Neue Technologie für kompakte Kernfusion

Forscher verringern den Plasmarandabstand in Fusionsreaktoren. Das ebnet den Weg für kostengünstigere Technik.

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Blick in das Plasmagefäß der Fusionsanlage ASDEX Upgrade (2015).

(Bild: MPI für Plasmaphysik, Volker Rohde)

Lesezeit: 3 Min.

Die Forschung zur Nutzung der Kernfusion hat in der jüngsten Zeit einige bemerkenswerte Fortschritte erzielt. So konnten etwa Forschende in Greifswald Ende März in der Plasmakammer des Fusionsreaktors Wendelstein 7-X ein Wasserstoffplasma mit rund 50 Millionen Grad Temperatur erzeugen und für acht Minuten stabil halten.

Damit solch ein heißes Plasma stabil bleibt, wird es in Kernfusionsanlagen durch starke Magnetfelder auf Abstand zur Gefäßwand gehalten. Das Plasma möglichst lange bei möglichst hohen Temperaturen einzuschließen, ist technisch jedoch ziemlich aufwändig, denn es bilden sich Turbulenzen und Störungen. Je größer das Plasmagefäß, desto kleiner wird der Einfluss dieser Störungen – einer der Gründe für die 40 Meter Durchmesser des im Bau befindlichen ITER-Reaktors. Weltweit arbeiten Forschungsgruppen und Unternehmen jedoch auch an kleineren, kompakteren – und damit günstigeren – Reaktoren.

Jetzt haben Forscher des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Garching (IPP) ein Verfahren gefunden, den Abstand zwischen Plasma und Gefäßwand deutlich zu verringern. Das könnte den Bau kleinerer und günstigerer Fusionsreaktoren zur Energieerzeugung ermöglichen. Die Arbeit wurde im Journal "Physical Review Letters" veröffentlicht.

Die Lösung, die die Forschenden am IPP gefunden haben, hängt mit einem weiteren Problem zusammen. Wenn die Kernfusion in solchen Reaktoren – bei noch höheren Temperaturen – tatsächlich zündet, werden nicht nur schnelle Neutronen frei, deren Energie letztendlich für die Stromerzeugung im Reaktor genutzt wird. Das Plasma heizt sich auch kräftig weiter auf – und es entstehen Helium-4-Atome, die das Plasma nach und nach immer mehr verunreinigen.

Besonders heiße, schnelle Ionen werden deshalb durch spezielle Magnetfelder zu mit Wolfram gepanzerten Plattenregionen geleitet – dem so genannten Divertor, eine Art Auspuff für den Reaktor. "Am Divertor führen wir Wärme aus dem Plasma. In späteren Kraftwerken soll dort auch das Fusionsprodukt Helium-4 ausgeleitet werden", erklärt Ulrich Stroth, Leiter des Bereichs Plasmarand und Wand am IPP.

Trotz dieser Panzerung muss der Plasmarand auf Abstand zum Divertor gehalten werden, um diesen zu schützen. Bislang waren das in ASDEX Upgrade-Versuchsreaktor mindestens 25 Zentimeter. Jetzt ist es Forschenden am IPP gelungen, die Distanz auf unter fünf Zentimeter zu verringern.

Der sogenannte X-Punkt-Strahler strahlt neben UV-Licht auch sichtbares blaues Licht in einem ringförmigen Bereich oberhalb des Divertors ab. Das linke Bild zeigt eine Kameraaufnahme (unten das normale rote Leuchten des kalten Plasmarands). Rechts ist eine numerische Simulation des X-Punkt-Strahlers zu sehen.

(Bild: MPI für Plasmaphysik/E. Huett/O. Pan)

Sie setzten dafür den sogenannten X-Punkt-Strahler ein: Um das Plasma zusätzlich abzukühlen, setzen die Forschenden Stickstoff zu. In speziell geformten Magnetfeldern, wenn die Menge der Stickstoff-Verunreinigung einen bestimmten Wert überschreitet, bildet sich ein kleines, dichtes, besonders stark im UV-Bereich strahlendes Volumen. Die Forscher fanden heraus: Bei Einsatz des X-Punkt-Strahlers wird deutlich mehr Wärmeenergie in UV-Strahlung umgewandelt, als bisher angenommen. Das Plasma strahlt dann bis zu 90 Prozent der Energie in alle Richtungen ab.

Weil das Plasma sich so näher an den Divertor rücken lässt, kann man das Reaktorgefäß besser ausnutzen. Erste Berechnungen zeigen, dass sich bei optimaler Formung des Gefäßes fast eine Verdopplung des Plasmavolumens erreichen ließe – bei gleichbleibenden Maßen. Damit würde auch die erzielbare Fusionsleistung steigen. Ob das tatsächlich so ist, müssen die Forschenden erst in weiteren Experimenten verifizieren.

(wst)