Missing Link: Crypto Wars – der endlose Streit über sichere Verschlüsselung

Seite 2: Entweder gute Verschlüsselung – oder gar keine

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Bei der Verschlüsselung sieht der Jurist bislang zwar auch keine technische Lösung für so einen Interessenausgleich. Er glaube aber "an den Einfallsreichtum von Ingenieuren und Programmierern". Dass diese ernsthaft zaubern können, war bislang nicht bekannt. Zuvor hatte Christian Klos aus dem Bundesinnenministerium verlangt, Ermittler müssten in den Stand versetzt werden, wieder so abzuhören "wie beim analogen Telefon".

"Entweder haben wir eine gute Verschlüsselung oder gar keine", hielt Diego Naranjo von der Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRi) dagegen. Dies bedeute aber nicht, dass Kriminelle nicht gefasst werden könnten. Es sei etwa immer möglich, Verdächtige zu verfolgen und ihnen ein gerade genutztes Endgerät abzunehmen und so Nachrichten darauf unverschlüsselt einzusehen. Strafverfolger könnten auch kriminelle Netzwerke infiltrieren, einige andere klassische Ermittlungsansätze blieben ebenfalls möglich. Der Encrochat-Fall zeige, dass es Spezialisten durchaus gelinge, unverschlüsselten Datenverkehr über spezielle Server aus einem abgesicherten Chat-Netzwerk auszuleiten.

Zugleich verwies Naranjo auf einen großen Unterschied zu einer klassischen Hausdurchsuchung: bei einer solchen stünden im Anschluss nicht alle Schlösser offen, wie es beim Aushebeln von Verschlüsselung der Fall wäre. Letztlich genössen alle die Vorteile der Sicherheitstechnik etwa beim Online-Einkauf oder bei der Inanspruchnahme digitaler Verwaltungsdienste. Die Kommission schwöre selbst auf den Messenger Signal, über den Chats durchgehend verschlüsselt werden. Für die Demokratie stelle die Technik eine wichtige Komponente dar: "Menschrechtsverteidiger, Aktivisten und Journalisten sind täglich darauf angewiesen."

Es sei nicht machbar, nur einer Handvoll Auserwählter Zugang zum Klartext zu geben, bestätigte Klaus Landefeld aus dem Vorstand des eco-Verbands der Internetwirtschaft. Trotzdem drängten Beamte etwa darauf, heimlich als Nachrichtenempfänger in Gruppen-Chats hinzugefügt zu werden.

Nicht nur in Australien, sondern etwa auch in Deutschland hat der Gesetzgeber laut Landefeld schon gesetzliche Hebel geschaffen, um Verschlüsselung zumindest zu umgehen. So hätten die Strafverfolger hierzulande die Befugnis, Staatstrojaner für die sogenannte Quellen-TKÜ in Stellung zu bringen und so laufende Kommunikation vor einer Ver- oder nach einer Entschlüsselung direkt auf einem Endgerät abzugreifen.

Mit dem Entwurf zur Reform des Verfassungsschutzgesetzes plane die Bundesregierung nun über die "Quellen-TKÜ plus" auch einen Zugriff auf gespeicherte Nachrichten, berichtete der Providervertreter. Die Anbieter müssten dem Vorhaben nach Beihilfe leisten, Datenströme umzuleiten und sogar zu modifizieren. Zusätzlich dürften sie Geräte und Netzwerke weltweit hacken, was die IT-Sicherheit massiv unterlaufe. Landefeld seufzte: "Es ist ein gnadenloser Konkurrenzkampf."

In Frankreich verliefen die Auseinandersetzungen noch schärfer, führte Jean-Christophe Le Toquin, Koordinator der Initiative Encryption Europe, aus. Innenminister Christophe Castaner habe dort im Februar eingeräumt, dass staatliche Stellen heimlich mit Entwickler elektronischer Kommunikationswerkzeuge verhandelten, um Backdoors zu implementieren.