Missing Link: Bis ans Ende der Zeit – die Geschichte unseres Universums, Teil 2

Seite 5: Das Zeitalter der entarteten Sterne

Inhaltsverzeichnis

Die meisten heutigen Sterne sind nach 2 Billionen Jahren verloschen und selbst die Gammastrahlung der Galaxien jenseits der (ex-) Lokalen Gruppe ist so weit rotverschoben, dass ihre Wellenlänge größer als die des beobachtbaren Universums ist. Damit sind sie nicht mehr nachweisbar.

Ganze 100 Billionen Jahre (1014) dauert es jedoch, bis auch die allerletzten Sterne entstanden und wieder verloschen sind. Damit beginnt nach der dunklen Phase vor der Entstehung von Galaxien erneut ein dunkles Zeitalter des Universums. Es findet nun keine Sternentstehung mehr statt, sämtliche Materie ist in Asteroiden, Planeten oder Sternüberresten gebunden.

Deren gibt es nun noch:

  • Schwarze Zwerge, also ausgekühlte Weiße Zwerge, die als Überreste von sonnenähnlichen Sternen oder Roten Zwergen verbleiben,
  • Neutronensterne, die als Supernovareste von Sternen zwischen 10 und 20 Sonnenmassen übrig bleiben,

welche zusammenfassend unter dem Begriff "entartete Sterne" geführt werden. Daneben gibt es noch stellare und supermassereiche Schwarze Löcher; erstere als Supernovareste von Sternen über 20 Sonnenmassen, letztere Objekte von Millionen bis Milliarden Sonnenmassen, die in den Zentren der Galaxien ruhen und mit ihnen entstanden sind. Zwar ist es nun extrem dunkel im All, aber gelegentlich erhellt noch ein kurzer Funken die ewige Nacht. Sich umkreisende binäre Schwarze Zwerge, Neutronensterne, oder Kombinationen solcher (zusammengefasst unter dem Begriff "doppelt entartete Binärsysteme", engl. Double Degenerate Binaries) werden durch die Abstrahlung von Gravitationswellen Bahnenergie verlieren und sich einander annähern, bis sie kollidieren und verschmelzen.

Kleinere Schwarze Zwerge bilden vermutlich AM Canum Venaticorum-Systeme, benannt nach dem Stern AM in Sternbild Jagdhunde (Canes Venatici), bei denen ein Stern den anderen anzapft und Materie entweder in eine Akkretionsscheibe fließt oder direkt auf den anderen Stern stürzt. Dabei entstehen kleine Nova-Ausbrüche, thermische Strahlung, die beim Aufprall von Materie auf den Stern frei wird. Schließlich wird der kleinere Begleiter durch die Gezeitenkräfte des größeren zerrissen und kann eine Hülle um den massereicheren bilden, die ihn zu einem R Coronae Borealis-Stern werden lässt, einem gelben Überriesenstern, der frei von Wasserstoff ist – diesen haben die Vorläufersterne bei ihrer Entwicklung von Roten Riesen zu Weißen Zwergen als planetarischen Nebel in das All gepustet. Stattdessen umgibt den Stern eine Hülle aus Helium- oder Sauerstoffgas, und in seinem Inneren können wieder Fusionsprozesse stattfinden. Ein paar solcher Sterne gibt es heute schon, etwa 100 von ihnen sind bekannt. Man geht davon aus, dass ungefähr 10 Prozent aller Sterne in solchen Systemen enden werden.

Schwarze Zwerge, deren Massensumme das Chandrasekhar-Limit von 1,4 Sonnenmassen überschreitet, formen nach einer möglichen Zwischenstufe als blauweißer Wolf-Rayet-Stern ein Objekt, das zum Neutronenstern kollabiert und dabei als Supernova vom Typ Ia explodiert, ohne einen Neutronenstern zurückzulassen. Diese Supernovae sind als Standardkerzen zur Entfernungsbestimmung im nahen Universum bekannt – sie leuchten Milliarden Lichtjahre weit. Normalerweise entstehen sie, wenn ein Weißer Zwerg von einem Begleitstern, meist einem Stern, der zum Roten Riesen angeschwollen ist, Materie abzapft, die sich auf seiner Oberfläche ansammelt, bis er schließlich beim Erreichen der Chandrasekhar-Masse zum Neutronenstern kollabiert, der jedoch bei der Explosion zerrissen wird. Die Verschmelzung von Weißen Zwergen wird schon seit einigen Jahren als alternatives Entstehungsszenario diskutiert und würde die Entfernungsmessung verfälschen, denn solche Objekte haben nicht notwendigerweise exakt die Chandrasekhar-Masse beim Kollaps und weichen somit von der Standardhelligkeit ab.

Auch Neutronensterne können verschmelzen. Für manchen überraschend dürfte sein, dass hierbei nur eine Mini-Supernova entsteht, eine "Kilonova". Kilonovae gibt es auch im heutigen Universum und das LIGO/VIRGO-Gravitationswellenereignis GW170817, das auch als Gammastrahlenausbruch und im Optischen beobachtet worden ist, war offenbar eine solche Kilonova in vielleicht 100 Millionen Lichtjahren Entfernung. Neutronensterne enthalten, wie der Name nahelegt, nicht viele Protonen und so können bei ihrem Verschmelzen keine gewöhnlichen Fusionsreaktionen wie bei Kernkollaps- oder Ia-Supernovae stattfinden, sondern die entstehenden Atomkerne lagern stattdessen rasch sehr viele Neutronen an, die sich dann zum Teil unter Aussendung von Elektronen und Neutrinos zu Protonen umwandeln. Solche Kilonovae sind höchstwahrscheinlich die Quelle der meisten Elemente schwerer als Eisen, zum Beispiel von Gold, Silber und Platin, aber auch Uran. Wer Schmuck trägt, führt also die Überreste zweier verschmolzener Neutronensterne mit sich.

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Völlig im Dunklen finden die Kollisionen von Schwarzen Löchern statt. Wenn diese sich nicht mehr in Akkretionsscheiben aus aufgesammeltem Gas hüllen, sind sie völlig finster, und da sich bei Ihrer Verschmelzung nur Zonen extremer Raumzeitkrümmung vereinigen, geschieht dies ohne jegliches Feuerwerk. Lediglich Gravitationswellen von unglaublicher Energie donnern durch das Universum. Die Gravitationswellenteleskope LIGO und VIRGO haben dutzende solcher Verschmelzungen beobachtet und ermittelt, dass dabei manchmal das Energieäquivalent mehrerer Sonnenmassen als Gravitationswellen abgestrahlt wird, weshalb man sie durch das halbe heutige beobachtbare Universum nachweisen kann.

Zu Beginn werden viele der degenerierten Sterne noch von Planeten umkreist, die mit der Zeit durch Sternbegegnungen aus ihren Umlaufbahnen gerissen werden, oder die durch die Abstrahlung von Gravitationswellen allmählich Energie verlieren und in die Sternüberreste stürzen. Dieser Prozess entspricht demjenigen bei der Verschmelzung von Neutronensternen und Schwarzen Löchern, ist jedoch wegen der kleinen Planetenmassen weit weniger effizient – die von der Erde derzeit als Gravitationswellen abgestrahlte Leistung entspricht derjenigen einer Glühlampe. Der Prozess findet nichtsdestotrotz statt, er dauert nur lange. Nach 1015 Jahren gibt es kaum noch gebundene Planeten.

Sternbegegnungen haben noch einen anderen Effekt: die Objekte tauschen Bewegungsenergie aus, wobei die massereicheren im Schnitt eher Energie abgegeben und die masseärmeren diese eher aufnehmen. Langfristig führt dies dazu, dass die massiveren Sterne und stellaren Schwarzen Löcher ins Zentrum ihrer Galaxien sinken und teilweise dort vom zentralen Schwarzen Loch verschluckt werden. Diejenigen, die nicht verschluckt werden, rücken enger zusammen, sodass sich der Separationsprozess noch beschleunigt. So verlieren die Galaxien 90 bis 99 Prozent ihrer Sterne, die dann einsam durch die Schwärze gleiten, während der Rest im Schwarzen Loch endet. Somit "verdampfen" die Galaxien allmählich. Ihr Auflösungsprozess dürfte nach 1020 (100 Trillionen = 100 Milliarden Milliarden) Jahren vollendet sein. Es verbleiben als Reste ehemaliger Galaxien ihre auf Galaxienmasse gewachsenen supermassereichen Schwarzen Löcher, sowie weit verstreut durch das All streifende erloschene Sterne, stellare Schwarze Löcher und von ihren Sternen losgelöste Objekte planetarer Masse (Planemos) bis hinunter zu Asteroiden und Staub.

Was im Weiteren passiert, hängt davon ab, ob das Proton stabil ist oder nicht. Einige vereinheitlichende Theorien aus den 1970ern sagten voraus, dass das Proton in ein Positron und ein neutrales Pi-Meson zerfallen kann (welches selbst nach Sekundenbruchteilen in Gammaphotonen zerfällt), und zwar mit einer Halbwertszeit von 1031 – 1036 Jahren. Der als "Protonenzerfall" bekannte Effekt beträfe übrigens auch die in Atomkernen gebundenen Neutronen (freie Neutronen zerfallen ohnehin mit einer Halbwertszeit von 610 Sekunden).

Neuere Berechnungen wie auch Experimente am Super-Kamiokande-Detektor in Japan sehen den Wert mindestens oberhalb von 1034 Jahren, einige SuSy-Modelle sogar bei 1039 Jahren. Um den Protonenzerfall nachzuweisen, braucht man jedoch nicht unbedingt 1039 Jahre zu warten, man kann auch 1039 Protonen (oder besser mehr) ein Jahr lang (oder besser länger) beobachten, dann sollte der eine oder andere Zerfall stattfinden. Eine Tonne Wasser enthält ziemlich genau 6·1029 Protonen und Neutronen, was 6 bis 9 Größenordnungen unter der für den Nachweis eines Zerfalls benötigten Zahl für 1036 bis 1039 Jahre Halbwertszeit des Protonzerfalls liegt.

Man müsste also mindestens eine Million (1 Würfel mit 100 m Kantenlänge), wenn nicht eine Milliarde (1 km³) Tonnen Wasser mehrere Jahre lang beobachten, um ein paar Protonzerfälle nachzuweisen – ein so großes Experiment gab es bisher nicht. Hyper-Kamiokande ist im Bau (Fertigstellung in 2027 geplant) und wird es immerhin auf 520.000 Tonnen reinsten Wassers in zwei 68 Meter durchmessenden und 71 m hoch gefüllten Behältern bringen, die im Inneren mit empfindlichen Photorezeptoren ausgekleidet sind, denen kein Protonenzerfall entgeht. Mit dem Detektor, der auch Neutrinos aus dem Weltall nachweisen soll, wird man die Nachweisgrenze des Protonenfalls gegenüber Super-Kamiokande um zwei Zehnerpotenzen nach oben schieben und vielleicht fündig werden, wenn die Halbwertszeiten nicht zu extrem sind.

Falls die Kernteilchen zerfallen sollten, würden bei einer Halbwertszeit von 1039 Jahren nach längstens 1000 Halbwertszeiten oder 1042 Jahren alle rund 1080 im beobachtbaren Universum enthaltenen Kernteilchen zerfallen sein. Damit wären die verbliebenen Neutronensterne, Schwarzen Zwerge und Planeten zu Neutrinos und Gammastrahlung zerfallen, deren Wellenlänge mit der fortgesetzten Expansion immer größer würde und irgendwann die Größe des beobachtbaren Universums erreichen – spätestens dann wäre sie de facto nicht mehr vorhanden. Nur stabile Leptonen, also Elektronen, Positronen und Neutrinos würden übrigbleiben. Und Schwarze Löcher. Aber auch deren Ära geht schließlich zu Ende.

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