Missing Link: Regulierer vs. Monopolisten – Streit im Markt der Peering-Anbieter
Seite 2: Immer mehr Peering, aber vor allem bezahltes
Direkte Peerings haben an in den vergangenen Jahren zugenommen, sagt Arnold Nipper, Gründer und Technikleiter beim größten Internetaustauschknoten (IXP), dem Decix. Die wie Pilze aus dem Boden geschossenen Internetaustauschpunkte haben dazu ihren Teil beigetragen und aktuelle Zahlen (PDF-Datei) der französischen Regulierungsbehörde bestätigen dies. Deutlich zugenommen haben allerdings zugleich kostenpflichtige Peerings und die Konzentration der Verkehrsströme bei Inhaltsprovidern.
Die Netflix und Googles bieten, um Transitkosten zu sparen, mittlerweile direkte Peerings, teils aus eigenen Netzen heraus, über Content Delivery Netzwerke an, an den IXPs oder direkt in den Netzen der Accessprovider. Marktverschiebungen gibt es also genug. Die ehemaligen Monopolisten versuchen daher, aus ihren Assets Kapital zu schlagen, und eines dieser Assets ist der Zugang zu den eigenen Anschlusskunden.
Restriktives Peering
Inwiefern die restriktive Peering-Policy eines großen Eyeball-Provider – so heißen die Telekoms der Welt in Fachkreisen – für die Endnutzer zum Problem werden kann, zeigt ein kürzlich öffentlich gewordener Streit zwischen dem Deutschen Forschungsnetz (DFN) und der Deutschen Telekom AG (DTAG).
Das DFN hatte mit Beginn des Corona-Lockdowns schnell bemerkt, dass der verstärkte Zugriff auf Online-Lehrveranstaltungen via DFN zu Engpässen führte. Um 300 Prozent war der Verkehr aus großen Eyeball-Netzen ins XWin-Wissenschaftsnetz gestiegen. Zahlreiche Nutzerbeschwerden betrafen Nutzer von DTAG DSL-Anschlüssen. Die vom DFN-Verein bezahlten Upstream-Provider verwiesen schulterzuckend auf eine Überlast auf den Verbindungen zwischen DTAG und ihren Netzen.
Also bat das DFN bei der DTAG um ein direktes Peering, leider vergeblich "Verhandlungen mit der DTAG über ein kostenneutrales direktes Peering, wie bei solchen Konstellationen unter Internetservice und Content-Providern üblich, waren leider nicht erfolgreich“. Die DTAG beharrte stattdessen darauf, ihr eigenes "Global Upstream“-Produkt zu verkaufen.
Knie nieder und bezahle!
Massive Effekte für Internetnutzer durch eine restriktive Peering-Politik zeigten sich auch bei einem im vergangenen November dokumentierten Fall von De-Peering durch die DTAG. In einer Art "No-Brexit-Deal“ für kleine niederländische Netzbetreiber hatte die DTAG laut der Schilderung von Rudolf van der Berg einfach das für T-Mobile Thuis bestehende Peering am AMS-IX aufgekündigt. In den Niederlanden, so der Netzwerkexperte, hängen anders als in Deutschland noch viele kleinere Nicht-Telcos mit am Netz – ganz in klassischer Internetmanier. Und weil die DTAG natürlich mit diesen Netzen keine neuen Abreden getroffen habe, sei für die T-Mobile NL-Kunden das niederländische Internet ohne Vorwarnung ziemlich kaputt gewesen.
"In Deutschland weiß jeder, dass man die Deutsche Telekom für Internetverkehr, den man über sie verschickt oder empfängt, bezahlen muss, so oder so“, so die sarkastische Erklärung von van den Berg. Die DTAG biete dem größten Teil der Welt vollgelaufene Netzknoten. "Erst wenn du ein Kunde bist, oder ein Kunde von ihren Kunden, bekommst du gute Konnektivität“, ätzte van den Berg. Die Devise laute, platt gesagt, "Knie nieder, kenne deinen Platz und bezahle.“