Missing Link: Crypto Wars – der endlose Streit über sichere Verschlüsselung

Seite 5: "Grundsätzliche Aushebelung sicherer Kommunikation"

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2014 umriss die Exekutive sogar in ihrer digitalen Agenda den Plan, Deutschland zum Verschlüsselungsstandort Nummer 1 zu machen, und unterstütze eine entsprechende Charta mit Partnern aus der Industrie. Zugleich verfolgte sie aber den inzwischen ausgebauten Kurs, Verschlüsselung mit Staatstrojanern zu umschiffen.

"Entgegen der Abwiegelung der Bundesregierung ist die Absicht dieser Resolution völlig klar", steht für Renner außer Frage. "Es geht um eine grundsätzliche Aushebelung sicherer Kommunikation." Die Tendenz bleibe immer die gleiche, ärgert sich der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz: Die Exekutive habe "den Wert eines effektiven Grundrechtsschutzes im Digitalen bis heute nicht erkannt." Statt weniger, sei mehr Verschlüsselung nötig: "Statt staatlicher Generalschlüssel brauchen wir eine Absage an den staatlichen Handel mit Sicherheitslücken" durch gänzlich unregulierte Stellen wie die Hackerbehörde Zitis sowie "eine Meldepflicht für bislang unentdeckte Lücken".

Die geplante Erklärung gilt Beobachtern als Teil einer internationalen Strategie, die insbesondere von den Geheimdiensten der USA und Großbritanniens vorangetrieben wird. Ziel ist es, Verschlüsselung für Endanwender generell zu schwächen.

In diesem Sinne drängten die Five-Eyes-Länder USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland, deren Spionagebehörden wie die NSA oder die GCHQ seit Jahrzehnten intensiv zusammenarbeiten, die Digitalwirtschaft 2018 zum "freiwilligen" Einbau von Entschlüsselungslösungen in ihre Produkte. Sollten den Sicherheitsbehörden weiterhin Hürden beim Abhören in den Weg gelegt werden, behalte man sich vor, "technische, gesetzliche oder andere Maßnahmen" zu ergreifen und so Möglichkeiten zum "rechtmäßigen" Mitlesen durchzusetzen.

Im Oktober appellierte der Verbund – nun zusammen mit Indien und Japan – erneut an die Branche, gemeinsam an einvernehmlichen, vernünftigen und technisch machbaren Lösungen zu arbeiten. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung stelle ein "ernsthaftes Risiko für die öffentliche Sicherheit" dar. Die Tech-Firmen hätten hier eine gewisse Verantwortung und müssten etwa sicherstellen, dass die Öffentlichkeit geschützt werden könne. Durchgehende Verschlüsselung hindere sie auch selbst daran, Inhalte und Aktivitäten aus dem Bereich der "schwersten" Kriminalität wie den sexuellen Missbrauch von Kindern auf ihren Plattformen zu erkennen und zu stoppen.

Version 1.0 der Crypto Wars ist schon deutlich älter. Als Ursprung gilt der US-Entwurf für einen Comprehensive Counter-Terrorism Act von 1991, den ein Senator der Demokraten damals in den Kongress einbrachte. Der meist nur als "Joe" angesprochene "Joseph R. Biden" war der hauptsächliche "Sponsor" der Initiative, mit der eine Pflicht zur "Kooperation der Telekooperationsanbieter mit Strafverfolgern" festgeschrieben werden sollte.

Provider und Hersteller von Geräten für elektronische Kommunikationsdienste "stellen sicher, dass die Kommunikationssysteme es der Regierung ermöglichen, die Klartextinhalte von Sprach-, Daten- und anderen Kommunikationen zu erhalten, wenn sie gesetzlich entsprechend autorisiert sind", hieß es in Abschnitt 2201. Der Programmierer Phil Zimmermann hielt später fest, dass es der Gesetzentwurf des gewählten neuen US-Präsidenten gewesen sei, der ihn dazu gebracht habe, seine E-Mail-Verschlüsselungssoftware Pretty Good Privacy (PGP) gratis herauszugeben. Er habe damit einem Bann des Schutzprogramms durch den Kongress zuvorkommen wollen.