Missing Link: Wie New York an der Digitalisierung der ÖPNV-Tickets scheitert

Mit dem NFC-System OMNY wollte der New Yorker Nahverkehrsbetreiber MTA eigentlich alles besser machen. Es kam anders – auch wegen des Datenschutzes.

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U-Bahn in New York City

U-Bahn-Bahnsteig in New York City.

(Bild: heise online / Ben Schwan)

Lesezeit: 9 Min.
Inhaltsverzeichnis

New York City hat ein für amerikanische Verhältnisse traumhaftes Nahverkehrssystem. Es gibt eine U-Bahn mit fast 400 km Streckenlänge, gleich drei S-Bahn/Regionalzug-ähnliche "Commuter Railroads", die Stadt und Umland verbinden, ein eigenes Kurz-U-Bahn-System für Pendler aus New Jersey namens PATH, zahlreiche Busse plus Straßenbahnsysteme im Umland. Allein, das System ist quasi nur für Stadtbewohner einigermaßen verständlich – und selbst die wundern sich Tag für Tag.

So betreibt zwar die Verkehrsgesellschaft MTA die Subway, zwei der drei Commuter Railroads sowie viele Busse, ein einheitliches Preis- oder Ticketsystem existiert aber nicht einmal für diese, geschweige denn ein echter Verkehrsverbund. Wer etwa bequem vom Airport JFK nach Manhattan will, nutzt zunächst den AirTrain des Flughafenbetreibers PATH (der immerhin MetroCards, das alte MTA-Ticketsystem, unterstützt), um dann in die Long Island Rail Road (LIRR) umzusteigen, die wiederum ganz eigene Fahrkarten (samt eigener App und Schaffner) verwendet.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Dass ein solches System auf Dauer Ressourcen frisst und Touristen und Stadtneulingen schwer zu erklären ist, weiß auch die MTA. Sie hat daher im Jahr 2019 damit begonnen, ihr Ticketsystem zu digitalisieren. Die Lösung aller Probleme sollte OMNY heißen, eine Abkürzung für "One Metro New York". Dabei sollte zunächst das alte Ticketsystem mit den MetroCards ersetzt werden, die noch über einen Magnetstreifen verfügen und einst die weltberühmten "Tokens" der New York Subway ersetzten. Fünf Jahre nach Start des OMNY-Systems stellt sich Ernüchterung ein. Es wirkt einerseits so, als seien einige Ziele erreicht worden. Doch in Wahrheit ist alles nur noch verworrener als zuvor.

So soll das funktionieren: Handy draufhalten, rein in die Station. Was man da eigentlich erworben hat, kann man aber nur schwer nachvollziehen.

(Bild: OMNY / MTA)

So ist auch heute noch an jeder U-Bahn-, AirTrain- und PATH-Station sowie in jedem Bus ein Lesegerät für MetroCard-Magnetstreifen eingebaut. OMNY ist nur ein zusätzliches System, das kaum jemand versteht. Hinzu kommt, dass sowohl die LIRR als auch Metro-North, die Commuter Railroads der MTA, OMNY noch immer nicht akzeptieren. Denn die haben eben besagte eigene App, TrainTime genannt, die, so behauptet es die MTA, bei Nutzern sehr beliebt sei.

Aktuell gibt es also drei Wege, in New York U-Bahn oder AirTrain zu fahren:

1. Man kauft sich wie gewohnt eine MetroCard am Automaten (die gibt es an jeder Station und an Kiosken) und lädt diese dann auf, fährt so lange, bis sie leer ist. In der Subway gilt ein Einheitstarif von 2,90 US-Dollar, der beim Betreten des Systems fällig wird, egal, wie weit man fährt.

2. Man nutzt – was man etwa aus London kennt – eine NFC-Kreditkarte, Google Pay, Apple Pay oder Samsung Pay (plus alternative Systeme) mit hinterlegter Kreditkarte, um sich einzuchecken. Dann wird die Gebühr direkt von der Karte abgebucht. Beim Wechsel zum Bus muss man darauf achten, stets das gleiche Zahlungsmittel zu verwenden.

3. Man kauft sich statt der MetroCard eine physische OMNY-Card mit NFC. Auch diese kann man aufladen, sogar im Web. Vorteil: Sie ist aufgrund des fehlenden Magnetstreifens robuster und gegen unerwünschte Löschungen mittels Magnetfeld unanfällig. Das Problem: Die OMNY-Tickets sind an vergleichsweise wenigen Stationen oder Kiosken erhältlich, denn die MTA kommt nicht mit dem Aufstellen der Automaten hinterher.

Wer hingegen mit LIRR oder Metro-North unterwegs sein will, braucht die oben erwähnte TrainTime-App. Diese hat ein komplett eigenes Account-System inklusive Unterstützung von Apple Pay und Google Pay, nutzt statt NFC einen QR-Code (den der Schaffner dann per Augenschein kontrolliert) und dient auch dazu, das komplizierte Tarifsystem mit Distanz- und Peak- und Off-Peak-Preisen zu verstehen. Resultat: Tagtäglich kommt es vielfach vor, dass Stadtneulinge oder Touristen versuchen, mit MetroCard LIRR oder Metro-North zu fahren.

Um die Verwirrung komplett zu machen, hat die Kurz-U-Bahn PATH unterdessen damit begonnen, ein eigenes Bezahlsystem namens TAPP auszurollen, das auf längere Sicht nur noch mit kontaktlosen Kreditkarten arbeiten wird. MetroCard und ein eigenes Smart-Card-System namens SmartLink sollen bei der Schnellbahn in Richtung Newark und Hoboken den Weg des Dodo gehen.