Missing Link: Hans Blumenberg als Denker der Technik

Die Stellung des Menschen im Universum und die Funktionen von Wissenschaft, Technik und Kunst sind zentrale Themen des Philosophen Hans Blumenberg.

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Missing Link: Hans Blumenberg als Denker der Technik

(Bild: Deutsches Literaturarchiv Marbach)

Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Pit Noack
Inhaltsverzeichnis

Dieser Tage wäre Hans Blumenberg 100 Jahre alt geworden. Sein Werk gilt als sperrig und schwer zugänglich. Allerdings beteuern seine passionierten Leserinnen und Leser, dass die Mühen der Lektüre sich lohnen. Dieser Beitrag soll in knapper Form darstellen, was Sie erwartet, wenn Sie den Sprung in das Blumenbergsche Text-Universum wagen. Im Speziellen soll es darum gehen, was Blumenberg zum Thema Technik zu sagen hat.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Das viele tausend Seiten und Dutzende von Büchern umfassende Werk Blumenbergs verhandelt eine reiche Fülle von Themen. Allerdings gibt es eine grundlegende Denkfigur, auf die der Philosoph immer wieder zurückkommt. Dabei geht es um die Selbstbehauptung des Menschen gegenüber einer absolutistischen Wirklichkeit.

Mit "absolutistischer Wirklichkeit" meint Blumenberg ein unüberschaubares, unverfügbares, unzuverlässiges Universum – eine Umwelt, die sinnlos und potentiell bedrohlich erscheint. Die "Selbstbehauptung" bezeichnet all jene Anstrengungen, diese unwirtliche Umgebung auf Abstand zu bringen und Orientierung, Zuverlässigkeit und letztlich Sinn zu schaffen. Der Blumenberg-Forscher Philipp Stoellger bringt es auf die eindringliche Formel von der "Bewohnbarmachung der Welt".

Mit Blumenberg können wir alle kulturellen Leistungen wie Sprache, Literatur, Kunst, Wissenschaft und Technik auch als Leistungen einer solchen Selbstbehauptung interpretieren. Diese Auslegung fügt sich ein in eine lange Reihe von Texten etwa von Platon, Freud, Gehlen oder McLuhan, die den Menschen als schlecht ausgestattet, als Mängelwesen darstellen, das auf Behelfslösungen angewiesen ist.

Ein besonderes Forschungsinteresse Blumenbergs galt der metaphorischen Redeweise, vor allem den von ihm als "absolut" bezeichneten Metaphern. Beispiele dafür sind etwa die Seereise als Metapher für die Wechselfälle des Lebens oder Licht und Sichtbarkeit als Metaphern für Wahrheit und Erkenntnis: Der Wind dreht sich, wir machen uns auf zu neuen Ufern, wir erleiden Schiffbruch; eine Formulierung erscheint uns dunkel, eine Wahrheit kommt ans Licht, ein Gedanke leuchtet uns ein – womöglich werden wir von einer blitzartigen Erkenntnis erleuchtet.

Als absolut veranschlagt Blumenberg Metaphern, wenn diese nicht bloß rhetorische Ausschmückungen und nicht durch formal bestimmte Begriffe ersetzbar sind. Es mag nützlich sein, etwa über eine physikalische Formel oder einen Algorithmus in Analogien oder Metaphern zu sprechen, dabei kommt aber nichts Neues hinzu.

Wenn wir uns aber über Themen wie die menschliche Existenz oder die Wahrheit verständigen wollen, mangelt es uns laut Blumenberg an streng formalisierten Begriffen. "Worüber man nicht sprechen kann, darüber muß man schweigen", schreibt Wittgenstein – absolute Metaphern geben uns die Chance, es dennoch zu versuchen. Auch die absoluten Metaphern stehen nach dieser Darstellung im Dienst der Selbstbehauptung des Menschen, insofern diese Orientierung und Sinn zu stiften vermögen.

Als besonders fruchtbar für das Denken Blumenbergs hat sich die Metapher der Höhle erwiesen – als Schutz-, Rückzugs- und Wohnraum, als Geburtsstätte der Kultur, als Stätte von erwünschter oder erlittener Täuschung und Simulation. Diesem Thema hat Blumenberg ein umfangreiches Buch mit dem Titel "Höhlenausgänge" (1989) gewidmet.