Smart, aber nicht smart genug

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Das alles kostet Zeit und Geld: Zwar sind die Kosten für Roboterarme seit 1990 um 60 Prozent gesunken, doch der Preis des Roboters macht als Faustregel nur etwa ein Viertel der Kosten für eine komplette Roboterzelle aus. Der Rest ent- fällt auf Bereitstellung, Positionierung und Abtransport des Materials sowie auf Energieversorgung und nicht zuletzt die Sicherheitsmaßnahmen. Denn wenn einer der bis zu 1500 Kilogramm schweren Arme, die sich mit Geschwindigkeiten von mehreren Metern pro Sekunde bewegen, außer Kontrolle gerät, sollte besser kein Mensch im Weg stehen. "Die Applikationen, die sich relativ leicht automatisieren lassen, sind in der Regel schon automatisiert", fasst Martin Hägele vom Fraunhofer Ipa zusammen. "Bei anderen Anwendungen, zum Beispiel bei schwankendem Durchsatz der zu bearbeitenden Werkstücke, kommen Roboter noch immer an ihre Grenzen – technisch und wirtschaftlich."

Gemeinsam mit seinen Kollegen hat Hägele, der seit über 20 Jahren an Robotern forscht, in den ver-gangenen fünf Jahren intensiv daran gear-beitet, dass sich diese Situation ändert: Im EU-Verbundprojekt SMErobot (Small and Medium Enterprises Robot) haben er und sein Team Roboter speziell für den Einsatz in kleinen und mittleren Produktionsprozessen gebaut. Diese neue Roboter-generation kann zumindest begrenzt direkt mit menschlichen Kollegen zusammenarbeiten.

Doch damit das funktioniert, müssen die Maschinen erst mal ihre Umgebung, zum Beispiel ein Werkstück, wahrnehmen können. 2006 waren laut IFR gera-de einmal zehn Prozent aller Industrieroboter mit Sensoren ausgestattet. Das Ausmessen von Konturen, das Erkennen von Objekten, die Führung von Greifern oder Werkzeugen anhand von Objektmerkmalen – und nicht zuletzt die präzise Dosierung von Kräften gehören bei Weitem noch nicht zu den Standardfähigkeiten. Was indes möglich ist, lässt sich beispielsweise in einer der Experimentierhallen des Fraunhofer Ipa begutachten: Auf einem Experimentierfeld steht eine hohe schwarze Metallkiste, in der kreuz und quer kiloschwere gusseiserne Wellen liegen. "So durcheinander abgelegt, wie sie aus der Schmiede kommen", sagt Hägele, stemmt eine Welle wie eine Hantel und lässt sie wieder in die Kiste hineinfallen.

Ein handelsüblicher Industrie-Laserscanner tastet die Kiste ab. Anschließend gleicht ein angeschlossener Computer die geometrischen Formen, die er aus den CAD-Daten der Wellen extrahiert hat, mit der Punktwolke des Scanners ab. Die Software auf dem Laptop steuert den ebenfalls handelsüblichen Roboterarm. Der fährt runter an die Kiste, zögert ganz kurz, wie um zu überlegen, fischt dann das massive Eisenstück leichthändig aus dem Behälter und legt es beinahe sanft auf einem Gestell ab. "Und das macht er immer wieder, bis die Kiste leer ist", sagt Hägele nicht ohne Stolz.

Auch für die Sicherheit ist gesorgt. Dazu legt die Robotersteuerung, für den Beobachter unsichtbar, eine Schutzzone um den Arm. Dringt ein Mensch oder eine Maschine in diesen Schutzbereich ein, wird der Arm automatisch langsamer, bis der Aktionsbereich wieder frei ist.

So weit, so sicher. Doch um im harten industriellen Einsatz zu bestehen, muss der Greifer hundertprozentig verlässlich arbeiten und wirklich jede einzelne Kiste komplett leeren. Eigentlich sollte das Projekt im Herbst 2009 bereits abgeschlossen sein. Aber noch immer kämpfen die Ipa-Mitarbeiter darum, der Maschine auch die letzten wenigen Aussetzer auszutreiben. Auch der Dialog zwischen Mensch und Maschine bleibt ein mühsames Geschäft. Zwar bieten einzelne Roboterhersteller mittlerweile Software an, mit deren Hilfe man dem Roboter einen bestimmten Bewegungsablauf von Hand vorgibt. Den fährt er dann später automatisch ab. "Noch besser wäre es aber, wenn der Roboter bereits eine Idee hätte, was man mit dem Werkstück machen kann", sagt Hägele. "Er müsste sagen: So ein Teil haben wir neulich schon mal bearbeitet, aber dieses hier ist fünf Zentimeter länger. Soll ich die Bohrung entsprechend weiter außen anbringen?"

Dafür jedoch benötigt der Roboter nicht nur einen Zugriff auf digitale Information von außen – CAD-Daten etwa oder Informationen über den Ablauf der Fertigung –, sondern auch so etwas wie ein strukturiertes Gedächtnis. Selbst aus möglicherweise lückenhaften oder gar inkonsistenten Daten muss der Roboter ein konsistentes und eindeutiges Steuerprogramm ableiten. Ein Ding der Unmöglichkeit? "Nicht, wenn der Roboter aus den Daten starke Hypothesen ableitet", sagt Hägele. Über einen "geführten Dialog" mit dem Werksmitarbeiter soll der Automat dann alle Zweideutigkeiten eliminieren. "Disambiguieren" nennt Hägele das.