Missing Link: Weiblicher Hattrick für das Internet – Trend oder Signal?

Seite 3: Netz im Umbruch: Die Netzpolitikerin

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Was Kühlewind an politischer Erfahrung fehlt, warf Cooper in die Waagschale, als sie vor drei Jahren als erste Frau an die Spitze der IETF trat.

Alissa Cooper

(Bild: Monika Ermert/heise online)

Sieben Jahre lang hatte die Informatikerin als CTO einer der großen Nichtregierungsorganisation zur Netzpolitik gearbeitet, des Center for Democracy and Technology (CDT). Ihre Dissertation am Oxford Internet Institute hatte sich mit Netzneutralität beschäftigt. 2013 von Cisco ins Unternehmen geholt, vertrat sie ab 2014 die IETF in der IANA Stewardship Transition Coordination Group (ICG), die die endgültige Ablösung der zentralen Rootzone des DNS und anderer fürs Internet zentraler Datenbanken von der US-Administration managte. Obwohl die jüngste in dem illustren Kreis, wurde sie doch mit dem Vorsitz betraut und zog das Projekt kühl-diplomatisch durch. 2017 wurde aus der bislang am US-Bändel hängenden Selbstverwaltung eine echte Selbstverwaltung.

Für den IETF Vorsitz 2017 hatte sich Cooper zudem durch ihre Aktivität als Area-Direktor für Applications and Real Time (ART) empfohlen. Ihre eigenen Requests for Documents haben anders als die von Kühlewind praktisch alle einen Policy-Hintergrund. Location Privacy war anfangs ihr Schwerpunkt in der IETF, passend zu den Ideen von CDT. Sie war Koautorin des ersten Privacy RFC der IETF, angestoßen von Datenschutzexperten wie der Schleswig-Holsteiner Datenschutzbeauftragten Marit Hansen und des ehemaligen IAB-Mitglieds und IETF Dauerteilnehmers Hannes Tschofenig.

Als IETF-Vorsitzende nahm sie das nächste Großprojekt für die sich wandelnde Standardisierungsorganisation in Angriff, deren Ablösung von der Internet Society. Seit ihrem Bestehen hatte sich die IETF ganz im Sinne von "no kings, no presidents, no voting" einer formalen Institutionalisierung entzogen. Sie konnte keine Verträge mit dem für den wachsenden Standardisierungsbetrieb notwendigen Sekretariat selbst unterzeichnen.

Die Reservierung von Konferenzhotels und das Eintreiben von Mitgliederbeiträgen – alles lief unter dem Dach der Internet Society, die übrigens dem von den zuletzt rückläufigen Einnahmen aus Konferenzteilnehmergebühren gebeutelten Laden auch finanziell unter die Arme griff. Die Gründung einer Stiftung mit von zahlreichen Spendern eingesammelten Geldern nährte schließlich die Ideen für die organisatorische Scheidung von der ISOC – und Cooper gehörte wieder zu den Exekutoren der heiß diskutierten und nicht unumstrittenen Abnabelung. Heute kann die IETF sich selbst nach außen vertreten und Leute anheuern. Sie hat eine Verwaltung mit fünf Direktoren, deren Ideen für die Fortentwicklung der Organisation dem eher chaotischen "Volkskörper" nicht ausnahmslos gefällt.

Cooper tritt in der aktuell laufenden Nominierungsrunde nicht noch einmal für den Vorsitz an. Zuletzt hatte sie harte Auseinandersetzungen über den rauhen Ton und über Mobbing durch manche Chefs von Arbeitsgruppen zu moderieren. Im Sommer zog sie sich nach scharfer Kritik darüber, dass sie eine endlose Diskussion um politisch nicht korrekte Ausdrucksweisen in IETF-Dokumenten für beendet erklärte – nicht ohne zuvor eine Prüfung der Dokumente anzukündigen. Dass einzelnen Teilnehmern auf der IETF Discuss -Mailingliste das Rederecht entzogen wurde, bezeichneten ältere IETF-Mitglieder als ungerechtfertigte Machtdemonstration. Cooper entschuldigte sich für den ganzen Vorgang und zog sich – wie manche andere Teilnehmer – zurück. Laut auf den Tisch zu hauen sei noch nie Coopers Ding gewesen – wenn es einen Unterschied zu manchem männlichen Vorgänger gäbe, dann sei es der, sagte ein langjähriger Beobachter der IETF.

Das Zusammenhalten der IETF-Gemeinde unter dem neuen Organisationsmodell, in der Pandemie und mitten im Umbruch des alten TCP/IP zum neuen Web-dominierten Netz muss ab dem kommenden Jahr ein anderer oder eine andere übernehmen. Mit Deborah Brungaard von AT&T tritt unter anderem eine Frau an, zwischen den Vertretern von Futurewei, Akamai oder NetApp. Mitmischen wird sie wohl noch, hat sie doch Cisco just zum Vice President Technology Standards gemacht.