Missing Link: Spiele der XX. Olympiade München 1972 – der Anschlag
Vor 50 Jahren drangen Terroristen in das Olympische Dorf ein und nahmen israelische Sportler als Geiseln – der größte Einschnitt in der Geschichte der BRD.
Das ist der dritte und letzte Teil zu unserem Missing Link über die Olympischen Spiele von 1972 in Deutschland. Die ersten beiden Teile dieser Serie finden Sie hier:
- Missing Link: 50 Jahre heitere olympische Spiele – Die Technik (Teil 1)
- Missing Link: Spiele der XX. Olympiade München 1972 – die Spieler und Sportler (Teil2)
Der Anschlag
David Berger, Ze’ev Friedman, Yoseff Gutfreund, Moshe Weinberg, Yoseff Romano, Mark Slavin, Eliezer Halfin, Yakov Springer, Andre Spitzer, Amitzur Shapira and Kehat Shorr – das sind die Namen der Israelis, die 17 Stunden lang von einem Terrorkommando der PLO gefangen gehalten und schließlich ermordet wurden. Zwei starben im Olympischen Dorf, die anderen bei einem misslungenen Befreiungsversuch auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck.
Der Anschlag beendete die "heiteren Spiele", die dennoch nicht abgebrochen, sondern mit einem Tag Verspätung beendet wurden. Zahlreiche Fehler und Versäumnisse der Behörden und der beteiligten Polizisten führten direkt in die Katastrophe.
"Die Geste"
Auf einmal schwiegen die Trommeln im Stadion, die unablässig wummerten und ein Publikum simulieren sollten. Nur die Demonstranten, die draußen gegen die Eröffnung der Olympischen Sommerspiele in Tokio 2021 protestierten, waren zu hören. Der Stadionsprecher erklärte: "Wir gedenken derjenigen, die bei den Olympischen Spielen ihr Leben verloren haben. Eine Gruppe hat in all unseren Erinnerungen einen festen Platz und steht für all jene, die bei den Spielen gestorben sind: die Mitglieder der israelischen Delegation bei den Olympischen Sommerspielen 1972 in München."
49 Jahre brauchte das Internationale Olympische Komitee, ehe es offiziell zum Gedenken an den Terror von München erinnerte. Noch bei den Olympischen Spielen von London 2012 war zum 40. Jahrestag des Terroranschlages ein Gedenken rundweg abgelehnt worden. Nichts sollte den "feelgood factor" dieser Spiele stören. In Tokio war es schließlich soweit. Ankie Spitzer und Ilana Romano, beide Ehefrauen getöteter Sportler, bedankten sich bei den Organisatoren für diese Geste: "Dies ist der Moment, auf den wir gewartet haben."
Die Spezialeinheit
Auf den Moment im Morgengrauen des 5. September hatte niemand gewartet. Weltweit gab es nur zwei Spezialeinheiten, deren Einsatzkräfte die Reaktion auf Terrorangriffe beherrschten: in Großbritannien bekämpfte man Anschläge der IRA, in Israel ging man gegen verschiedene Palästinenser-Gruppen vor. In Westdeutschland gab es nichts dergleichen. Dabei hatte es Anzeichen gegeben, dass auch andere Länder betroffen sein können.
Am 10. Februar 1970 versuchten drei bewaffnete Palästinenser auf dem Flughafen München-Riem, bei einer Zwischenlandung die israelischen Passagiere einer EL-Al-Linienmaschine zu kidnappen. Die wehrten sich. Eine Handgranate, die einer der Angreifer in den Flughafenbus warf, tötete einen Mann, der sich auf sie geworfen hatte, um die anderen Passagiere zu retten. Eine Zeitung schrieb von der "ersten Schlacht des Nahostkrieges auf deutschem Boden", eine andere davon, "dass der Krieg gegen Israel sogar bis nach Europa getragen" worden sei.
Als am 4. Mai 1971 zwei Maskierte eine Bankfiliale in München stürmten und Geisel nahmen, hatte die Polizei keine entsprechend ausgebildeten Scharfschützen. Mehrere Polizisten, die einen Jagdschein hatten, wurden mit G3-Sturmgewehren der Bundeswehr in eine Kiesgrube zum Üben geschickt. Als sie schließlich zum Einsatz kamen, wurden sie vom Blitzlichtgewitter der anwesenden Fotografen geblendet. Es begann eine wilde Schießerei, bei der 200 Patronen verschossen wurden. Täter und Geisel erlagen ihren schweren Verletzungen. Erst nach diesem Vorfall wurden Polizeibeamte zu Präzisionsschützen ausgebildet. Ihre Ausbildung war noch nicht abgeschlossen, als die olympischen Spiele begannen.