Roboter im Alltag: Der Sklave

Seite 3: Mit Sklaverei zum Wohlstand

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Es sei daran erinnert, dass Arbeit nicht zur anthropologischen Grundausstattung gehört, sondern eine relativ junge Erfindung ist: Sie trat in unser Leben, als die ersten Menschen nach dem Ende der letzten Eiszeit begannen, Landwirtschaft und Viehzucht zu betreiben und sich in dauerhaften Siedlungen niederzulassen. Das Paradies der Jäger und Sammler, das Nahrung und andere Ressourcen in Hülle und Fülle bereithielt, ging damit verloren. Nunmehr galt es, das Brot im Schweiße des Angesichts zu essen.

Zugleich entwickelte sich aber auch ein anderes Geschäftsmodell: Statt Arbeit in Anbau, Ernte und Lagerung von Nahrung zu stecken, konnte man sich im Gebrauch von Waffen üben und den Bauern die Ernte wie auch andere nützliche Dinge einfach rauben. Mit der Sesshaftigkeit breitete sich auch der Krieg unaufhaltsam aus, wobei europäische Herrscher als Superspreader mitwirkten. Zeuske attestiert dem mittelalterlichen Europa einen hohen Gewaltpegel, der sich durch die atlantische Expansion weltweit verbreitet habe. "In der politischen und demografischen Zerstörung eigenständiger Imperien und Gesellschaften in der Neuen Welt scheint die alles durchdringende Gewalt einen neuen globalen Höhepunkt gefunden zu haben", stellt er fest. Parallel zu dieser Gewaltgeschichte verlaufe "die Geschichte der Individualisierung des 'Selbst', der Klassenbildungen und der Globalisierung der europäischen Konsumtion (…), was wiederum aufs engste mit dem Nutzen außereuropäischer Massensklavereien zur Produktion von Luxus zu tun hat".

Die Erkenntnis tut weh und verstört, aber es führt kein Weg daran vorbei: Der Wohlstand Europas beruht auf jahrhundertelang währender Sklavenarbeit. "Diskursstrategien des Schweigens", wie Zeuske es nennt, und verschleiernde Begrifflichkeiten wie "Knechtschaft", "Leibeigenschaft" oder "Zwangsarbeit" haben diese Zusammenhänge lange Zeit aus dem kollektiven Bewusstsein ausgeblendet. Doch die erstarkte "Black Lives Matter"-Bewegung wie auch Diskussionen über die Rückgabe kolonialer Beutekunst haben die Aufmerksamkeit jetzt wieder stärker auf die blutigen Wurzeln unserer Kultur gelenkt.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit eine Arbeitsorganisation wie die Sklaverei, die als verwerflich erkannt wurde, nur deshalb akzeptabel wird, weil sie aus der sozialen in die technische Sphäre verschoben wird. Lässt sich die Erblast der Sklavenarbeit wirklich so einfach abwerfen, indem sie an Maschinen delegiert wird? Müssten wir nicht intensiver darüber nachdenken, wie viel Versklavung im Konzept der Arbeit selbst steckt, einem Konzept, das vor etwa 10.000 Jahren entstanden ist und das auch wieder überwunden werden kann – womöglich mit der Hilfe intelligenter Roboter?

In der Robotik und Computertechnik generell ist häufig von Master-Slave-Architekturen die Rede. Im Zuge antirassistischer Proteste ist jetzt wieder verstärkt die Forderung erhoben worden, diesen Begriff nicht mehr zu verwenden. Aber damit wäre nichts gewonnen, im Gegenteil: Es gäbe lediglich einen Stachel weniger, der historische Verdrängungsprozesse stören könnte. Eine schönere Zukunft erreichen wir schneller und sicherer, wenn wir die hässliche Vergangenheit im Blick behalten. Und was spricht eigentlich dagegen, Roboter schon heute, auch wenn sie es vielleicht noch gar nicht zu würdigen wissen, mit Respekt zu behandeln?

(olb)