Missing Link: So soll die EU-Digitalpolitik der nächsten fünf Jahre aussehen​

Seite 2: Gigabit für alle erreichbar?

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Zugleich unterstreichen die EU-Länder, "wie wichtig es ist, die Konnektivitätsziele des Politikprogramms für die digitale Dekade zu erreichen". Demnach sollen alle Haushalte in der EU bis 2030 Zugang zu Gigabit- und 5G-Geschwindigkeiten haben. In Deutschland gibt es große Fragezeichen, ob diese Vorgabe gehalten werden kann. Zu begrüßen sei auch die Debatte über eine weltweite Abdeckung etwa mithilfe von Seekabeln und weltraumgestützten Systemen wie dem von der EU geplanten IRIS2.

Das Vorantreiben eines "fairen, diskriminierungsfreien und breiten" Zugangs zu Cloud- und Edge-Lösungen für Unternehmen, die Rechenkapazitäten auch an den Rand des Netzwerks möglichst nah zu den Usern bringen. Dabei handle es sich um einen "wichtigen Aspekt der digitalen Souveränität" der EU. Die Kommission soll zudem die Bemühungen aus ihrer Datenstrategie fortsetzen, "um die Interoperabilität und Übertragbarkeit" zu stärken.

Nachdrücklich betonen die Mitgliedsstaaten, dass der digitale Wandel mit dem grünen Wandel einhergehen müsse. Die Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien, eine wettbewerbsfähige europäische Kreislaufwirtschaft zu fördern, seien zu nutzen. Der ökologische Fußabdruck des Sektors sollte verringert, dessen Übergang zur Klimaneutralität bis 2050 unterstützt werden. Elektroschrott und ineffizienter Verbrauch müssten durch Wiederverwendung und Recycling bekämpft werden.

Weitere Stichpunkte der Resolution sind die Stärkung digitaler Kompetenzen, das Anwerben und Halten qualifizierter Arbeitskräfte mit Schwerpunkt auch auf Frauen, Anstrengungen zur Überwindung der digitalen Kluft sowie der Ausbau der digitalen Verwaltung und der "internationalen Dimension der Digitalpolitik". So müsse etwa "eine EU-Strategie für die Multi-Stakeholder-Governance des Internet entwickelt werden", um in internationalen Foren "ein offenes, freies, erschwingliches, neutrales, globales, interoperables, zuverlässiges und sicheres" Netz zu gewährleisten. Dafür gelte es auch, die Führungsrolle Europas bei der Entwicklung globaler Normen zu stärken, die inzwischen neue Mächte wie China streitig machten.

Besonders Dampf machen wollen die Digitalminister aus Estland, Deutschland, Lettland und Litauen, die sich als "Innovationsclub" verstehen und Ende Mai eine "Blaupause für ein innovativeres Europa" vorgelegt haben. Darin unterstützen sie zwar voll die Schlussfolgerungen des Rates. Diese deckten aber nicht alle digitalpolitischen Gebiete ab, "die Aufmerksamkeit verdienen". Gemeinsam wollen Deutschland und die baltischen Staaten so die Grundlagen legen, um das "transformative Potenzial" von KI und anderer neuer Technologien zu entwickeln, während sie gleichzeitig "den Schutz des bestehenden Rechtsrahmens aufrechterhalten und stärken, insbesondere im Hinblick auf das Wohl der Verbraucher und die Nachhaltigkeit".

Am wichtigsten ist es dem Quartett, den Regulierungs- und Bürokratieaufwand etwa durch Praxischecks und Instrumente zur Vorab-Evaluierung zu reduzieren. "Bürger und Unternehmen sollten nicht gezwungen sein, den Behörden dieselben Daten mehrfach zur Verfügung zu stellen", lautet eine weitere Forderung. Die Vierergruppe setzt sich zudem dafür ein, die Netzneutralität zu erhalten und Hochleistungsrechenzentren zu etablieren, unter anderem für das Training großer Sprachmodelle. Europa müsse auf seinem Weg zu einer Datenökonomie vorankommen und weltweit wieder mehr Standards setzen.

Die Digitalbranche hat eigene Vorstellungen, wie es in der Netzpolitik weitergehen soll. So veröffentlichte der eco-Verband der Internetwirtschaft zur Europawahl eine eigene Agenda. Einige der darin erhobenen Kernforderungen wie "Innovationen und Wettbewerb in Europa weiterentwickeln", "Technologie souverän einsetzen" oder "digitale Infrastrukturen in Europa resilient ausbauen" Zusätzlich verlangt der eco aber, das Prinzip Löschen statt Sperren zu forcieren sowie die Bürgerrechte in der digitalen Welt zu schützen. Ein Teilaspekt ist auch hier die potenziell wiederzubelebende E-Privacy-Verordnung: Der Verband drängt darauf, "einen starken Datenschutz im Telekommunikationsbereich" zu begründen und "gleichzeitig die Möglichkeiten zur Verarbeitung von Metadaten einheitlich und für die Wirtschaft praktikabel" zu regeln.

"Viele der zentralen Entscheidungen im Bereich der Digitalisierung werden mittlerweile auf EU-Ebene getroffen", erläutert der eco-Vorstandsvorsitzende Oliver Süme. Die Liste an Aufgaben für die neue Kommission im Bereich der Digitalisierung sei lang.

Für unerlässlich hält die Computer & Communications Industry Association (CCIA) ein Moratorium bei digitalen Rechtsakten. Der Verband, dem Big-Tech-Firmen wie Amazon, Google und Meta angehören, hat beim Centre for a Digital Society des European University Institute (EUI) in Florenz eine Studie zur Stärkung der digitalen EU-Wettbewerbsfähigkeit in Auftrag gegeben. Den Ergebnissen zufolge ertrinkt Europa geradezu in einem Strudel ständig neuer digitaler Vorschriften, die den alten Kontinent hinter die USA und China zurückfallen ließen. Um den Technologiemotor der EU anzukurbeln, sollten die nächsten Jahre "so weit wie möglich von einer Pause bei der Gesetzgebung geprägt sein und sich stattdessen auf die korrekte Umsetzung der vielen Gesetze konzentrieren, die gerade in Kraft getreten sind".

Laut der Analyse bringt die EU jährlich mehr Tech-Startups hervor als die USA. Allerdings scheiterten innovative EU-Unternehmen anschließend an fehlendem Kapital. Gleichzeitig verfügten Pensions- und Versicherungsfonds über gewaltige 13 Billionen Euro. Europa könnte dieses Potenzial freisetzen, indem es den Betreibern dieser großen Geldtöpfe erlaube, in risikoreichere, aber lukrativere Unternehmungen zu investieren. So ließen sich zig Milliarden in die europäische Tech-Szene pumpen.

(mki)