Missing Link: Bis ans Ende der Zeit – die Geschichte unseres Universums, Teil 2

Seite 3: Kampf der Titanen

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Weiter draußen zeichnet sich heute schon eine Entwicklung ab, die unsere Milchstraße völlig verändern wird. Die große Spiralgalaxie in der Andromeda, auch Messier 31 oder kurz M31 genannt, ist eine der wenigen Galaxien mit einer Blauverschiebung: Sie nähert sich der Milchstraße, statt sich von ihr zu entfernen. Das liegt nicht an einer Anomalie der kosmischen Expansion, sondern daran, dass sie mit den anderen Galaxien der Lokalen Gruppe und auch der Milchstraße gravitativ gebunden ist: die Galaxien bewegen sich umeinander herum und aufeinander zu. M31 kommt uns dabei fast frontal mit 110 km/s entgegen.

2020 hat der Nachweis von neutralem Wasserstoffgas in der Umgebung der Andromedagalaxie im Durchlicht dahinter liegender ferner Quasare ergeben, dass dieses Gas die Andromedagalaxie bis zur halben Entfernung zur Milchstraße umhüllt. Unter der Annahme, dass die Milchstraße bei vergleichbarer Größe und Masse in einen ähnlich großen Halo gehüllt ist, berühren sich die beiden Halos der 2,5 Millionen Lichtjahre voneinander entfernten Galaxien bereits, die Kollision hat schon begonnen. In 2 Milliarden Jahren streifen sich die beiden Galaxien das erste Mal, fallen durcheinander hindurch und entfernen sich wieder, um danach erneut unter der Wirkung ihrer wechselseitigen Schwerkraft aufeinander zuzustürzen.

Nach einigen wenigen solchen Begegnungen verschmelzen sie schließlich zu einer Riesengalaxie, in welche dann später voraussichtlich noch die kleinere Triangulum-Spiralgalaxie M33 hineinstürzen wird. Die Sterne in den Galaxien werden aufgrund ihrer riesigen Entfernungen so gut wie niemals direkt miteinander kollidieren, aber ihre Umlaufbahnen werden massiv verändert. Es besteht eine 50-prozentige Chance, dass die Sonne auf einer Bahn mit dreimal größerem Radius um das Zentrum der neuen Galaxien enden wird, sowie eine 12-prozentige, dass sie gänzlich aus dieser herausgeschleudert wird. Abgesehen von einem langfristig sternenärmeren Himmel hätte das allerdings keine weiteren Konsequenzen für die – bis dahin längst leblose – Erde.

Die Antennengalaxien NGC 4038 und 4039, zwei kollidierende Spiralgalaxien in 75 Millionen Lichtjahren Entfernung, nehmen die Kollision der Milchstraße und der Andromedagalaxie schon heute vorweg. Die Spiralarme sind völlig zerrissen und auf Aufnahmen mit größerem Blickfeld sieht man zwei extrem in die Länge gezogene Spiralarme antennenartig nach außen laufen, die den Galaxien ihren Spitznamen gaben. Man erkennt dunkle Bänder aus Staub, die rasch zu Sternentstehungsgebieten kollabieren und einen sogenannten "Starburst" auslösen. Rosafarbene Zonen zeigen Gebiete aktiver Sternentstehung an, denn hier regt das Licht junger blauweißer Sterne das umgebende Gas zum Leuchten an. Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops aus dem Jahr 2006.

(Bild: J.P. Harrington and K.J. Borkowski (University of Maryland), and NASA, CC BY.4.0)

In dem Gewimmel der Sterne werden die zentralen, supermassereichen Schwarzen Löcher der Galaxien nach innen sinken. Dabei werden sie etliche Sterne, die ihnen nahekommen, nach außen und zum Teil in den intergalaktischen Raum katapultieren. Am Ende werden sie unter Aussendung von Gravitationswellen die restliche Bewegungsenergie abbauen und nach wenigen Millionen Jahren miteinander verschmelzen.

Während die Sterne unbeschadet aus der Galaxienkollision hervorgehen werden, wird das Gas heftig zusammenprallen und einen "Starburst" auslösen, der das gesamte verbliebene Gas in Sterne verwandeln wird. Die kurzlebigen, massiven, blauen Sterne werden binnen weniger zehn Millionen Jahre wieder verschwunden sein, und daher wird die neue Riesengalaxie ein gelblich leuchtender, elliptischer Blob aus alternden Sternen werden, in dem keine neuen Sterne mehr entstehen können. In etwa so wie M87, die berühmte Galaxie mit dem abgebildeten Schwarzen Loch. In 5 Milliarden Jahren werden die Milchstraße und die Andromedagalaxie Geschichte sein.