Missing Link: Rest in Pixels – Der Tod bleibt hart und schmerzhaft

Seite 2: Kein Loslassen?

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Doch helfen derlei technische Möglichkeiten beim Abschiednehmen und bei der Trauer? "Die Endstufe ist ein androider Roboter", prognostizierte die Geschäftsführerin der Berliner Online-Agentur Creative Construction jüngst beim "Digitalen Salon" des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft (HIIG) unter dem Titel "Rest in Pixels". Im ersten Moment könnten es solche Klone Hinterbliebenen erleichtern, mit einem Schicksalsschlag umzugehen. Mittelfristig sieht die Expertin für Mensch-Computer-Interaktion aber das Problem, dass "ich mit der Person nicht mehr abschließen kann".

Chatbots und Avataren zum Trotz: "Grundsätzlich ist der Tod hart und schmerzhaft", konstatiert die Bestatterin Lea Gscheidel. "Er ist Teil des Lebens." Jeder Hinterbliebene versuche zwar, bestimmte Erinnerungen und Merkmale zu konservieren. Letztlich gehe es aber darum, "die Herausforderung anzunehmen, ohne den Geliebten weiterzuleben und wieder glücklich zu werden". Ein "Android des verstorbenen Mannes" auf dem Dachboden etwa löse da ganz praktische Schwierigkeiten aus, da dann nur schwer eine Beziehung mit einem neuen Partner aufgebaut werden könne. Ein Chatbot suggeriere immer wieder eine Interaktion mit der verstorbenen Person, erläutert auch der Psychologe Christian Lüdke. Dies könne den notwendigen Prozess der Auseinandersetzung mit dem Schmerz eher verzögern.

Prinzipiell beschreibt Gscheidel die Trauer als ein Gefühl, das "ein bisschen so ist wie rückwärts Verlieben". Wichtig sei es dabei, ab einem gewissen Punkt loslassen zu können. "Die Intensität, die Unerwartbarkeit überfordert uns oft", beschreibt die Angehörige des "Re.Designing Death Movement" typische Reaktionen auf einen Trauerfall. Wenn die Beziehungen zu einem Verstorbenen stark auf digitaler Kommunikation beruhten, seien soziale Netzwerke auch der Weg, um Abschied zu nehmen. Facebook & Co. böten eine "zusätzliche Möglichkeit, über einen Tod und einen Gestorbenen zu reden".

Früher sei das Phänomen der sogenannten Sternkinder oft totgeschwiegen worden, bringt die Bestatterin ein Beispiel. Jetzt kriege man online einfacher mit, dass ganz viele Eltern auch heutzutage noch mit Totgeburten oder frühen Kindstoten zu kämpfen hätten. Über Social Media könnten sich die Betroffenen mit Schicksalsgenossen breiter austauschen. Oft gebe es in solchen Fällen auch nach vielen Jahren noch erhöhten Gesprächsbedarf, wenn die eigenen Freunde längst nichts mehr davon hören wollten.

Das Phänomen der "digitalen Nekrophilie", wonach auf einmal alle Welt über soziale Netzwerke Beileidsbekundungen verbreitet, sobald jemand zumindest Halbbekanntes stirbt, findet Gscheidel nicht grundsätzlich schlecht. Sie spricht dabei von einer "gesamtgesellschaftlichen Suchbewegung, was adäquat ist". Als Prinzessin Diana gestorben sei, habe auch jeder öffentlich eine Rose abgelegt. Häufig ersetze ein "Rest in Peace" auf Facebook mittlerweile gar die Todesanzeige. Letztlich gelte: "Wir trauern nicht digital oder offline, sondern im Herzen."

Social Media seien bei einem Sterbefall gut und verstörend zugleich, meint die Insiderin Sarah Wenz, die "Sarggeschichten" auf YouTube erzählt. Früher habe man mehr Zeit gehabt, um etwa Trauerkarten drucken zu lassen. Heute stehe dagegen das knallharte "Bam" über Facebook. Verhindert werden sollte ihr zufolge auf alle Fälle, dass ein naher Verwandter oder Bekannter zuerst über soziale Medien vom Tod etwa eines Familienmitglieds erfahre. Hässlich sei es auch, dass bei Verdacht auf Mord das Profil des mutmaßlichen Täters sofort zugespamt werde oder Zeitungen von dort Fotos klauten. Hilfreich könnten dagegen "Support Groups" sein, über die Freunde etwa eine Totenwache organisierten.

Auch Gedenkprofile auf einem "digitalen Friedhof" hätten ihre Berechtigung, glaubt die Firmengründerin Walorska: "Letztlich ist das halt oft Facebook, wo die meisten Sachen, Fotos und Geschichten noch drin sind." Ob ein nicht mehr aktives Konto entsprechend umgestellt werde, sollte aber jeder Nutzer möglichst im Voraus noch selbst bestimmen. In Frankreich sei in diesem Sinne bereits ein Recht auf "postmortale Privatheit" eingeführt worden.