Missing Link: Bis ans Ende der Zeit – die Geschichte unseres Universums, Teil 2

Seite 2: Rehabilitation der Natur

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Wissenschaftler haben berechnet, wie viel Zeit es brauchen wird, bis sich das jetzt bereits in der Atmosphäre befindliche, überschüssige CO₂ aus fossiler Verbrennung wieder durch natürliche Prozesse abgebaut hat: Es dauert 100.000 Jahre, bis 90 Prozent abgebaut sind. 2 Millionen Jahre wird es dauern, bis die Versauerung der Meere durch Kohlensäure wieder auf vorindustrielle Werte gesunken ist, und nach 10 Millionen Jahren könnte sich die Biodiversität erholt haben und sozusagen endgültig Gras über das Anthropozän gewachsen sein. Zumindest oberflächlich. Bis die fossilen Rohstoffquellen Öl, Gas und Kohle wieder hergestellt sind, würde es nämlich sogar 400 Millionen Jahre dauern. Fast so lange, wie es höheres Leben auf der Erde gibt.

Die Kontinentaldrift der tektonischen Platten wird dafür sorgen, dass in 10 Millionen Jahren Afrika entlang des Rift-Valleys aufreißen und Ostafrika zu einer großen Insel werden wird. Nachdem sich die Straße von Gibraltar geschlossen hat und das Mittelmeer ausgetrocknet ist, wird sein leeres Becken schließlich gänzlich verschwinden, weil Nordafrika mit der Eurasischen Platte kollidieren und in den kommenden 50 Millionen Jahren ein Gebirge mit den Dimensionen des Himalayas auftürmen wird. Nach 250 bis 350 Millionen Jahren werden sich alle Kontinente wieder zu einem Superkontinent mit Extremklima im Zentrum vereinigt haben. Dieser wird schließlich wieder, wie schon mehrfach in der Vergangenheit, zerbrechen und die Kontinente werden, angetrieben durch die Konvektion im Erdmantel, welche die Wärme aus dem heißen Zentrum nach außen transportiert, weiterhin ruhelos über die Erdoberfläche streifen.

Nach 500 bis 600 Millionen Jahren dürfte mit zunehmender Abkühlung des Erdinneren die Plattentektonik dann allmählich zur Ruhe kommen und damit auch der Vulkanismus, der die Atmosphäre mit aus Gestein gelöstem Kohlendioxid anreichert. Stattdessen wird durch Verwitterung das restliche atmosphärische Kohlendioxid in Kalkgesteinen gebunden werden. Damit wird Photosynthese unmöglich und alles pflanzliche Leben geht zugrunde. Damit wird aber auch die Produktion von Sauerstoff unterbunden und höheres Leben stirbt spätestens 100 Millionen Jahre nach den Pflanzen aus, wenn es nicht vorher schon durch den Zusammenbruch der auf Pflanzen gestützten Nahrungsketten kollabiert ist. In 800 bis 900 Millionen Jahren werden höchstens noch Einzeller die Erde bevölkern; positiv ausgedrückt bedeutet das aber auch, dass das tierische Leben auf der Erde somit heute noch nicht einmal die Hälfte seines Daseins hinter sich hat!

Durch die Ansammlung von Helium-"Asche" im Kern der Sonne wird der dortige Wasserstoff zunehmend verdünnt und so nimmt die Fusionsrate allmählich ab. Der von dort ausgehende Strahlungsdruck wird folglich kleiner, die darüber liegenden Schichten erfahren weniger Gegendruck und werden durch die Schwerkraft stärker verdichtet, sodass sich die Fusionszone allmählich weiter nach außen ausdehnt und mehr Sonnenvolumen an der Fusion teilnimmt. Damit wird die Sonne an der Oberfläche allmählich immer heißer. Das Leben auf der Erde wird sich dereinst in Richtung der Pole und in die Ozeane zurückziehen müssen.

Durch verstärkte Verdunstung wird die Erde nach 1,1 Milliarden Jahren ein feuchtes Treibhaus werden. In etwa 2 Milliarden Jahren beginnen dann die Ozeane zu verdampfen und lassen bei weiter ansteigender Leuchtkraft der Sonne die Erde zur zweiten Venus werden, denn Wasserdampf ist ein starkes Treibhausgas. Damit wird das letzte Leben von der Erdoberfläche verschwinden und unser Planet aus der nach außen wandernden habitablen Zone der Sonne entwichen sein. Dies geschieht lange bevor die Sonne zum Roten Riesen werden wird.

Stattdessen wird der Mars von 1,6 bis 6,5 Milliarden Jahren in der habitablen Zone weilen. Leider hat er seine Atmosphäre schon größtenteils ins All verloren und sie wird auch nicht wiederkehren – die Polkappen und das unter der Oberfläche gebundene Eis reichen dafür bei Weitem nicht aus. In der habitablen Zone zu verweilen, ist für einen Planeten eine notwendige, aber keinesfalls hinreichende Bedingung für seine tatsächliche Habitabilität.

Größenvergleich der heutigen Sonne und der Sonne in ihrer maximalen Ausdehnung als Roter Riese.

(Bild: Wikimedia Commons, Oona Räisänen, CC BY-SA 3.0)

Derweil hat sich die Fusionszone im Inneren der Sonne vollständig in eine Schale um den mit Helium angereicherten Kern verlagert. Dies sorgt dafür, dass das fusionierende Volumen und damit der Energieumsatz der Sonne weiter ansteigen, was die Hülle unseres Sterns aufbläht und durch die nun größere Oberfläche effizienter Hitze abstrahlen lässt. Dies sorgt für eine Abnahme der Transparenz des solaren Plasmas (Astronomen sprechen von zunehmender "Opazität"; Opazität ist das Antonym von "Transparenz") und damit einhergehend für einen Umschwung des Wärmetransports von Wärmestrahlung zur Konvektion. Wärmetransport per Konvektion ist weniger effizient als via Strahlung, und dies führt dazu, dass sich die äußeren Schichten der Sonne in 6,5 Milliarden Jahren stark aufzublähen beginnen. Binnen der folgenden Milliarde Jahre wird die Sonne auf das fünfzigfache ihres heutigen Durchmessers wachsen und dabei die inneren Planeten verschlingen, möglicherweise auch die Erde.

Was diese jedoch retten könnte, ist der große Massenverlust der Sonne, der mit der Expansion einhergeht. Ihre äußere Atmosphäre ist wegen der großen Entfernung zum Schwerpunkt kaum noch gravitativ gebunden, bildet nur noch ein extrem dünnes, elektrisch leitendes Gas, das durch selbst induzierte Magnetfelder leicht ins umgebende Weltall katapultiert wird. Die Sonne hüllt sich allmählich in eine Wolke aus Gas und Staub. Ihr Massenverlust lässt die Erdbahn weiter nach außen wandern. Dennoch wird die 3500 °C heiße Sonnenoberfläche eine riesige Fläche des Erdhimmels bedecken, die Erdoberfläche zu Lava aufschmelzen lassen und ihre Atmosphäre wegblasen – ein Höllenplanet.

Besser sieht es weiter draußen aus. Da die habitable Zone schließlich bis zum Jupiter reichen wird, werden die Eispanzer der großen Jupitermonde Europa, Ganymed und Kallisto aufschmelzen und verdunstende Gase ihnen vorübergehend Atmosphären bescheren. Vielleicht gibt es dort einfache Lebensformen, die durch die unverhoffte Energiezufuhr noch einmal aufblühen werden, aber zur Entwicklung komplexen Lebens auf der Basis von Photosynthese und Sauerstoff wie auf der Erde wird die Zeit wohl nicht reichen. Zudem beschleunigt Jupiters enormes Magnetfeld die Teilchen des Sonnenwinds auf hohe Energie, die unablässig als radioaktive Strahlung auf die Monde einprasseln, was für die Entwicklung von Leben an der Oberfläche der Monde äußerst schädlich sein dürfte. Radioaktive Bestrahlung ist schließlich eine effektive Methode zur Abtötung von Keimen.

In 7,5 Milliarden Jahren, bei einem Alter von knapp 12 Milliarden Jahren, erreicht die Temperatur des in sich zusammensinkenden Kerns der Sonne den kritischen Punkt von etwa 100 Millionen Kelvin, ab welchem Helium zu Kohlenstoff und Sauerstoff fusioniert. Die Fusion setzt bei Sternen von Sonnenmasse schlagartig ein – man spricht vom "Helium-Blitz", der binnen Sekunden die Leistung von 10 Milliarden Sonnenleuchtkräften freisetzt, der jedoch verblüffenderweise von außen völlig unsichtbar im Inneren des Sterns verpufft. Die Sonne schrumpft daraufhin äußerlich wieder, da der Wärmetransport aufgrund der erhöhten Temperatur wieder über den größten Teil des Radius effizient durch Strahlung erfolgt. Binnen der folgenden 250 Millionen Jahre verlagert sich auch die Heliumfusionszone nach außen und die Sonne wächst erneut zum Riesenstern.

Schließlich brennt die Heliumfusion in einer Schale um den nun heliumarmen Kern aus Sauerstoff und Kohlenstoff. Die Sonne hat so viel Masse verloren, dass die Fusion mangels ausreichenden Drucks von oben ins Stottern kommt: Sie erleidet sogenannte thermische Pulse, während derer sie besonders große Massemengen auswirft. Schließlich bleibt nur noch der nackte, immer noch 100 Millionen Kelvin heiße, erdgroße Kern übrig, der mit seiner ultravioletten Strahlung das zuvor ausgestoßene Gas in seiner Umgebung zum Leuchten anregt: Die Sonne ist zu einem Weißen Zwerg geworden, umgeben von einem leuchtenden "planetarischen Nebel". Die heißen so, weil die oft kreisrunden, fahlen Scheibchen die Astronomen des 18. Jahrhunderts an den Teleskopanblick des Planeten Uranus erinnerten. Mit Planeten haben sie allerdings nichts zu tun.

Der Katzenaugennebel NGC 6543 ist ein besonders schöner planetarischer Nebel. Im Zentrum des Nebels erkennt man den Weißen Zwerg, der bei der Entstehung des Nebels zurückblieb. Auch die Sonne wird am Ende ihres Lebens einen solchen planetarischen Nebel erzeugen, wenn sie vom Roten Riesen zum Weißen Zwerg schrumpft. Er wird jedoch wohl nicht so schöne Strukturen entwickeln wie NGC 6543 – die hat vermutlich ein den Weißen Zwerg umlaufender Begleitstern dem entweichenden Gas aufgeprägt. Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops aus dem Jahr 1995 (Rotkanal: H-Alpha 656,3 nm, Grünkanal: NII 658,4 nm, Blaukanal: OI 630 nm).

(Bild: NASA, ESA, and the Hubble Heritage Team (STScI/AURA)-ESA/Hubble Collaboration. Acknowledgement: B. Whitmore (Space Telescope Science Institute) and James Long (ESA/Hubble))

Mit der Sonne passiert nun lange Zeit nicht mehr viel. Der planetarische Nebel verliert sich schnell und der Weiße Zwerg kühlt allmählich zu einem Schwarzen Zwerg ab, der schließlich nicht mehr nennenswert Wärmestrahlung von sich gibt. Solche kann es im heutigen Universum noch nicht geben, weil die Abkühlung mindestens eine Trillion (1015) Jahre dauert.