Missing Link: Smart Meter – wenn der Monteur mit der Hochsicherheitsbox kommt

Seite 3: "Der Steuerzahler begleicht die Zeche"

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Erstmals wird im Keller des unglamourösen fünfstöckigen Gebäudes Anfang Oktober ein "intelligentes Messsystem" im Osten der Hauptstadt installiert.

(Bild: heise online)

Dem Eigentümer des Hauses im Friedrichshain, Karl Friedrich Rommel, blieb keine Wahl als der Griff zum Smart Meter. Mit rund 30.000 kWh gibt er den Verbrauch allein in der Wohnung an, die nun über das Gateway angeschlossen ist. Grund für die hohe Zahl sei die installierte elektrische Heizung mit Infrarot, die viel Strom ziehe. Er hoffe nun, über den flexiblen Tarif via Awattar die Energiekosten deutlich senken zu können.

Der Solarunternehmer hat vor, eine PV-Anlage aufs Dach zu bauen und die Zeiten des hohen Stromverbrauchs insgesamt über die smarte Schnittstelle besser zu steuern. Er beklagt aber, dass es für Privatverbraucher in diesem Bereich noch wenig Möglichkeiten gebe.

"Der Strommarkt muss weiter liberalisiert werden", fordert der Ravensburger. Es sollte möglich werden, ganze Häuser mit darin bestehenden Speichermöglichkeiten direkt mit der Strombörse zu verbinden und auch von Überschusszeiten zu profitieren. Derzeit sei dies nur den "Großen" Versorgern möglich, während der Steuerzahler die Zeche für das schlecht ausbalancierte Einspeisen von Wind- und Solarenergie in die Netze über die EEG-Umlage begleichen müsse.

Für Mieter unterhalb der Verbrauchsschwelle sei ein Smart Meter derzeit noch nicht unbedingt interessant, ist sich Nasrun derweil im Klaren. Das Gerät lohne sich hier höchstens beim Erzeugen von Mieterstrom. Für Eigentümer stelle sich die Sache anders dar, wenn sie etwa ein Elektroauto mit eigener Ladesäule hätten und flexible Stromtarife nutzen wollten. Ein Umrüsten lohne sich letztlich bei allen, die in Richtung Autarkie spielen und etwa mit einer eigenen PV-Anlage unterwegs sind.

Aktuell hat das BSI vier Gateway-Modelle zertifiziert. Dazu gehören neben Dr. Neuhaus die Firmen Power Plus Communications (PPC), EMH Metering und seit November die Theben AG. Discovergy will demnächst der fünfte entsprechend geprüfte Hersteller sein. Drei der Produzenten wollen sich laut Nasrun rezertifizieren lassen, zwei davon noch in diesem Jahr. Dies sei nötig, um neue Funktionalitäten wie eine sekundenscharfe Messung für den Börsenbetrieb hinzuzufügen.

Den erweiterten Code müssen Hersteller in so einem Fall erst wieder ans BSI und die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) schicken. Letztere entscheidet auch über die verfügbare Portal-Software. Ende Oktober war PPC als erstes mit der zweiten Prüfprozedur fertig und darf nun erweiterte Tarif-Anwendungsfälle implementieren, also etwa Netzzustandsdaten und Einspeisewerte bereitstellen. BSI-Präsident Arne Schönbohm sprach von einem "weiteren Meilenstein zur Digitalisierung der Energiewende". Strom-Netzbetreiber erhielten nun über intelligente Messsysteme wichtige Informationen über die aktuelle Belastung ihrer Leitungen und können so mögliche Engpässe rechtzeitig erkennen.

Geld verdienen Discovergy und andere Betreiber derweil bereits mit "modernen Messeinrichtungen". Das sind digitale Zähler, die ebenfalls Verbrauchswerte verschiedener Nutzungszeiten, die momentan beanspruchte elektrische Leistung sowie tages-, wochen-, monats- oder jahresbezogene Stromverbräuche für die letzten 24 Monate anzeigen können.

Von diesen nicht-zertifizierten Geräten hat Discovergy rund 70.000 installiert vor allem bei Gewerbekunden, die mit einer damit möglichen höheren Auflösung ihre Energieversorgung besser als über konventionelle Drehscheibenzähler optimieren können. Für die Zwischenklasse besteht Bestandsschutz von bis zu acht Jahren, im Anschluss müssten sie Nasrun zufolge aber eh getauscht werden.

Typische Anwendungsfälle sind Filialisten wie Supermarkt- und Bäckereiketten, die überall den gleichen Betreiber haben und Werte vergleichen möchten. Zusätzlich sei die Branche an Mehrwertdiensten dran, wie etwa zur Geräteerkennung, verrät Nasrun. So könne etwa ein defekter Kühlschrank oder eine ganze Kette davon getauscht werden, wenn der Verbrauch zu hoch sei. Mobilfunkanbieter wie Telefónica setzten auf die Technik, um ihre Funkmasten bestmöglich mit Strom zu versorgen.

Der für die Hauptstadt prinzipiell zuständige Grundversorger Stromnetz Berlin alias Vattenfall war übrigens auch nicht viel schneller mit der Installation seines ersten Smart-Meter-Gateways: Sie erfolgte einen Tag früher als die von Discovergy im Euref-Campus in Schöneberg. Eine App, über die Privatkunden die damit verknüpften Zähler selbst auslesen können, hatte der Anbieter zum Start aber noch nicht fertig.

(bme)