Missing Link: Rest in Pixels – Der Tod bleibt hart und schmerzhaft

Seite 3: Friedhof verliert an Bedeutung

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Der analoge Totenacker verliert für die Unternehmerin dagegen an Bedeutung: "Da werden nur noch die Überreste entsorgt." Die Bestatterin Gscheidel hat dagegen ein Faible für die analogen letzten Ruhestätten. Diese bildeten nicht nur Oasen für "Insekten, Vögel und Eichhörnchen", sondern stellten auch einen Gegenpol zu hektischen Orten wie dem Bahnhof oder der Shopping-Mall in Städten dar: "Die Toten bewahren davor, dass noch mehr Orte zugebaut werden."

Verstörend wirken automatisierte Geburtstagserinnerungen über soziale Netzwerke für Freunde, die schon ein halbes Jahr oder länger tot sind. Ein solches unschönes Vorkommnis bestärkte Christopher Eiler in dem Bestreben, mit Columba einen Dienstleister "für digitale Nachlassregelung" ins Leben zu rufen. Dieser soll die Hinterbliebenen von zusätzlichen Belastungen und Bürokratiekram rund um das digitale Erbe befreien, also etwa das Facebook-Konto stornieren oder die Rentenversicherung kündigen.

Die dafür entwickelte Web-Anwendung kann laut Eiler bestehende Verträge ab- oder ummelden und dabei "vor allem Kostenpflichtiges finden und rechtzeitig beenden". Der zugehörige Algorithmus recherchiere automatisiert "bei über 100 Partnerunternehmen von Amazon über Netflix bis Zalando nach bestehenden Konten". Weitere Anbieter könnten individuell nachgetragen werden. Oft ließen sich so etwa Abonnements rasch per Klick kündigen, teils müssten Mitarbeiter aber nachfassen und sich durch Hotlines kämpfen. Manche der Vertragspartner hätten nämlich handfeste kommerzielle Interessen und wollten etwa einen Handy-Vertrag nicht einfach so aufgeben. Hilfreich ist es in solchen Fällen, wenn der Kunde selbst vor seinem Tod festgelegt hat, dass das Vertragsverhältnis nach seinem Ableben nicht weiter bestehen soll.

Columba kooperiert mittlerweile mit dem Bundesverband deutscher Bestatter, an das System der Berliner Firma sind hierzulande gut 12.000 Beerdigungsinstitute angeschlossen. Über ein "Formalitätenportal" können Nutzer des kostenpflichtigen Dienstes verfolgen, welche Konten das System aufgespürt hat und wie der Stand der Dinge dort ist. Durchschnittlich werden über den Service bei jedem Verstorbenen zwölf Accounts stillgelegt oder umgemeldet. Nur etwa die Hälfte davon sei den Angehörigen vorher bekannt gewesen.

Das jüngst ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs, wonach die Erben Zugang zum Facebook-Profil eines Verstorbenen erhalten müssen, begrüßt Eiler. Der Beschluss schließe eine Lücke in den Nachlassbestimmungen. In dem Fall habe es zudem ein deutliches berechtigtes Interesse der Eltern gegeben, mögliche Einsichten in Suizidgedanken der verlorenen Tochter zu erhalten. Generell sollte jeder Nutzer von Kommunikationsdiensten im Netz aber selbst bestimmen können, ob etwa Chats im Todesfall gelöscht werden. Auch Dienste wie Columba könnten es einem nicht abnehmen, sich darum zu kümmern, solange es noch möglich sei. Das Gute daran: "Man setzt sich mit dem Tod auseinander." (mho)