Missing Link: Das Netz und seine Knoten – Aufstieg des DE-CIX (Arnold Nipper)

Seite 4: Terabyte-Fundgrube für die Dienste

Inhaltsverzeichnis

heise online: Eines eurer Verfahren gegen das Anzapfen von Verkehr am DE-CIX ist ja noch anhängig, wisst ihr da schon Neues?

Arnold Nipper: Im Verfahren wegen der G10-Anordnungen sind wir ja abgeblitzt vor dem Verwaltungsgericht in Leipzig. In der BND-Sache gibt es, soweit ich weiß, aktuell nichts Neues.

heise online: Wie seht ihr das eigentlich im Zusammenhang mit euren internationalen Standorten? Immerhin stehen einige in autokratischen Ländern…

Arnold Nipper: USA oder was?

heise online: Russland…

Arnold Nipper: In Russland haben wir nichts.

heise online: In eurer Liste steht DE-CIX Moskau und Petersburg gibt es auch.

Arnold Nipper: Ja, das steht da. Aber das ist Marketing. Wir haben eine Vereinbarung mit unseren Freunden in Russland mit dem MSKIX. Es gibt eine Leitung zwischen Frankfurt und Moskau und zwischen Frankfurt und Petersburg. Es ist das gleiche, da steht auch DE-CIX Berlin und wir arbeiten ja auch in Berlin mit dem BCIX zusammen. Unsere jungen Marketingmitarbeiter wissen das so wenig wie du, dass wir da nichts haben.

heise online: Was ist mit Dubai?

Arnold Nipper: Na ja, in Dubai, der UAE-IX, da sind wir nur der Betreiber. Der gehört uns ja auch nicht.

heise online: Das ist wohlfeil, wir haben da einen Austauschpunkt, aber wir wissen von nichts bezüglich Beschränkungen oder Abhörmaßnahmen. Denn, wir sind ja nur der Betreiber. Ihr bekommt aber mit...

Arnold Nipper: Wir bekommen Geld dafür.

heise online: Also dann, wie sieht es an den US-Standpunkten aus? Macht ihr da Transparenzberichte, wie viele Anfragen bekommt ihr, wie viele Slots müsst ihr für Behörden vorhalten?

Arnold Nipper: Ich bin ja nun schon fünf Jahre aus dem operativen Geschäft raus. Aber solange ich noch da mit drin gesteckt hab und soweit ich weiß, ist da nichts.

heise online: Soll ich mich lieber noch über eine andere Leitung melden?

Arnold Nipper: Ich sage das ganz ehrlich. Soviel ich weiß, ist die NSA noch nicht an uns herangetreten. Sollte das passieren, würden wir den einschlägigen Gesetzen Folge leisten.

heise online: Das heißt, den lokalen Gesetzen muss man folgen. Und das gilt auch für den UAE-IX, oder nicht?

Arnold Nipper: Das gilt auch für den UAE-IX. Aber der steht dort in der internationalen Zone und da gelten andere Regeln als im Land. Natürlich wird in dem Land auch gefiltert, aber das findet nicht am Austauschpunkt statt. Das passiert bei den Providern.

heise online: Spannend ist natürlich, wer noch in Frankfurt an der großen Quelle sitzt, also außer dem BND.

Arnold Nipper: Diese Frage kannst du dir eigentlich selbst beantworten. Welcher nicht-deutsche Dienst kann legal in Deutschland was betreiben...

heise online: Was der BND am DE-CIX gemacht hat, war ja auch nicht legal.

Arnold Nipper: Darüber wird ja noch gestritten. Natürlich ist es aus ihrer Sicht legal.

heise online: Ich meine, bevor das BND-Gesetz nach Snowden eine bis dahin nicht rechtlich niedergelegte – man könnte sagen illegale – Praxis legalisiert hat.

Arnold Nipper: Ich sehe das anders. Genau deshalb sind wir letztlich ja vors Verwaltungsgericht gezogen. Es war eine Grauzone und es war unklar, wo eigentlich der DE-CIX einzuordnen ist. Vorher dagegen vorzugehen, wäre aussichtslos gewesen. Der BND kann sich ja auch anderswo bedienen. Bloß, weil bei uns alles auf einem Haufen ist. Ich würde mich nicht dazu versteifen wollen, dass das vor der Gesetzesnovelle illegal war.

heise online: Hättet ihr schon gegen die ursprünglichen Anordnungen vorgehen müssen? Also vor der Gesetzgebung gegen die Praxis?

Arnold Nipper: Das haben wir getan. Nicht gerichtlich, aber wir hatten Gespräche im Bundeskanzleramt und Harald und Klaus Landefeld haben von Anfang an unseren Standpunkt vertreten, wir wollen das so nicht. Doch das Kanzleramt hat einfach gesagt, daran ist nicht dran zu rütteln.

heise online: Kommen wir zuletzt noch zum Wissenstransfer zwischen Politik und Technik. Du warst ja mal im Beirat „Junge digitale Wirtschaft“. Wie gut funktioniert denn der Wissenstransfers aus einem Laden wie euren in die Politik und vielleicht auch zurück. Hast du da noch Hoffnung?

Arnold Nipper: Nein. Also dieser Beirat "Junge Digitale Wirtschaft", die Bundesregierung schmückt sich wahrscheinlich mit zigtausend Beiräten, auch in der Pandemie. Wie stark das berücksichtigt wird – vermutlich variiert das ziemlich. Beim Beirat "Digitale Wirtschaft" habe ich eher den Eindruck gewonnen, dass man das dazu nutzen wollte, seine eigene Meinung bestätigen zu lassen. Richtungsweisendes ist da nicht passiert. Seit Jahren gibt es die Forderung nach einem Digitalministerium, um da mal etwas voranzukommen. Das kreide ich auch der Bundeskanzlerin durchaus an. Ich kann nicht verstehen, dass sie als Naturwissenschaftlerin nicht gesehen hat, wie wichtig die digitale Infrastruktur ist.

heise online: Was sind die Nachteile der Beratungsresistenz?

Arnold Nipper: Gerade was die digitale Wirtschaft anbelangt, das ist unser Kapital von morgen. Wenn wir da nicht vor 20 Jahren investiert haben, fällt uns das heute oder morgen gewaltig auf die Füße.

heise online: Was ist für dich ein schlagendes Beispiel?

Arnold Nipper: Der Glasfaserausbau in Deutschland ist eine Krankheit. Dabei hatte die Regierung Schmidt da schon Pläne. Es ist natürlich so, dass die DTAG noch ein großes Ohr in der Bundesregierung findet. Weil sie da noch Gesellschafter sind. Und was dem Geschäftsinteresse der DTAG zuwiderläuft, wird einfach nicht gemacht. Das ist traurig. Dabei kann man leicht parallel ziehen. Wir haben Bundesautobahnen und Bundeswasserstraßen. Man stelle sich mal vor, wie unser Straßennetz aussähe, wenn wir keine Bundesautobahnen hätten. Dann hätten wir vielleicht sechsspurige Straßen, aber es wären sechs Einzelspuren. In diesem Zustand leben wir heute im Netz.

heise online: Es bedarf also einer öffentlichen Bundesdatenautobahn….

Arnold Nipper: Genau und darauf kann jeder die Dienste anbieten, die er anbieten will. Im Schulbereich sind jetzt bei Corona die Versäumnisse doch offensichtlich geworden. Natürlich fehlen auch digitale Inhalte in den Lehrplänen. Auch Nachteile des Föderalismus werden offenbar.

heise online: Letzte politische Frage: Wie beurteilst du die Verschlüsselungsdebatte und was bedeutet diese Forderung nach Hinterlegung von Schlüsseln für den DE-CIX?

Arnold Nipper: Da befindet sich die Politik in einem Spagat. Auf der einen Seite muss sie den Schutz der Kommunikation und damit Verschlüsselung unterstützen. Von Seiten der Strafverfolgung muss sie genau das Gegenteil sagen. Beides geht nicht. Verschlüsselung mit dem Hintertürchen ist ja keine Verschlüsselung. Das gibt es nicht. Aus diesem Dilemma gibt es keinen Ausweg. Der DE-CIX macht ja nicht selbst Verschlüsselung, also gibt es auch nichts zu hinterlegen. Wir haben uns mal ganz kurz überlegt, ob wir eingehenden Verkehr, unabhängig davon, ob er verschlüsselt ist oder nicht, verschlüsseln und am Ausgangspunkt wieder entschlüsseln sollen. Rein theoretisch kann es ja sein, dass die Datenleitungen angezapft werden unterwegs.

heise online: Das habt ihr aber nicht gemacht, warum nicht?

Arnold Nipper: Der Bedarf wurde nicht gesehen und weil es technisch aufwendig gewesen wäre.

heise online: Arnold, vielen Dank für das Gespräch.

(bme)