Nach Hause telefonieren: 40 Jahre "E.T. – Der Außerirdische"

Seite 3: Die E.T.-Figur

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Die schwierigste Aufgabe bei dem Film ist das Erschaffen des Außerirdischen. E.T. ist von einem fernen Planeten, über dessen Beschaffenheit man nicht nachdenkt. Eine Art Bauer, der Pflanzen sammelt. Er ist weder männlich noch weiblich, sondern eher selbst wie eine Pflanze. Spielberg wünscht sich, dass man E.T.s Organe sieht, wenn er sein Herzlicht einschaltet; und das Innere soll ebenfalls etwas Pflanzliches an sich haben.

E.T. soll nicht niedlich sein. Spielberg möchte ein abstoßendes Geschöpf, das den Zuschauer zunächst erschreckt, in das er sich aber dann verliebt. Er möchte nicht, dass E.T. anderen Außerirdischen aus anderen Filmen ähnelt. Und er möchte nicht, dass jemand denkt, es wäre ein Mensch in einem Anzug. Deswegen hat er einen langen dünnen Hals.

Spielberg sucht in Büchern nach Fotos sehr alter Menschen und zeigt auf Gesichtszüge, die ihm gefallen. Er stellt sich eine Mischung vor aus Albert Einstein, dem Schriftsteller Ernest Hemingway und dem Dichter Carl Sandburg (dem Schöpfer des berühmten Satzes "Stell Dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin"). Er zeigt Fotos von ihnen und fragt: "Können wir die Augen von E.T. genauso frivol und schrumpelig und traurig machen wie bei diesen drei Idolen?"

Ein Team um Designer Ed Verreaux entwirft viele Skizzen des Kopfes. Sie werden an die Wand von Spielbergs Büro geheftet; und er kommentiert sie. Dann ziehen sie den Italiener Carlo Rimbaldi hinzu, der bereits an der 1976er-Version von "King Kong" (mit Jeff Bridges und Jessica Lange) mitwirkt, an "Alien" und an "Unheimliche Begegnung der dritten Art". Er erschafft drei recht unterschiedliche Modelle aus Lehm. Klein, groß, dünn, dick. So entwickeln sich im Laufe mehrerer Wochen das Gesicht und die Figur, die wir als E.T. kennen.

Die großen Glasaugen stammen von der Spezialistin Beverly Hoffman; auf sie stößt man bei Recherchen im Augen-Institut der Universität von Kalifornien.

Zum Leben erweckt wird E.T. durch zwei ferngesteuerte Modelle, mit zahllosen Kabeln, bedient von einer Armada an Technikern mit Joysticks und vor Monitoren. Einen leichten elektromechanischen Apparat, am Boden verankert, mit 30 beweglichen Punkten im Gesicht und mit 30 Gelenken. Und eine kompliziertere Version, die an 86 Stellen beweglich ist und für Nahaufnahmen genutzt wird. Auch die Hand lässt sich fernsteuern; aber da das nicht überzeugend wirkt, schlüpft Caprice Roth, eine professionelle Pantomimin, in Arm-Prothesen.

Soll sich E.T. von der Stelle bewegen, kommt ein kabelloses Kostüm zum Einsatz. Das stülpen sich die kleinwüchsigen Schauspieler Tamara De Treaux und Pat Bilon über, 79 und 86 cm groß. Der zwölfjährige Matthew DeMeritt, der ohne Beine geboren wird und sich auf Händen bewegt, spielt unter anderem E.T., als er betrunken durch die Küche stolpert.

Die Geräusche, die E.T. von sich gibt, haben zahlreiche Quellen. Zunächst leiht Debra Winger ihre Stimme, als Platzhalter, bis man die richtige gefunden hat. (Sie hat auch eine winzige Rolle im Film; während Halloween, mit Hundemaske und Stethoskop.)

Auf die im Film zu hörende Stimme stößt ein Tontechniker durch Zufall, bei einer Kundin in einem Geschäft. Pat Welsh. Kettenraucherin. Sie spricht Sätze wie "E.T. Phone Home", das zu einem geflügelten Wort wird. Ihr Traum ist es tatsächlich, Schauspielerin zu werden; vierzig Jahre zuvor hat sie eine kleine Rolle in einem Film. Ihre markante tiefe Stimme macht er elektronisch noch etwas tiefer und vermischt sie mit den Atemgeräuschen von Tieren. Am Ende setzen sich die Klänge von E.T. aus 18 verschiedenen menschlichen und tierischen Quellen zusammen.

Die deutsche Stimme von E.T. ist auch eine Frau, eine echte "Berliner Schnauze", Paula Lepa. Sie arbeitet seit den 1930er-Jahren als Schauspielerin und ist bereits 70, als sie das berühmte "Nach Hause telefonieren" spricht, das aus ihrem Mund eher wie "Nach Haus telefonieren" klingt. Da Spielberg nicht zur Premiere nach Deutschland kommt, ist sie es, die Thomas Gottschalk in seine neue Sendung "Thommys Pop-Show" holt. Wenige Monate später veröffentlicht sie mit Christian Bruhn die fragwürdige Single "Nach Hause telefonieren". Und sie synchronisiert Pat Welsh ein zweites Mal: Beide sprechen in "Die Rückkehr der Jedi-Ritter" die als Kopfgeldjäger verkleidete Prinzessin Leia.

Die deutsche Stimme von Elliot ist Timmo Niesner, der 20 Jahre später Frodo in "Der Herr der Ringe" spricht.

Ralph McQuarrie von Industrial Light & Magic, der technisch-künstlerische Kopf hinter "Star Wars", "Unheimliche Begegnung der dritten Art" und "Kampfstern Galactica", erhält von Spielberg nur vage Angaben, wie er sich das Raumschiff vorstellt. Am Ende passt es zum Passagier. Es ist eher putzig als erhaben; klein, glockenförmig, hat Füße, und wenn es aufsteigt, erinnert es an einen Heißluftballon.

Ursprünglich sollen Elliot und E.T. in einem Krankenhaus landen; aber man findet keinen geeigneten Drehort. Da stößt Spielberg auf dem Flughafen von Los Angeles auf provisorische Räume, während eine neue Abfertigungshalle errichtet wird; und ihm kommt die Idee, eine solche Traglufthalle als mobile Klinik neben das Wohnhaus zu setzen, um "diese behagliche Umgebung, an die wir uns gewöhnt hatten, wo die Kinder geborgen aufwachsen, in einen Alptraum zu verwandeln". Dazu wird eine 30 x 60 Meter große Plane aus PVC gefertigt; ein Großauftrag für einen Armee-Zulieferer. Die Ärzte, die sich um die beiden Patienten kümmern, sind echte Notfallärzte, die ihren Text improvisieren.

Das berühmte Motiv des Vollmonds, vor dem Elliot mit E.T. im Korb durch die Luft radelt, ist kein Trick. Das Team sucht eine ganze Weile nach einem passenden Ort und einem passenden Zeitpunkt, um den prächtigen Mond aufzunehmen. Er wird samt dem Fahrrad nicht nur ein Markenzeichen des Films, sondern auch das Logo der Produktionsfirma von Spielberg, Amblin Entertainment.

Wie häufig in Spielberg-Filmen gibt es in "E.T." Anspielungen auf "Star Wars". Elliot stellt E.T. seine Figuren vor, und zu Halloween ist ein Kind als Yoda verkleidet (musikalisch unterstrichen durch ein angedeutetes Yoda-Theme) – wovon George Lucas erst erfährt, als er den Film sieht. Er revanchiert sich später, indem er drei wie E.T. aussehende Wesen in den Senat des (je nach Zählweise vierten wie ersten) Star-Wars-Teils "Eine dunkle Bedrohung" setzt.