Schule digital: Der Digitalpakt – ein weiteres deutsches Digitalversagen?

Seite 3: Was gut aufgestellte Träger jetzt gerade erleben

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Nun ist die Lage in der Realität trotz der Herausforderungen nicht ganz so hoffnungslos. Es gibt durchaus Träger, die früh erkannt haben, dass die Digitalisierung ein wichtiger Standortfaktor einer Region ist. Schulen nehmen dabei für die regionale Entwicklung eine zentrale Rolle ein.

Ein gut aufgestellter Träger hat sich beraten lassen oder gar eine externe Agentur beauftragt, einen Medienentwicklungsplan für die Gemeinde in Kooperation mit seinen Schulen zu entwickeln. Er hat sich in der Anfangszeit des Digitalpakts zunächst um die Infrastruktur einer Schule gekümmert. Er hat die vorhandene Netzwerk- und Elektroverkabelung erfasst und gemeinsam mit einem Fachplanungsbüro neu ausgeschrieben. Dieser Vorgang dauert Zeit. Er ist wesentlich aufwändiger als die Beschaffung digitaler Tafeln oder Tablets, die ohne geeignete Infrastruktur nicht nutzbar sind. Ein gut aufgestellter Träger hat sich frühzeitig um die Einstellung versierter Fachkräfte für den Support gekümmert.

Selbst wenn der gut aufgestellte Träger darin sehr schnell war, musste er dennoch viel Energie in die Vernetzung aller Beteiligten stecken, Schulen, Schulamt, Bauamt und ggf. Externe haben sich im Idealfall abgestimmt. Zusätzlich ist irgendwann die Pandemie "dazwischen gekommen". Der Schulträger musste Stellungnahmen zu Entwurfsfassungen zu Förderprogrammen abgeben, die akute Not an seinen Schulen lindern, die im Fernunterricht auf einmal ganz andere Erfordernisse hatten. Er musste teilweise in finanzielle Vorleistung gehen und darauf vertrauen, einen Teil seiner Auslagen durch irgendeine Zusatzvereinbarung zum Digitalpakt gegenfinanzieren zu können. Der Digitalpakt selbst und die damit vorhandenen Prozesse – wie der Mittelabruf – konnten dabei durchaus für eine Weile aus dem Fokus geraten.

All diese Aufgaben können sich bei kleinen Gemeinden im Extremfall auf eine einzelne Person konzentrieren. In einigen Fällen war ein Träger der Komplexität dieser Aufgaben nicht gewachsen, so dass Fördergelder gar nicht erst beantragt wurden. Deren Schulen hatten das Nachsehen – teilweise sogar beim verhältnismäßig unkomplizierten Sofortausstattungsprogramm. In Niedersachsen gab es eine zweite Verteilungsrunde mit Geldern, die aus dieser Zusatzvereinbarung nicht abgerufen worden sind.

Die Besonderheit am Digitalpakt besteht darin, dass die Auszahlung von Fördermitteln nicht allein von den Trägern abhängt. Hintergrund sind Erfahrungen mit vorangehenden "kommunalen Investitionspaketen" der Länder. Die Mittel flossen damals vorwiegend in Geräte, die vor Jahren den digitalen Wandeln in Schulen öffentlichkeitswirksam markierten: Zumeist interaktive Tafelsysteme auf Beamerbasis. Die Beschaffung konnten Schulträger selbstständig veranlassen. Der Nutzen für den Unterricht erwies sich oftmals auch wegen fehlender Vorbildungsangebote als gering. Technisch war diese erste Generation von digitalen Tafeln nicht besonders ausgereift.

Das ist im Kontext des Digitalpakts anders. Die Auszahlung der Mittel wird in den Förderrichtlinien davon abhängig gemacht, dass Schulen didaktisch-methodische Konzepte zum Einsatz der digitalen Technik im Unterricht erarbeiten. Je nach Bundesland tragen diese den Titel "Medienkonzept" oder "Medienbildungskonzept". Diese Konzepte müssen zu unterschiedlichen Zeiten (bundeslandspezifisch) im Zuge der Umsetzung einer Maßnahme vorliegen und durchlaufen dann eine inhaltliche Prüfung. Fallen die Konzepte "durch", können schlimmstenfalls bereits geflossene Fördermittel zurückgefordert oder deren Auszahlung verweigert werden. Politisch ist der Druck allerdings hoch, dass die Mittel schnell abgerufen werden. Die journalistischen Anfragen zum Stand der Umsetzung des Digitalpakts häufen sich in den Ministerien. Dieses bedrohliche Szenario ist daher nur in Ausnahmefällen zu erwarten beziehungsweise wird dann wahrscheinlich Zeit zur Nachbesserung gewährt werden. Viele Träger fürchten aber eine derartige Entwicklung.

Die Konzepte der Schulen werden bereits für die digitale Infrastruktur erwartet. Wie aber soll eine Schule didaktisch-methodische Konzepte für eigentlich "pädagogikneutrale" Dinge wie eine Datenverkabelung oder ein flächendeckendes WLAN formulieren? Infrastruktur benötigt eine Schule schließlich für jeder denkbare Entwicklung im Bereich des Digitalen. Spannender werden diese Überlegungen tatsächlich erst für Endgeräte: Tablets oder Notebooks? Interaktive LED-Panels oder Beamerlösungen? Die kostenlose HPI-Schulcloud oder ein kommerzielles Angebot als Lernplattform?

Und wichtiger: Woher soll die Expertise für die Auswahl geeigneter Lösungen kommen? Woher die pädagogischen Ideen für die nachhaltige Implementierung von Medienkompetenzförderung an Schulen? Konzepte sind im schlimmsten Fall Papiere zur Erlangung der Fördermittel. Digitale Bildung ist letztlich das, was bei Schülerinnen und Schülern ankommt.

Die wenigsten Schulen können auf mehrjährige Erfahrungen in diesem Bereich zurückblicken – auch aufgrund der fehlenden Ausstattung. Und die Schulen, die es können, sind hin und wieder schon so gut ausgestattet, dass man schon etwas suchen muss, um eine sinnvolle Verwendung der Digitalpaktmittel für sie zu finden.

"Ohne Ausstattung keine Möglichkeit des Aufbaus digitaler Kompetenzen.

Ohne digitale Kompetenzen keine sinnvolle Auswahl von Ausstattung."

Die Anlage des Digitalpakts mit seinem Antragsverfahren ist also nur eine Ursache, warum Gelder nur schleppend an Schulen ankommen. Wenn man inhaltliche Ansprüche an Schulen und Kommunen bei der digitalen Ausstattung stellt, ist es nicht damit getan "irgendwas" erstmal möglichst schnell niederzuschreiben und dann zu beschaffen. Viele Räder müssen ineinandergreifen, viele Institutionen auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch kommen.