Missing Link: Abstrakte Künstler und kalte Krieger - die CIA und die Kultur

Von 1950 bis 1967 finanzierte die CIA in der ganzen Welt Kulturzeitschriften und -veranstaltungen. Seit langem wird diskutiert, ob der US-Geheimdienst auch gezielt die abstrakte Malerei förderte.

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Missing Link: Abstrakte Künstler und kalte Krieger - die CIA und die Kultur
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ralf Bülow
Inhaltsverzeichnis

Wir schreiben den 26. Juni 1950. Im Westberliner Titania-Kino, das den Krieg intakt überlebte, treffen sich Intellektuelle aus 19 Ländern und sagen der geistigen Unterdrückung des kommunistischen Systems den Kampf an. So formuliert es zumindest die Wochenschau (ab Minute 1:30).

Dichter und Denker von vier Kontinenten diskutieren bis zum Monatsende; am Schluss gibt es eine Kundgebung unter freiem Himmel am Berliner Funkturm. "Freunde, die Freiheit hat die Offensive ergriffen", ruft der Schriftsteller Arthur Koestler ergriffen aus.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Der Kongress für kulturelle Freiheit, der damals Premiere hatte, war eine Idee des US-Geheimdienstes CIA, und der gab auch das Geld. Er tat es, wie man sich denken kann, im Geheimen, der offizielle Financier war eine sonst nicht weiter bekannte Fairfield-Stiftung. Der Kongressname übertrug sich vom Event in Berlin auf ein Büro in Paris, das in den folgenden Jahren weitere Tagungen in aller Welt organisierte. Die Botschaft war stets die gleiche: für die freie Welt und die Demokratie, gegen den Sowjetkommunismus und alle, die ihm folgten.

Die CIA förderte außerdem Kultur- und Politikzeitschriften wie das "Paris Review" in New York, den Londoner "Encounter" oder den "Monat" aus Berlin-Dahlem. Sie hatten Niveau und bereicherten stets die geistige Auseinandersetzung. Die Autoren waren liberal bis sozialdemokratisch orientiert, und ähnlich dachte die Leserschaft. Die Front gegen den Bolschewismus störte kaum und weichte mit der Zeit auf.

Dass die Journale mit dem Kongress für Kulturelle Freiheit zusammenhingen, erläuterte der Spiegel im Januar 1967, den Big Spender kannte er allerdings nicht. Die Bombe platzte einen Monat später. Im Februar 1967 deckten das amerikanische Magazin Ramparts und die New York Times die Geldgeschenke des Geheimdienstes auf.

Im Mai beichtete der einst verantwortliche Geheimagent seine Sünden in der Presse, im September beschrieb der Historiker Christopher Lasch in der Zeitschrift The Nation den kalten Krieg des Freiheitskongresses. Das CIA-Kulturprogramm brach wie ein Kartenhaus zusammen, die betroffenen Redakteure waren bis auf die Knochen blamiert.

An die Ereignisse vor fünfzig Jahren erinnert eine jüngst eröffnete Ausstellung im Berliner Haus der Kulturen der Welt: "Parapolitik: Kulturelle Freiheit und Kalter Krieg". Die frühere Kongresshalle ist Baujahr 1957 und selbst ein Denkmal des globalen Kräftemessens. Sie entsprang einer Initiative von Eleanor Dulles, der Schwester des CIA-Chefs Allen Dulles und des US-Außenminister John Foster Dulles. Einen Tag nach der Fertigstellung beherbergte sie eine Tagung des Kongresses für kulturelle Freiheit über Musik und bildende Künste.

Parapolitik - Kulturelle Freiheit und Kalter Krieg (6 Bilder)

Die Ausstellungsarchitektur erinnert etwas an Orwells "1984"
(Bild: HKW)

Das jetzige Projekt gliedert sich in einen historischen und einen philosophisch-politischen Teil, die beide von heutigen Künstlern erstellt wurden; Vitrinen im Foyer des Kulturhauses zeigen überdies Publikationen, die der Kongress unterstützte. Im Geschichtsraum kommen auch diverse Ausstellungen zur Sprache, die auf sein Konto gingen. Die erste war die Kunstschau, die 1952 das Kulturfestival "Masterpieces of the 20th Century" in Paris begleitete. Die Gemälde steuerte das Museum of Modern Art in New York bei, das berühmte MoMA.

Drei Jahre später kooperierten Kongress und Museum bei einer Ausstellung von jungen amerikanischen Künstlern in Rom. 1959 folgten eine Präsentation in Wien und 1960 die "Antagonismen" wieder in Paris. Stilistisch gehörten die meisten Bilder zur abstrakten Kunst, die schon vor dem 1. Weltkrieg erfunden wurde, doch in den Fünfzigern voll erblühte. Eine besondere Ausprägung erfuhr sie in den USA und der sogenannten New Yorker Schule. Hier wurde sie in der Regel als abstrakter Expressionismus bezeichnet.