Smart, aber nicht smart genug

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Noch stecke diese Integration in den Kinderschuhen, klagt DFKI-Forscher Kirchner. Viel zu lange habe man sich in der Robotik auf die maschinelle Bildverarbeitung konzentriert, nun fehle es an bezahlbaren taktilen Sensoren. Die dreifingrige Hand des Unternehmens Schunk Robotics etwa, die derzeit zum Besten zählt, was für Geld zu kaufen ist, verfügt über insgesamt 480 Messpunkte. Ein gewaltiger Fortschritt, doch ein einzelnes Exemplar dieser Hand kostet gut 40000 Euro. "Und ich habe allein in meiner Fingerkuppe mehr Sensoren als die komplette Hand", sagt Kirchner. Doch in spätestens fünf Jahren wollen Kirchner und sein Team das Problem gelöst haben: "Das haben wir ganz fest auf der Agenda."

Seinen Optimismus bezieht Kirchner jedoch nicht allein aus dem technischen Fortschritt bei der Hardware. Viel Hoffnung setzen er und eine wachsende Schar von KI-Experten auch auf die Natur als Vorbild: "Biologische Systeme nutzen jeden schmutzigen Trick, der möglich ist", erklärt Kirchner begeistert. Als Vorbild für Laufroboter, die autonom Mond oder Mars erkunden sollen, haben die Bremer Wissenschaftler zum Beispiel Skorpione gewählt. "Die haben nicht mal ein Gehirn, nur ein paar Zehntausend Neuronen", sagt Kirchner. "Aber damit können die nachts Beute fangen." Wie sie das machen, haben Biologen schon in den 1970er- Jahren erforscht: Die Bewegung der einzelnen Beine etwa wird nicht zentral in allen Einzelheiten gesteuert, sondern an Untersysteme delegiert: Ein zentraler "Mustergenerator" ist grundsätzlich für das Heben und Absetzen der Beine zuständig. Nur noch die konkrete Ausgestaltung der Bewegung – Geschwin- digkeit, Schrittweite und so weiter – wird von der zentralen Steuerung vorgegeben.

Die Adaption dieses Systems an Bewegungen bei Robotern hat Kirchner und seinem Team recht gegeben: Ihr Skorpion ist eine der schnellsten Laufmaschinen der Welt. "Nur ein paar Tausend Zeilen Code, und das Ding läuft stabil", versichert der KI-Experte. "Wenn Sie das mit einer herkömmlichen Steuerung machen, brauchen Sie Millionen von Zeilen, und es funktioniert doch nicht richtig." Aber der Erfolg hat seinen Preis: Schnelligkeit und Stabilität gehen auf Kosten der Präzision – und der Kontrollierbarkeit. "Wenn ich das Ding loslaufen lasse, kommt es zwar über jedes Hindernis, aber ich weiß nicht, in welchem Winkel zur Tür es dann genau stehen wird", räumt Kirchner ein. "Das ist für Ingenieure, die normalerweise immer alles genau kontrollieren wollen, ein echter Kulturbruch." (wst)