Offener Kern, geschlossenes Herz?

Seite 3: Zum Kern

Inhaltsverzeichnis

Open-Source-Firmen, die mit Risikokapital finanziert werden, müssen ihre Einkünfte unter dem Druck der Investoren maximieren. Der Vorschlag des JasperSoft-Managers Lampitt für ein Open-Core-Lizenz-Modell zielt darauf ab, die Spannung zwischen dem kommerziellen Druck und dem Gebrauch des Begriffs "Open Source" zu lockern. Aus Sicht einer Open-Source-Firma, die das Copyright an dem Code hält, sieht die Kurzfassung des Vorschlags so aus:

  • Stelle den Kern der Software unter die GPL. Wenn ein Kunde diesen Code in ein proprietäres Produkt einsetzen will, muss er eine kommerzielle Lizenz kaufen.
  • Biete gegen Bezahlung technische Unterstützung für das GPL-Produkt an.
  • Biete Gewährleistung, Support sowie Zusatzfunktionen und/oder weitere Plattformen als Teil einer kommerziellen Subskription.
  • Ziehe die Möglichkeit in Betracht, zusätzliche kommerzielle Features mit Quellcode zur Verfügung zu stellen, oder stelle geschlossenen Code nach Ablauf einer gewissen Zeit unter die GPL.
  • Biete professionelle Dienstleistungen und Schulung gegen Bezahlung.

Die Idee dahinter ist ein Software-Angebot, das größtenteils Open Source ist, aber in einer proprietären Verpackung daherkommt oder proprietäre Plug-ins enthält. Der nicht-freie Code kann, aber muss nicht zu einem späteren Zeitpunkt freigegeben werden.

Im Kern ist die Software also frei und wird in Zusammenarbeit mit der Community weiterentwickelt. Selbst entwickelte proprietäre Ergänzungen unterscheiden das kommerzielle Paket von der kostenlosen Version – für die Befürworter des Open-Core-Lizenzmodells eine effektive Möglichkeit, Geld zu verdienen.

Diese Herangehensweise ist opportunistisch und paternalistisch. Der Hersteller profitiert von den Bemühungen der Entwickler-Community, aber die kommerziell verfügbaren Erweiterungen fließen nicht zurück in die Community, sondern sind nur unter einer restriktiven Lizenz zu haben. Open Core ist im Wesentlichen eine Umgehungslösung für Open-Source-Software, die nicht Open Source ist, genügt aber den Ansprüchen der Risikokapitalgeber in Hinblick auf die Gewinnmaximierung. Die Begründung ähnelt der, die Michael Tiemann in der Anfangszeit von Cygnus immer zu hören bekam: Open Source ist eine prima Idee, aber niemand will für freie Software bezahlen.

Tarus Balog von OpenNMS, Hersteller eines GPL-lizenzierten Netzwerkmonitors, merkt an, dass sich der offene Kern bei dem Open-Core-Modell kaum noch von herkömmlicher Shareware unterscheidet: Die freie Version bietet die Basisfunktionen, für die wirklich interessanten Features muss man bezahlen.

Balog hat einen eigenen Test, um festzustellen, ob eine Software Open Source ist oder nicht. "Bei der Überlegung , ob man die kommerzielle Version einer Open-Source-Software kaufen sollte" schreibt er, "sollte man sich fragen, ob sie den CentOS-Test besteht. Lässt die Lizenz es zu, den Quellcode zu nehmen, zu kompilieren und weiterzuverteilen? Geht das, dann würde ich sagen, dass die Software wirklich offen ist. Wenn nicht, geht es um kommerzielle Software mit all den dazu gehörenden Einschränkungen."