Moto Guzzi V100 Mandello: Wasser marsch!
Moto Guzzis 90-Grad-V2 eröffnen sich dank Wasserkühlung ganz neue Leistungswelten. Auch der Rest der V100 ist für die italienische Traditionsmarke revolutionär.
- Ingo Gach
Zum 100. Geburtstag macht sich Moto Guzzi mit der V100 Mandello selbst ein Geschenk. Eigentlich sollte das neue Modell im September auf der großen Geburtstagsparty am Firmensitz in Mandello del Lario erwarteten 100.000 Fans als Überraschung präsentiert werden, doch hat Corona diesen Plan vereitelt.
Jetzt hat Moto Guzzi die ersten Fotos und ein Video der fertigen V100 Mandello veröffentlicht und die dürften nicht nur bei den Anhängern der Marke für Aufsehen sorgen: Der legendäre, seit 1965 gebaute 90-Grad-V2 erhält eine Wasserkühlung. Damit wird es für die Konstrukteure einfacher, den thermischen Haushalt unter Kontrolle zu bekommen – Grundvoraussetzung für eine deutlich höhere Leistung unter gleichzeitiger Beachtung der Euro-5-Norm.
Roter Bereich bei 10.000/min
Die neuen Vierventil-Zylinderköpfe verfügen über mindestens eine, vielleicht sogar zwei obenliegende Nockenwellen. So können die Gaswege um 90 Grad gedreht und damit sowohl verkürzt als auch begradigt werden: Das Gemisch erreicht nun rechtwinklig zur Fahrtrichtung von oben die Brennräume, dicke Krümmer führen das Abgas nach unten statt nach vorn ab. Die auf den Fotos nicht sichtbare Einspritzung liegt dadurch zwischen den Zylindern, vor dem Motor ist Platz für den Wasserkühler.
Die Modernisierung entspricht im Prinzip der, mit der BMW seine Boxermotoren bereits vor vielen Jahren auf einen zeitgemäßen Stand gebracht hat: Sowohl die um 90 Grad gedrehten Gaswege als auch die Wasserkühlung setzte BMW zum ersten mal in der BMW R 1200 GS (K50) ab 2013 ein, nachdem die traditionellen Boxermotoren schon ab 1994 auf obenliegende Nockenwellen umkonstruiert worden waren (R 1100 RS).
Moto Guzzi V100 Mandello (10 Bilder)
Der rote Bereich des Drehzahlmessers beginnt wegen der reduzierten Massen im Ventiltrieb dank der obenliegenden Nockenwellen erst bei 10.000/min. Die Bezeichnung "V100" weist auf rund 1000 Kubikzentimeter Hubraum hin. Das lässt über die Leistung schon einigermaßen zielsicher spekulieren, die Gerüchteküche kolportiert angesichts der beiden Eckdaten glaubhafte 110 PS. Damit würde sie in der obersten Mittelklasse auf Wettbewerber wie die BMW F 900 X respektive F 900 XR (Test) treffen, ebenfalls zweizylindrig und mit ähnlicher Leistung. Trotz Wasserkühlung und dem kurzen Auspuff wird sich die V100 immer wohl noch eindeutig nach Moto Guzzi anhören, denn es gibt keinen schwerwiegenden Grund, die beiden Pleuel nicht auch weiterhin auf einen gemeinsamen Hubzapfen wirken zu lassen.
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Motor als tragendes Element
Doch damit hören die Neuerungen noch nicht auf: Die V100 Mandello integriert den Motor als tragendes Element und verzichtet auf den traditionellen Doppelschleifenrahmen aus Stahlrohren, lediglich oberhalb des Motors bis zum Lenkkopf kommen Rohre zum Einsatz. Durch die Konstruktion spart die V100 auch noch Gewicht. Sowohl die Fußrasten als auch die Schwingenachse werden vom Motorgehäuse aufgenommen.
Das Getriebe sieht kürzer aus als bisher. Für den Antrieb des Hinterrads bleibt es beim Kardantrieb, der durch eine üppig dimensionierte Einarmschwinge verläuft. Beim Fahrwerk bietet Moto Guzzi zwei Versionen an: Die einfache Variante verfügt über eine einstellbare Upside-down-Gabel vorn und einem hydraulisch in der Vorspannung verstellbaren Federbein hinten, die Top-Version bekommt ein semi-aktives Fahrwerk von Öhlins. Man darf davon ausgehen, dass die V100 Mandello auch elektronische Assistenzsysteme wie Schlupfregelung und Kurven-ABS bieten wird.
Aufrechte Haltung
Das gesamte Design wirkt modern, ohne jedoch die lange Tradition von Moto Guzzi zu leugnen. Die Halbschalenverkleidung mit dem verstellbaren Windschild durfte den Fahrer gut schützen und bekommt als erstes Serienmotorrad "active aero wings" – ausfahrbare Winglets in der Verkleidung, die den Luftstrom noch weiter vom Piloten weglenken. Im Scheinwerfer ist ein LED-Tagfahrlicht in Form eines Adlers integriert. Auch wenn die V100 Mandello sportlich auftritt, dürfte der Fahrer durch den hohen und breiten Lenker ziemlich aufrecht sitzen.
Großes TFT-Display
Es ist auf den Fotos schwer zu beurteilen, wie weit der Tank unter die Sitzbank reicht, aber er könnte den Schwerpunkt weit nach unten verlagern. Das Heck ist schön kompakt geraten, ohne dass die Soziussitzfläche zu knapp auffällt. Die radial verschraubten Bremszangen stammen von Brembo. Bei den Reifen griff Moto Guzzi zu den sehr sportlichen Pirelli Diablo Rosso IV, vorn in 120/70-17 und hinten im Breitformat 190/55-17.
Im Cockpit erwartet den Fahrer ein großes TFT-Display mit einer geballten Ladung Informationen auf engstem Raum und Bluetooth für die Smartphone-Anbindung.
Anfang einer Modelloffensive?
Offiziell wird Moto Guzzi die V100 Mandello auf der EICMA in Mailand am 23. November vorstellen. Solange wird es keine technischen Daten und auch keine Preise geben. Es ist zu erwarten, dass die V100 Mandello den Anfang einer Modelloffensive darstellt. Vorstellbar wären nicht nur Touren- und Sportmaschinen, sondern auch größere und kleinere Hubräume – natürlich alle mit Wasserkühlung.
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(fpi)