Missing Link: Chinas neue Datenschutzgesetze – eine 'Kulturrevolution 4.0'

Seite 5: Wider internationale Grundrechte

Inhaltsverzeichnis

Der Fall des NextMedia Gründers und Apple Daily Herausgebers Jimmy Lai gilt bereits jetzt als Präzedenzfall für die Härte, mit der das Sicherheitsgesetz von Chinas Gnaden um- und gegen jegliche Kritiker am chinesischen Regierungssystem eingesetzt wird.

Unter anderem wird dem 74-jährigen Unternehmer in weiteren Verfahren Konspiration mit dem Ausland vorgeworfen. Am 23. Dezember vergangenen Jahres zunächst gegen eine Kaution von 1,29 Millionen Dollar aus der Haft in den Hausarrest entlassen, wurde er bereits am 31. Dezember wieder eingesperrt.

Das Oberste Gericht von Hongkong hatte der Berufung der Staatsanwaltschaft gegen die Freisetzung auf Kaution stattgegeben. Der Vorrang der nationalen Sicherheit gegenüber jeglichen Kautionsanträgen gilt unter Juristen als Menetekel für künftige Verfahren. Überdies hatten die Hongkonger Richter erklärt, dass sie keine Kompetenz hätten, etwaige Verfassungsverletzungen durch die Richtersprüche der Kammern für Nationale Sicherheit zu überprüfen.

Einige der Vorwürfe gegen Lai richten sich überdies, wie Amnesty in seinem ausführlichen Bericht zu den Anklagen unter dem Sicherheitsgesetz vermerkt, gegen Äußerungen im Jahr 2019. Das bedeutet, dass Chinas neue Gesetze auch rückwirkend angewandt werden.

Lais unabhängige Zeitung AppleDaily gab im Sommer auf, kurz nachdem im Juni 2021 fünf Mitglieder der Chefredaktion unter dem gleichen Vorwurf – Konspiration mit dem Ausland – verhaftet worden waren. Wer noch als Journalist arbeiten will, dem bleibt am Ende wohl nur der Weggang aus Hongkong. Viele Nichtregierungsorganisationen sind dabei, diesen Schritt zu vollziehen: Amnesty etwa wird seine beiden Hongkonger Büros zum Ende des Jahres schließen.

Wie sicher also werden die im kommenden Jahr in China erwarteten Olympioniken sein – in dem Land, dessen Behandlung der Uighuren von einer der Vorsitzendes des Britischen Jewish Boards 2020 schon mit dem Umgang der Nazis mit den Juden verglichen wurde? Auf jeden Fall werden Sportler – und die Regierungsvertreter, die doch noch einreisen, sehr gut überwacht sein.

Rund 600 Millionen Überwachungskameras gibt es im Land, allgegenwärtige Gesichtserkennung und ein gut behütetes (und gefiltertes) Internet, wie der Journalist Ian Williams in seinem Buch "Every Breath You Take: Chinas neue Tyrannei" detailreich beschreibt. Mao, so meint Williams, hätte für seine Kulturrevolution von den Möglichkeiten, die Xi zur Verfügung stehen, nur träumen können.

(tiw)