Psychologie: Warum Dinge weglassen schlauer ist

Seite 3: Meetings weglassen

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Mir macht Kürzen tatsächlich Spaß. Für mich ist das wie eine Art Tetris: Die Textblöcke so anzuordnen, dass sie möglichst gut ineinanderpassen. Dabei hilft mir auch, ältere Versionen regelmäßig abzuspeichern, sodass nichts verloren geht.

Stimmt, ich habe auch noch 50.000 Wörter von meinem Buch auf der Festplatte. Und ich bin sicher, dass ich sie niemals wieder brauchen werde. Aber es fühlte sich gut an, als ich sie rausgenommen habe.

Wie kann man seine Kompetenz durch Wegnehmen zeigen?

Indem man richtig viel wegnimmt. Als Designer ist es Teil der Arbeit, den Dingen einen eigenen Stempel aufzudrücken. Steve Jobs ist ein gutes Beispiel dafür, dass Designs bemerkenswert werden, weil er so viel wegnahm – und dadurch seine Kompetenz gezeigt hat. Ein anderes Beispiel ist Bruce Springsteen bei seinem Album "Darkness on the Edge of Town", das noch das Lieblings-Album vieler seiner Hardcore-Fans ist. Es war ganz anders als das Album zuvor, er hat die Instrumentierung und die Texte so reduziert, dass es auffiel – und so seine Kompetenz gezeigt. Danach können wir alle streben.

Zurück zum User Interface: Warum bringen Designer trotz Koryphäen wie Steve Jobs regelmäßig völlig überladene Geräte oder Software heraus?

Es gibt ein fundamentales biologisches Bedürfnis, zu zeigen, dass wir die Welt beeinflussen können. Deshalb spielt mein Sohn zum Beispiel gerne mit Legos. Wenn er einen Turm baut, kann er mir zeigen: "Hey, ich kann das. Ich bin kompetent." Und es ist wirklich schwer, Kompetenz durch Wegnehmen zu zeigen, nicht wahr? Wenn jemand etwas wegnimmt, ist seine Leistung unsichtbar und wird oft übersehen. Aber einen Lego-Turm kann ich sehen.

Wie hat die Idee des Weglassens Ihr persönliches Leben beeinflusst?

Ich bin Akademiker. Wie jeder andere auch, habe ich viele Meetings. Jetzt evaluiere ich mehr, welche Meetings wirklich einen Wert für mich haben – und lasse die anderen weg. Die Pandemie hat uns ja alle gezwungen, Dinge wegzulassen. Das hat mir gezeigt, dass ich zum Beispiel viel Pendelei und Geschäftsreisen weglassen kann. Wenn es ums Netzwerken geht, bleibt es ja oft dabei, irgendwelchen Leuten zufällig auf Konferenzen über den Weg zu laufen. Ich habe während der Pandemie mehr interessante Leute aus der ganzen Welt getroffen, als ich je könnte, wenn ich überall hinfliegen würde.

Im April 2021 erschien Klotz' neuestes Buch "Subtract: The Untapped Science of Less" (Flatiron Books, 304 Seiten, 17,46 Euro; E-Book: 19,49 Euro).

(grh)