Neue WLANs: Wie das IEEE die Basis für Wi-Fi 7 und Wi-Fi 8 legt

Seite 2: Noch mehr Bit pro Schritt

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Geradezu schwindelerregend klingt das für 11be konzipierte 4096-QAM, also die Menge der Bits, die auf eine Welle aufgeprägt werden: Gegenüber dem mit 11ax eingeführten 1024-QAM erhöht sich mit der schnellsten 11be-Modulation die Bitanzahl pro Übertragungsschritt von 10 auf 12. Schon 1024-QAM erfordert eine sehr gute Kanalqualität - wenn sie nicht vorliegt, schaltet der Sender auf einfachere Modulation zurück, etwa auf 256-QAM.

Entsprechend beschreibt einer der ersten Entwürfe der 11be-Norm für 4096-QAM ein sehr enges Betriebsfenster: Gefordert waren zunächst mindestens -38 dBm Receiver Sensitivity und maximal -30 dBm Eingangspegel. Dafür muss der Empfänger sehr nah, aber nicht zu nah am AP stehen und beide dürfen sich auf keinen Fall bewegen. In einem späteren Entwurf vergrößerte die Arbeitsgruppe den nutzbaren Bereich auf 16 dB Signal-Störabstand, indem sie die Anforderungen an die Receiver Sensitivity auf -46 dBm verschärfte.

Damit ein künftiges Wi-Fi 7 Spitzenraten von 30 Gbit/s liefert, wollen unter anderem Entwickler von Intel nicht nur die maximale Breite der WLAN-Funkbänder auf 320 MHz verdoppeln, sondern neben anderem die Anzahl der räumlichen Übertragungsströme (MIMO-Streams) auf 16 erhöhen.

(Bild: Intel)

Auf Grund der IEEE-802-Richtlinien zur Entwicklung von Spezifikationen ist es im Prinzip unmöglich, zwei aufeinander aufbauende Releases unter der gleichen Projektnummer zu führen. Die Arbeitsgruppe 11be versuchte es dennoch. So sind die vorgenannten Funktionen alle schon jetzt im Entwurf der Norm enthalten, über die lange Zeit nur inoffiziell und intern abgestimmt wurde. Die bei großen Unternehmen angestellten Mitarbeiter (Intel, Broadcom, Qualcomm, Huawei) versprachen denen der kleinen, dass weitere Funktionen im Release 2 aufgenommen werden, sobald die Beschreibung des ersten Satzes an Funktionen ein stabiles Maß erreicht habe.

Für den zweiten Satz an Funktionen war vorgesehen, dass sich mehrere APs gemeinsam um Clients kümmern. In der Literatur wird dies als Coordinated Multi-Point (CoMP), Distributed oder Cooperative MIMO beschrieben. Grob vereinfacht sollen sich mit dem als Multi-AP bezeichneten Verfahren mehrere APs zu einem virtuellen Super-AP zusammenschalten. CoMP ist in Mobilfunknetzen seit Jahren gebräuchlich.

Übertragen auf die WLAN-Welt, kann man sich zwei APs mit je vier Antennen als einen virtuellen AP mit acht Antennen vorstellen. Wenn sich beide APs vor einer Übertragung absprechen würden, könnten sie gemeinsam Daten an einen oder mehrere Clients senden, die von einer gerichterten Übertragung profitieren.

Das klingt zunächst attraktiv, aber das Verfahren ist komplex, erfordert Abstimmung im Nanosekundenbereich und nicht immer steht der Aufwand, den die APs betreiben müssen, in einem günstigen Verhältnis zum Gewinn an Durchsatz. Andere, im Mobilfunk essentielle Funktionen wie Hybrid ARQ, wurden allerdings ebenfalls vergeblich vorgeschlagen. In Mobilfunkzellen senkt Hybrid ARQ den Übertragungsaufwand, indem nur die Pakete neu übertragen werden, die bisher nicht korrekt angekommen sind. Auf Grund von WLAN-Altlasten wurde das Verfahren für 11be jedoch zu komplex und schied somit ebenfalls aus.

Teilnehmer, die mit ihren Vorschlägen auf IEEE 802.11be R2 vertröstet wurden, müssen sich jedoch spätestens seit dem 17. Januar verschaukelt vorkommen. Wundersamerweise schlug an diesem Tag eine Gruppe von IEEE-Teilnehmern vor, ab der März-Tagung mit der Entwicklung von Wi-Fi 8 zu beginnen. Die Teilnehmer gehören genau zu den Firmen, die durch Gründung der DensiFi-Gruppe die Entwicklung von IEEE 802.11ax erwiesenermaßen illegal hinter verschlossenen Türen vorantrieben.

Nun skizzieren diseslben Mitarbeiter von Intel, Broadcom, Qualcomm und Huawei einen Wi-Fi-7-Nachfolger mit Spitzenraten von mindestens 60 Gbit/s bis 100 Gbit/s oder mehr. Selbst einfache Endgeräte mit nur zwei Antennen sollen Übertragungsraten von mindestens 10 Gbit/s liefern. Weitere Eckwerte sind Latenzen von maximal 100 µs, verbessertes, nahtloses Handover, sehr hohe Zuverlässigkeit und eine weiter wachsende Eignung für drahtlose Automationsnetze.

Dagegen wäre prinzipiell nichts einzuwenden. Wenn nicht gleichzeitig dieselben Autoren fordern, IEEE 802.11be R2 so weit einzudampfen, dass keine weitergehenden Funktionen mehr Einzug halten.

Man kann gespannt sein, ob es wie bei der 11ax-Normung wieder kartellrechtliche Untersuchungen in der IEEE geben wird. Denn immerhin stellen die ehemaligen DensiFi-Gründungsmitglieder mehr als 27 Prozent aller stimmberechtigten Teilnehmer der Gruppe 802.11. Selbst wenn sich die Mitarbeiter aller übrigen Firmen einigen würden, könnten sie die erforderlichen 75 Prozent der Stimmen nicht auf sich vereinen, um einen eigenen Vorschlag zu normieren.

Abseits der nächsten Wi-Fi-Generation entwickelt die Gruppe 802.11 immer mehr neue Konzepte für Funkanwendungen. Die nach Anzahl der Teilnehmer nächstgrößere Gruppe ist die 802.11bf. Diese spezifiziert unter dem Namen WLAN Sensing Methoden, mittels denen anhand von Änderungen im Funkkanal auf die Umgebung geschlossen werden kann. Die Normungsdiskussionen gehen auf ältere universitäre Forschung und auf Arbeiten der Firma Celeno zurück, die schon seit 2019 für ein Wi-Fi Doppler Imaging genanntes Verfahren wirbt; Celeno wurde im Dezember 2021 von Renesas übernommen.

Mit der Methode von Celeno lässt sich beispielsweise feststellen, wieviele Personen sich in einem Raum befinden, ob sie sitzen oder gestürzt sind und anderes mehr. Die Gruppe hat eine lange Liste weiterer Anwendungen erstellt, zu denen auch die Messung der Herzschlag- und Atemfrequenz, Gestenerkennung und auch die Müdigkeitserkennung von Fahrzeugführern gehören. In allen Fällen soll Wi-Fi wie seine 60-GHz-Variante WiGig (in der IEEE als 802.11ad und 802.11ay spezifiziert) die Channel State Informationen (CSI) auswerten, die entweder ohnehin bei der Übertragung von Daten- und Managementübertragungen anfallen (z. B. durch regelmäßige Beacons des APs) oder gezielt angefordert werden.

So könnte 802.11bf der heimischen, smarten Beleuchtung oder der Heizung Daten zur situationsabhängigen Steuerung liefern. Beispielsweise könnte man die Technik nutzen, um das Licht automatisch auszuschalten, wenn eine Person einen Raum verlässt. Mit 11bf könnte man sich die Installation von passiven Infrarotsensoren sparen (PIR). Nebenbei könnte 11bf auch in Alarmanlagen einziehen. Aufgrund der hohen Wi-Fi-Verbreitung hat diese Funktion großes Potential andere Lösungen zu verdrängen. Die WFA erwartet für das Jahr 2022 4,4 Milliarden verkaufte Wi-Fi Geräte.