenstandlose Kunst für die Propaganda entdeckt und in der westlichen Welt durchgesetzt. Der abstrakte Expressionismus sollte quasi die demokratische Antwort auf den sozialistischen Realismus sein. Und da in den Fifties viele US-Politiker Künstler generell für Kommunisten hielten, sei eine solche Aktion nur klandestin möglich gewesen.

(Bild: Ralf Bülow)

In der Kurzform, dass die abstrakte Kunst ein Produkt der CIA sei, ist die Behauptung immer noch in Umlauf. In der Berliner Ausstellung ist Eva Cockcroft – sie wurde als Eva Sperling in Wien geboren und starb 1999 mit 62 Jahren in Los Angeles – in einem in einem Video zu sehen. Ansonsten wird ihre These kaum analysiert, obwohl sich eine kritische Prüfung angeboten hätte. So war die CIA-subventionierte Zeitschrift Monat 1955 Schauplatz einer wilden Leserbrief-Debatte über moderne Kunst. Sie nahm den Berliner Maler und Kunsthochschuldirektor Karl Hofer so mit, dass er am 1. April 1955 einem Schlaganfall erlag.

Anselm Franke, Chefkurator der "Parapolitik", betonte, dass die Ausstellung kein von der CIA bezahltes Kunstwerk zeigen würde. Am nächsten kommt wohl das Gemälde "Picassos's Guernica in the Style of Jackson Pollock", das die englische Künstlergruppe Art & Language 1980 schuf. Der Farbtropf-Meister zählte bis zu seinem Tod im Jahr 1956 zu den Stars des abstrakten Expressionismus. Inzwischen kann man ihm online an mehr als einem Jackson-Pollock-Generator nacheifern.

(Bild: Ralf Bülow)

Statt auf geheime Kunst trifft der Besucher der "Parapolitik" auf ein Labyrinth der Reflexion, das manchmal mehr verwirrt als aufklärt und arg viele Reproduktionen und Nachahmungen bringt. Wer sucht, findet aber zwischen ihnen dem Normalverbraucher bekannte Namen wie Gerhard Richter, Wolf Vostell, Sigmar Polke oder Frank Stella. Am 15. und 16. Dezember findet im Haus der Kulturen der Welt die Begleitkonferenz "Freedom in the Bush of Ghosts" statt, für nächstes Frühjahr ist eine Begleitbroschüre geplant.

Als Buch zum Thema empfehlen wir das 2001 erschienene "Wer die Zeche zahlt ..." der Engländerin Frances Stonor Saunders. 2017 kam in den USA "Finks: How the CIA Tricked the World's Best Writers" von Joel Whitney heraus; es dürfte einige neue Erkenntnisse enthalten. Die CIA äußerte sich bislang nur fragmentarisch. Vom deutschen Flaggschiff der Agency , dem "Monat", liegen einzelne Hefte im Netz im Netz vor, bitte nach dem Kürzel "oa" für "open access" Ausschau halten. (jk)