Revolution oder Fehlschlag: Qualcomms Plan mit Chancen und Risiken

Die neue Snapdragon-Generation soll mit viel KI und neuen Funktionen am Markt einschlagen. Der Erfolg ist alles andere sicher, analysiert Steffen Herget.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht

Qualcomm-CEO Cristiano Amon

(Bild: c't Magazin/sht)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

In der vergangenen Woche hat Qualcomm seine neue Prozessorgeneration vorgestellt, und zwar sowohl für Smartphones und Tablets als auch für Windows-Notebooks und sogar Kopfhörer und Lautsprecher. Neben den üblichen Leistungssteigerungen – höher, schneller, weiter kommt ja nie aus der Mode – hat sich als verbindendes Element klar die Künstliche Intelligenz herauskristallisiert, und sie zieht um. Statt in der Cloud finden die Berechnungen immer öfter direkt auf den Geräten lokal statt, ganz ohne Internetverbindung.

Eine Analyse von Steffen Herget

Steffen Herget schreibt für c't und heise online über Smartphones, Tablets und Gadgets aller Art. Hängt er nicht vor dem Bildschirm, sitzt er auf dem Rad, geht zu Fuß oder liest ein Buch – ganz analog.

Dass die Mobilprozessoren verstärkt in der Lage sind, komplizierte KI-Modelle ohne Zuarbeit von Großrechnern zu berechnen, hat das Potenzial, die Nutzung der Geräte zu verändern. Bildgestaltung mit StableDiffusion oder Videobearbeitung mit allen möglichen Helferlein ist dabei nur ein Aspekt, wichtiger soll der digitale und ganz persönliche KI-Assistent werden, mit dem man per Sprache, Gesten oder Text interagiert. Wenn dieser eigene Sprachassistent nicht immer wieder übers Internet Informationen einholen und Datenbanken anzapfen muss, kann er im Idealfall schneller und persönlicher werden und sich mit der Zeit immer stärker an seinen Besitzer anpassen. Bleiben tatsächlich alle Daten für diese Funktionen auf dem Gerät, wie es Qualcomm verspricht, steigt dabei idealerweise auch noch der Schutz der privaten Daten – was nicht übers Netz geschickt und in der Cloud gespeichert wird, lässt sich schwerer anzapfen.

Allerdings sorgt so ein lokal gespeicherter, persönlicher Assistent auch für mögliche Probleme. Wie verhält es sich etwa im Zusammenspiel mit mehreren Geräten? Muss ich meine KI auf dem Smartphone trainieren und zusätzlich noch die auf dem Laptop, weil beide ja das jeweilige Gerät nicht verlassen? Und was passiert, wenn ich mein Smartphone wechseln möchte? Dann bräuchte es einen digitalen Umzugshelfer, damit ich nicht wieder von vorne beginnen muss. Handfeste Antworten auf diese Fragen waren Qualcomm auf dem Snapdragon Summit nicht zu entlocken.

Der Chiphersteller ist in diesem und anderen Punkten zudem auf die Mithilfe seiner Hardwarepartner angewiesen, denn die müssen die vom Prozessor bereitgestellten Funktionen schließlich implementieren. Je zentraler diese werden, desto mehr ketten sich Lenovo, Samsung und Co. dann aber auch an Qualcomm und seine Chips, denn würde man auf eine andere Architektur wechseln, wäre die angepasste KI schließlich futsch und die eigenen Geräte um interessante Funktionen ärmer. Am Ende könnte so doch nur ein weiterer Walled Garden wie das Apple-Universum entstehen, wenn auch auf Chiplevel und über Herstellergrenzen hinweg.

Es wird natürlich dauern, bis die neuen Chips überhaupt in genügend Händen der Kundschaft ankommen. Der Snapdragon X Elite etwa, der in Notebooks zum Einsatz kommt, wird seine Premiere in den Läden erst Mitte 2024 feiern. Viel Zeit also für andere, den Ideen von Qualcomm eigene Lösungen entgegenzustellen.

Zudem bleibt die Frage, ob Windows on Arm mit dem X Elite und der neuen Oryon-CPU endlich Wasser unter den Kiel bekommt und Fahrt aufnimmt. Auch den letzten Notebookprozessor, den Snapdragon 8cx Gen 3, hatte Qualcomm vor zwei Jahren mit großen Hoffnungen präsentiert und wurde am Ende bitter enttäuscht. Nur Lenovo, Samsung und Microsoft haben ihn in eine Handvoll Modelle eingebaut, Microsoft sogar als leicht angepasste Variante ohne Snapdragon-Titel unter dem Namen SQ3.

Ob Notebooks mit Qualcomm-Prozessor auf dem Markt einschlagen, muss sich noch zeigen.

(Bild: c't Magazin/sht)

Zwar konnte Qualcomm auf dem Snapdragon Summit dieses Jahr eine weitaus längere Liste an Partner präsentieren, zu den oben genannten kommen noch Acer, Asus, Dell, HP, Honor und Xiaomi hinzu. Doch Papier ist geduldig und Sortimente groß, wie prominent der Snapdragon X Elite am Ende in den Läden auftauchen wird, ist noch längst nicht klar. Auf dem Papier hat der Prozessor viel zu bieten, doch das alleine reicht bekanntlich nicht. Wenn es mit dem Snapdragon X Elite nicht klappt, wäre das für Qualcomm und die Gerätekategorie ein massiver Rückschlag.

Selbst bei Smartphones hat Qualcomm viel Konkurrenz. Apple und Google bauen ihre SoCs lieber selbst, und auch Samsung wird aller Voraussicht nach mit dem Galaxy S24 in Europa wieder zum eigenen Exynos-Prozessor wechseln. Glaubt man aktuellen Gerüchten, wird ausschließlich das Topmodell S24 Ultra weltweit den Snapdragon 8 Gen 3 im Bauch tragen. Immerhin: Honor und Xiaomi haben bereits zur Präsentation des neuen Achters eigene High-End-Smartphones mit dem Chip angekündigt. So selbstverständlich, wie das klingt, ist selbst das nicht, denn im vor einigen Wochen in Deutschland eingeführten Xiaomi 13T und 13T Pro etwa steckt der Dimensity 9200 von Qualcomms Konkurrent Mediatek, der global betrachtet sogar etwas mehr Marktanteil besitzt. Die Analysten von Counterpoint sehen Mediatek bei 30, Qualcomm bei 29 Prozent, was die Zahl der gelieferten Chips betrifft.

So spannend Qualcomms Vision mit der neuen Snapdragon-Generation auch ist: Ob der Plan unter dem Strich aufgeht, ist längst nicht sicher.

(sht)