Mit dem Rad in den Wald: Welche Auswirkungen das auf die Natur hat

Geländegängige Fahrräder bleiben im Trend – besonders E-Mountainbikes. Für die Natur ist das nicht immer ein Gewinn, sagen Forscher der Universität Bayreuth.

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Mountainbike, Pedelec

Mensch mit Mountainbike, hier ein Pedelec.

(Bild: moreimages / Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.

(This article is also available in English)

Veronika Mitterwallner ist Sportökologin an der Uni Bayreuth. Im Interview mit MIT Technology Review spricht sie über ihre Studie, in der sie mit Kollegen untersucht hat, welche Umweltauswirkungen Mountainbikes haben können – auch solche mit elektrischem Antrieb.

Frau Mitterwallner, Sie haben in einem der ersten Review-Artikel überhaupt dargestellt, welche Folgen Fahrradfahren für die Natur haben kann – und hier insbesondere das Mountainbiking. Wie kamen Sie auf das Thema?

Veronika Mitterwallner.

(Bild: Uni Bayreuth)

Das hatte zwei Gründe. Persönlich verbringe ich sehr gerne Zeit in den Bergen, sowohl zu Fuß als auch auf dem Fahrrad. Die Ruhe und das Erleben der Natur haben eine sehr positive, erdende und entspannende Wirkung. Dabei habe ich aber auch angefangen mich zu fragen, welche Wirkung ich im Gegenzug auf meine natürliche Umwelt habe. Gleichzeitig wurde das Thema in den Medien zunehmend diskutiert – aus meiner Sicht häufig auf einer emotionalen, wenig sachlichen Ebene.

Aus beiden Gründen haben meine Kollegen und ich entschieden, dass es unbedingt nötig ist, eine sachliche, faktenbasierte Grundlage zu schaffen – und angefangen, wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Auswirkungen von Mountainbiking auf natürliche Systeme systematisch zusammenzutragen. Wirklich neu ist an unserer Studie aber auch, dass wir ebenso nach Studien zu den ökologischen Auswirkungen elektrisch unterstützter Mountainbikes recherchiert haben.

Das Fahrradfahren gilt allgemein als umweltfreundlich. Warum ist das beim Mountainbiking nicht unbedingt so?

Das Fahrradfahren findet meist in urbanem Gelände oder zumindest auf befestigten Wegen statt, weshalb man vielleicht nicht von einer direkten Interaktion mit natürlichen Systemen spricht. Allerdings werden auch eine Straße oder Siedlungen dort gebaut, wo zuvor natürliche Ökosysteme waren – und dabei wird Boden verdichtet, versiegelt und Barrieren für Tier- und Pflanzenarten geschaffen. Fahrradfahren ist aber umweltfreundlich in Bezug auf die CO2-Emissionen, die gerade im Vergleich zu Autos verschwindend gering sind.

Das Mountainbiking findet direkt in natürlichen Ökosystemen wie Wäldern, Wiesen oder Bergen statt und interagiert dadurch auch direkter mit Böden, Vegetation und Wildtieren. Auch wenn dabei das System gestört wird, ist das nicht zwingend umweltfeindlich. Störungen können sich durchaus positiv auf die Artenvielfalt auswirken.

Nachdem anfangs vor allem Stadträder elektrifiziert wurden, findet man nun E-Antriebe und Akkus immer öfter auch in Mountainbikes. Verschlimmern diese die negativen Effekte auf die Natur? Warum?

Das lässt sich leider noch nicht abschließend beurteilen. Wir mussten feststellen, dass die Studienlange zu den Effekten elektrifizierten Mountainbikings noch sehr dünn ist. In unserem Review haben wir deshalb anhand der Ergebnisse zu konventionellem Mountainbiking diskutiert, inwieweit die Veränderungen im Fahrverhalten bei Benutzung elektrischer Unterstützung zu einer Intensivierung der Effekte führt. Nachdem der elektrische Motor ermöglicht, schneller, länger und weiter unterwegs zu sein – zudem die Bewältigung von einer größeren Höhendifferenz und das Befahren von technisch schwierigeren Passagen unterstützt –, sehen wir ein Potenzial dafür, dass elektrifiziertes Mountainbiking in sensibleren, bisher unberührten Systemen stattfinden kann.

Das hätte vor allem negative Auswirkungen, wenn abseits von Wegen gefahren wird, was mit Elektromotor leichter ist als ohne. Gleichzeitig erschließt die Elektrifizierung den Mountainbike-Sport für andere Personengruppen als bisher und man sieht, dass die Verkaufszahlen enorm steigen und teilweise mehr e-MTBs verkauft werden als konventionelle MTBs. Das könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass mehr Menschen natürlichen Systemen mountainbiken. Ob es eine Art Belastungsgrenze für Ökosysteme bzw. einzelne Arten gibt, ist leider schwer zu sagen. Das ist kaum von anderen Einflüssen zu trennen ist und hängt davon ab, wie stabil die Population jeweils ist und wie tolerant die einzelne Art gegenüber Störungen ist.

Sie schreiben, besonders das erste Anlegen einer Strecke sei ein Problem. Warum ist das so?

Beim ersten Anlegen wird die Vegetation zerstört, der Boden verdichtet und teilweise abgetragen. Danach entstehen kaum weitere Veränderungen, außer dass an dem Weg selbst, solange er nicht befestigt wird, stärkere Erosion stattfinden – da eine befestigende Wirkung von Pflanzen und deren Wurzeln fehlt und der Boden durch die Verdichtung schlechter Wasser aufnehmen kann. Man muss aber auch sagen, dass durch die kleinräumige Zunahme der Lebensraum-Heterogenität die Diversität der angrenzenden Pflanzengemeinschaft gefördert werden kann.

Was raten Sie Gemeinden, die sich – etwa aus touristischen Gründen – für die Errichtung eines Mountainbike-Trails entscheiden wollen?

Ich würde überlegen, ob man bereits bestehende Wege umfunktionieren kann, um eine erneute Fragmentierung der Landschaft zu verhindern. Auch anders genutzte Bereiche, wie ehemalige Skipisten oder Rückegassen, könnten geeignet sein. Wenn der Mountainbike-Trail außerdem in sensiblen Lebensräumen oder geschützten Landschaftsgebieten gebaut werden soll, können naturschutzfachliche Gutachten bewerten, ob durch den Bau eine Gefährdung von geschützten Tier- und Pflanzenarten wahrscheinlich ist.

Was Sie schreiben, gilt ja auch für das Anlegen eines Wegenetzes für Wanderer oder Läufer. Sind Mountainbike-Trails da wirklich schlechter?

Das ist schwierig zu bewerten. Es ist richtig, dass zum großen Teil dieselben Wegenetze verwendet werden und sich deswegen Effekte auch nur schwer trennen lassen. Es gibt zwar Studien, die die Aktivitäten getrennt haben und dann deren Auswirkungen auf Böden oder Pflanzen analysieren, allerdings lassen die sich nur schwer in die Realität übertragen, wo es auch stark auf das individuelle Verhalten der jeweiligen Sportler ankommt. Zum Beispiel zu welchen Zeiten sie unterwegs sind und ob sie den Weg verlassen. Außerdem müsste man einbeziehen, wie der tatsächliche Anteil von Mountainbikern und Wanderern im Gelände ist, was sicher gebietsspezifisch unterschiedlich wäre.

Viele Radfahrer begreifen sich als ökologischste Verkehrsteilnehmer. Muss man das – angesichts des Rohstoffverbrauchs für die Fahrzeuge und möglicher Naturschädigungen durch den Wegebau – überdenken?

Meiner persönlichen Meinung nach: Nein, muss man nicht. Man sollte allerdings darüber nachdenken, wo und wann man sich bewegt und sich rücksichtsvoll gegenüber natürlicher und sozialer Umwelt verhalten. Es ist immer auch eine Frage der Relation. Die derzeitige menschgemachte Klimakrise – und die Biodiversitätskrise in der wir uns befinden – hat schlimmere Konsequenzen für natürliche Ökosysteme als das Mountainbiking. Außerdem gibt es Studien, die zeigen, dass das ökologische Bewusstsein durch Outdoorsport wie Mountainbiking gestärkt wird, was sich wiederum positiv auf unser alltägliches und sportliches Verhalten in Bezug auf die Umwelt auswirken kann.

(bsc)