Software-Supermarkt für Quantenrechner

Ein Start-up arbeitet an Algorithmen, mit denen Firmen testen können, wie Quantencomputer ihnen bei der Arbeit helfen könnten.

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Von
  • Martin Giles
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Im Bereich der Quantenrechner sind es nicht nur die Computer selbst, die hoch komplex zu entwickeln sind. Auch die passende Software – und hier insbesondere die für die Technik vorbereiteten Algorithmen – stellt ein kompliziertes Problem dar, sonst lassen sich die vielen Vorteile erst gar nicht nutzen.

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Alan Aspuru-Guzik hat im universitären Umfeld einen hervorragenden Ruf, was das Programmieren von Quantenalgorithmen anbetrifft. Der Harvard-Professor, der derzeit an die University of Toronto umzieht, plant nun, die von ihm geschaffene Software zusammen mit anderen Quantenprodukten einem breiteren Markt zur Verfügung zu stellen. Dafür hat er zusammen mit weiteren Mitstreitern das Start-up Zapata Computing gegründet, das bereits 5,4 Millionen US-Dollar an Investitionsmitteln eingesammelt hat.

Das große Ziel der jungen Firma ist der Aufbau einer Art Supermarkt für Quantensoftware, wie man es im Mobilbereich etwa von Apples App Store kennt. Dort sollen Unternehmenskunden eine ganze Reihe fertiger Programme erhalten können, die die enorme Leistungsfähigkeit erschließen, die Quantencomputer künftig bieten sollen.

Da das Feld der Quantenrechner noch so neu ist, gibt es nur eine vergleichsweise geringe Anzahl an Experten, die die fortschrittlichen Programme schreiben können, die auf den Geräten laufen. Zapata plant daher, Firmen die Nutzung der Technik zu ermöglichen, ohne dass diese einen eigenen Quantenrechnerexperten beschäftigen müssen.

Quantencomputer gelten deshalb als so spannend, weil sie nicht mehr mit digitalen Bits rechnen, die jeweils entweder 1 oder 0 repräsentieren, sondern mit sogenannten Qubits, die beide Stadien annehmen können – im Rahmen eines Phänomens, dass sich Superposition nennt, eine Überlagerung mehrerer physikalischer Größen also. Eine weitere fast mystische Qualität dieser Maschinen ist die sogenannte Quantenverschränkung, bei der sich Qubits auch dann beeinflussen können, wenn sie physisch gar nicht miteinander in Verbindung stehen.

Zusätzliche Qubits erlauben zudem ein exponentielles Wachstum der Rechenleistung von Quantenrechnern, die bald selbst die schnellsten Supercomputer aller Zeiten überholen könnten – zumindest bei einer eingeschränkten Reihe von Aufgaben. Das wäre die gute Nachricht. Die schlechte: Qubits neigen dazu, ihr sensibles Quantenstadium nur für wenige Millisekunden zu erhalten. Veränderungen bei der Temperatur oder die geringste Vibration kann sie stören und das führt dann zu problematischen Berechnungsfehlern.

Genau hier greifen die Quantenalgorithmen. Sie lassen spezifische Berechnungen auf einer Quantenmaschine so schnell und effizient wie möglich ablaufen, gleichzeitig aber auch Fehler vermeiden. "Das ist so, wie wenn man eine Gitarre stimmt", sagt Aspuru-Guzik. "Genauso wie man die Saiten einstellt, damit das Instrument harmonisch klingt, können wir mit verschiedenen Parametern arbeiten, bis der Quantenschaltkreis für eine bestimmte Anwendung "gestimmt" ist."

Zapata hat bereits eine exklusive Lizenz mit der Harvard University ausgehandelt, um die Algorithmen nutzen zu können, die Aspuru-Guzik und sein Team dort entwickelt haben. Das Ziel der Firma, so Zapata-CEO Chris Savoie, sei es, Algorithmen für eine ganze Reihe von Rechnern zu entwickeln. Aspuru-Guzik und sein Team haben bereits mit großen Hardwareherstellern wie IBM und Google gearbeitet, aber auch mit kleineren Firmen wie Rigetti Computing und IonQ. Diese Firmen arbeiten an ihren eigenen Algorithmen, doch die Branche glaubt, dass mehr Software-Innovationen den ganzen noch kleinen Markt beflügeln könnte. "Hier wollen wir viele verschiedene Ideen sehen, die unsere Branche ausfüllen", so Jerry Chow, der den experimentellen Quantenrechner-Bereich von IBM führt.

Sollte die Strategie aufgehen, könnte Zapata selbst bald über einen guten Überblick verfügen, wie verschiedene Anwendungen auf einer ganzen Reihe unterschiedlichen Quantenrechnern arbeiten. Das wäre ein großer Marktvorteil. Gleichzeitig ist es aber noch unklar, ob Quantencomputer wirklich einen so großen Unterschied ausmachen – zumindest in einigen Bereichen. Dazu gehört etwa das maschinelle Lernen, eine wichtige Grundlage der Künstlichen Intelligenz. Hier gibt es allerdings erste positive Anzeichen. Klar ist aber auch, dass die Entwicklung der Technik noch länger dauern wird.

Auf kurze Sicht plant Zapata nun, sich auf Algorithmen in den Bereichen Chemie und Materialwissenschaften zu konzentrieren. Aspuru-Guzik war unter anderem ein Pionier bei Verfahren, mit denen sich Moleküle modellieren lassen, was auf herkömmlichen Supercomputern bislang sehr schwer ist. Er hofft, solche Simulationen könnten auf Quantenrechnern enorm beschleunigt werden, was wiederum zu Durchbrüchen etwa im Design effizienterer Akkus oder der Herstellung neuer Leuchtmoleküle für Bildschirme führen könnte. Ein Team bei IBM hat bereits einen Quantenrechner verwendet, um ein sehr kleines Molekül aus nur drei Atomen zu modellieren. Quantenschaltkreise könnten in Kombination mit mehreren, gegeneinander antretenden neuronalen Netzwerken agieren, um hier tätig zu werden und ganz neue Möglichkeiten zu bieten.

Die Geldgeber hinter Zapata, darunter Pillar VC und ein Fonds des MIT, The Engine, der in Firmen investiert, die schwere technische Probleme angehen wollen, hoffen, dass sich der gesamte Markt verbreitert. Gleichzeitig gehen sie davon aus, dass es weiterhin schwer sein wird, genügend Experten auf dem freien Markt zu finden, was Zapata Vorteile verschaffen würde. Reed Sturtevant von The Engine sagt, dass er weltweit derzeit "weniger als 100" solcher Wissenschaftler kennt. Aspuru-Guzik und vier frühere Mitglieder seiner Forschergruppe, die mit ihm zu Zapata gehen, gehörten dazu. Und das verspricht Profit.

(bsc)