Missing Link: Weiblicher Hattrick für das Internet – Trend oder Signal?

Drei Frauen an drei spannenden Schaltstellen im Netz, zwei davon aus Deutschland. Ein Dreifach-Porträt von Mirjam Kühne, Mirja Kühlewind und Alissa Cooper.

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(Bild: photoviriya/Shutterstock.com)

Lesezeit: 15 Min.
Von
  • Monika Ermert
Inhaltsverzeichnis

Vergangene Woche leitete Mirjam Kühne erstmals das Treffen der Gemeinschaft der europäischen IP-Adresseverwalter, des Réseaux IP Européens (RIPE). Seit März 2020 ist Mirja Kühlewind Chefin des Internet Architecture Board (IAB) und noch bis kommendes Jahr hält die US-Amerikanin Alissa Cooper die Zügel bei der wichtigsten Standardisierungsorganisation für das Internet, der IETF, in der Hand, auch sie als erste Frau in dieser Rolle. So unterschiedlich die drei Frauen sind, ihr Beispiel könnte Schule machen.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Es ist ganz gleich, mit wem man über die neue RIPE-Chefin spricht: Im Bereich der Internet Governance Organisationen kennt jeder Kühne, und viele nennen sie eine geradezu logische Wahl. Dabei gab es anfangs durchaus noch Ärger über die "Hausbesetzung". Denn Kühne, bisher Mitarbeiterin des operativen Arms des RIPE, des RIPE NCC, konnte schlecht wie frühere RIPE Chefs auf ihren Arbeitgeber als Sponsor zurückgreifen.

Ihren Vertrag als RIPE NCC-Mitarbeiterin hat sie daher gekündigt und ist seit Mai nicht nur der erste weibliche, sondern auch der erste hauptamtliche RIPE-Chef. Zwar ist die Idee einer Honorierung der Arbeit nicht ganz neu – und selbst der erste RIPE Vorsitzende, Rob Blokzijl wurde zeitweilig honoriert, verriet jetzt Blokzijls Nachfolger und heutige CEO Hans Petter Holen –, dennoch bedeutet es den Abschied vom alten System des Ehrenamtes für den RIPE-Vorsitz. Aber niemand hält Kühne das entgegen, viel zu beliebt ist sie und anerkanntes Urgestein.

1999 war es Kühne, die den vor kurzem ausgeschiedenen Geschäftsführer des damals gegründeten RIPE NCC, Axel Pawlik, vom Flughafen Schiphol abholte, als er zum Vorstellungsgespräch für den neu geschaffenen Posten anreiste. Davor hat sie die IP-Adressvergabe an die Netzwerker der ersten Stunde geprüft, erinnert sich Hans-Peter Dittler von Braintec Consult. Mit Pawlik fuhr sie erst mal in den Biergarten im Vondelpark, erinnert sich der, und Dittler bekam die für einen großen Telco angefragten Internetadressen.

Nur für ein paar Jahre machte sich die Informatikerin mit Abschluss von der TU Berlin davon und verdingte sich zwischen 2005 und 2009 bei der Internet Society (ISOC). Dort brachte sie das IETF Journal mit an den Start und dann Ideen mit zurück zum RIPE NCC. Zurück beim RIPE übernahm sie bald den Aufbau des RIPE Labs und wurde vom Community Builder zum Senior Community Builder. Der Brückenschlag zwischen den Entwicklern, den Securityexperten, Akademikern und mehr und mehr auch Regierungsvertretern gehörten damit automatisch zu ihrem Geschäftsbereich, genauso wie die Zusammenarbeit zwischen IXPs und den lokalen Network Operators-Gruppen (NOGs).

Neue Mitglieder ans RIPE zu binden und die Community zusammen zu schweißen steht auf ihrer Agenda weit oben, versicherte Kühne am Freitag dem Plenum des RIPE 81. "Diversität, das reicht nicht aus", sagte Kühne. "Wir müssen neue Teilnehmer auch integrieren, damit sie sich als Teil der Gemeinschaft fühlen, und wir müssen die nächste Generation erreichen und dazu bewegen, sich aktiv zu beteiligen."

Der Zusammenhalt sei vielleicht die Hauptherausforderung für die neue RIPE-Vorsitzende, anerkennt Pawlik. Die RIPE-Mitgliedschaft reicht von Europa über Russland bis auf die arabische Halbinsel und ist in den vergangenen Jahren vom ursprünglich kleinen Kreis auf weit über 20.000 angewachsen, vor allem weil jedermann am Ende gerne noch ein Stück von der IPv4-Torte abbekommen wollte. Im November 2019 wurden die letzten IPv4-Adressen vergeben.

Jetzt gibt es nur noch Rückläufer – und IPv6. Der große Run ist vorbei und das RIPE muss sich darauf einstellen, wieder auf ein neues Normalmaß zu schrumpfen. Das bedeutet, dass man einerseits Geld in die Hand nehmen möchte, um die größere Community zu erreichen und, wie Kühne hofft, besser einzubinden. Andererseits wird man sparen und sich vom einen oder anderen Projekt trennen müssen.

Das ist zwar nicht in erster Linie die Aufgabe für Kühne, sondern für den neuen CEO, der auch schon eine Bestandsaufnahme angekündigt hat. Aber die entsprechenden Entscheidungen können für zusätzliche Interessenkollisionen unter den Mitgliedern sorgen. Die zu moderieren wird Kühnes Job sein, genauso wie die Navigation durch für die Adressverwalter zunehmend unübersichtlichere Rechtssprechung und Regulierung.