Missing Link: Das Netz und seine Knoten – Aufstieg des DE-CIX (Arnold Nipper)

Seite 3: Große Partys, kleine Partys

Inhaltsverzeichnis

heise online: Ist der DE-CIX selbst schon zu groß, gibt es überhaupt noch regionale Cixe, die nicht vom DE-CIX abhängig sind oder irgendwie von ihm gesponsert werden? Ist diese Konzentration schon ein Problem?

Arnold Nipper: Na ja, der Bcix in Berlin, da haben wir ganz bewusst entschieden, nichts Eigenes zu machen, sondern eine Kooperation. Der Ecix hat uns immer als Konkurrenz gesehen. Wir weniger. Aber Wettbewerb ist ja nicht schlecht. In Frankfurt gibt es noch einen, in Stuttgart, in Nürnberg, in Dortmund.

heise online: Wenn man sagt, dezentral ist gut. Wäre es dann nicht besser, mehrere regionale Cixe zu haben anstatt einen MegaCix, eine GmbH?

Arnold Nipper: Die GmbH ist ja nur das rechtliche Konstrukt. Aus technischer Sicht haben wir ja mehrere Austauschpunkte, in Deutschland alleine vier, und dass sich Frankfurt von den anderen unverhältnismäßig absetzt, dafür können wir ja auch nichts. Das ist die geopolitische Lage und irgendwann ist auch die Größe ein Selbstläufer. Das Kaufmännische, ob es da verschiedene GmbHs werden sollten, was hätte das für Vorteile?

heise online: Ebnet ihr nicht durch euren DirectCLOUD Service den Großen, also Amazon Web Services oder Microsoft Azure nicht noch den Weg zu noch mehr Konsolidierung in diesem Markt?

Arnold Nipper: Ja und nein. Sicherlich hilft es Amazon, seine Dienste besser vermarkten zu können. Aber ein Kleiner kann seine Reichweite auch vertausendfachen, wenn er seine Dienste über den DE-CIX anbieten kann.

heise online: Wie viele kleine Cloudanbieter machen das denn?

Arnold Nipper: Das weiß ich nicht. Außerdem, das heißt zwar Clouddienste, aber man kann andere Dienste genauso anbieten, etwa Security-Angebote. Unser Ziel ist es einfach eine Interconnection-Plattform anzubieten, wo du mit einem Anschluss beliebig viele anderen Netze direkt erreichen kannst. Jeder ISP oder jede Firma kann sagen, ich habe hier eine Closed User Group, die kann ich über den DE-CIX abbilden. Preislich ist das für den Kleinen wie den Großen interessant, ich sehe nicht, dass wir da einen bevorzugen.

heise online: Könnte die Bedeutsamkeit von Cixen wieder abnehmen, wenn die Großen tatsächlich selbst direkt Verkehr austauschen, also einen Private Network Interconnect (PNI) machen?

Arnold Nipper: Je größer der Austauschpunkt ist, desto besser bleiben aber seine Chancen, weil man am Austauschpunkt eben immer noch mit allen anderen tausend Netzen peeren kann. Das kann PNI nicht bieten. Mein beliebtes Beispiel einer Party, wenn man Spaß haben will und möglichst viele interessante Leute treffen will, gehst du lieber auf die große Party. Wenn du dich intensiver mit wenigen austauschen willst, gehst du eben auf eine kleine Party, das ist das PNI. Es gibt auch kein Entweder oder. Für uns, die wir ausschließlich Austauschpunktdienste anbieten, sehen wir das immer mit einem weinenden Auge, wenn Verkehr abgezogen und direkt gepeert wird.

heise online: Im Moment wird das durch die Internationalisierung wohl noch aufgefangen, oder?

Arnold Nipper: Das war damals der Grund für die Internationalisierungsstrategie vor acht Jahren. Wir hatten immer schon mal überlegt, was können wir noch anbieten, und jedes Mal, wenn wir was überlegt hatten, kam ein Kunde und sagte, da lasst mal besser die Finger davon, das ist mein Business. Vor acht Jahren saßen wir also in Berlin zusammen und kamen zu dem Ergebnis, die Internationalisierung ist die einzige Art weiter zu wachsen. Da ist mir schon ein bisschen schlecht geworden, oder sagen wir vielleicht besser, das war der nächste Quantensprung, weil man da ganz andere Antworten geben muss.

heise online: Aber Interconnection-Plattform und Cloud, ist das nicht auch mehr...

Arnold Nipper: Das gab es damals noch nicht.

heise online: Heute sagen die Mitglieder dann nicht mehr, lasst die Finger davon?

Arnold Nipper: Es gibt heute die Mitgliederversammlungen nicht mehr. Ich weiß gar nicht, wann das aufgehört hat.

heise online: Eigentlich schade, das Ende der Community...

Arnold Nipper: Das ist aber auch nur die halbe Wahrheit. Denn anstatt DE-CIX-Tech-Meetings zu machen, engagieren wir uns jetzt mehr bei der Denog und dann kommen nicht nur die DE-CIX Mitglieder in den Genuss des technischen Austauschs. Wir haben bewusst gesagt, wir wollen das, was am DE-CIX passiert, auch gegenüber einer breiteren Community vertreten.

heise online: Hat der DE-CIX eine Verantwortung gegenüber einer deutschen Internet-Community?

Arnold Nipper: Das ist ein bisschen schwierig. Wir haben ja unseren politischen Arm. Das heißt, der DE-CIX hat irgendwann aufgehört, politisch zu sein. Na ja, kurzzeitig waren wir politisch, als wir den DFN dazu bringen wollten, sich bei uns anzuschließen. Ansonsten ist der politische Arm der eco. Da werden die politischen Themen adressiert.

heise online: Zieht nicht so ein großer Datenaustauschpunkt die Geheimdienste an wie die Fliegen. Mit euren Prozessen gegen das BND-Gesetz habt ihr ja den Finger darauf gelegt. Das ist ein Problem der Größe, wenn es in Stuttgart und in Berlin und überall kleinere Punkte gäbe, wäre es mindestens schwieriger. Aber beim DE-CIX läuft ein Haufen Zeug drüber...

Arnold Nipper: Ja. Natürlich weckt das Begehrlichkeiten – oder nicht Begehrlichkeiten. Der BND hat ja einen Auftrag und er wird sich wohl nicht nur an den DE-CIX, sondern auch an eine Telekom oder eine Arcor oder Vodafone gewandt haben. Ansonsten, was die politischen Begehrlichkeiten anbelangt, hat sich die Politik ja überhaupt nicht eingemischt. Die hat ja nie gesagt, also so was wie den DE-CIX müssen wir mal unter hoheitliche Kontrolle nehmen. Das ist kritische Infrastruktur und das kann nicht sein, dass das ein Verein macht, da muss eine Behörde dahinter sitzen. Das war nie ein Thema.

heise online: Also es gab nie wie beim Denic den Ruf „Enteignet den DE-CIX“?

Arnold Nipper: Beim DE-CIX hat es das nie gegeben. Wir hatten immer ein gutes Verhältnis zum Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik gehabt und es gab Besuche. Ministeriale Besucher kamen eher aus dem Innenministerium als aus dem Wirtschaftsministerium. Es gab aber keine Rufe nach Kontrolle durch die Regierung. Das ist ja gut so. Wenn das gemeinschaftlich organisiert ist, und es funktioniert, warum soll sich der Staat da einmischen.