Steaks aus der Retorte

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In einem ähnlichen Maßstab sieht das Jason Matheny, Doktorand an der Universität von Maryland: „Mit einer einzelnen Zelle könnte man theoretisch die weltweite jährliche Nachfrage nach Fleisch decken.“ Denn rein rechnerisch stünde nach 50 Zellverdopplungen bereits mehr als eine Tonne Fleisch zur Verfügung, auch wenn eine einzelne Zelle nur ein Nanogramm wiegt.

Das Potenzial zur ressourcensparenden Fleischherstellung scheint das Verfahren allemal zu besitzen. „Für die Produktion von 100 Gramm Rindfleisch werden an die 7000 Liter Wasser benötigt“, gibt Haagsman zu bedenken. „Wenn wir hingegen das Fleisch im Labor herstellen, ist das viel effizienter.“ Offen allerdings ist noch die Frage, ob von den im Labor gewachsenen Fleischstücken Gesundheitsrisiken ausgehen. Für die Forscher – kaum überraschend – ist die Antwort klar: „Unser Produkt wäre sogar gesünder“, behauptet Carlijn Bouten. „Die Wachstumsumgebung lässt sich leicht steril halten, sodass es zu keinen Problemen mit Viren und Bakterien kommt.“ Für die Zukunft sehen die Forscher sogar die Möglichkeit, durch Ergänzung von Vitaminen, Mineralstoffen und der Kontrolle des Fettgehalts das Fleisch auf bestimmte Ernährungsprofile maßzuschneidern.

Bis das Verfahren allerdings im industriellen Maßstab einsetzbar ist, gilt es noch, einige Probleme im Detail zu lösen. So stellt sich beispielsweise ab einem bestimmten Volumen die Frage, wie sich der Zellhaufen auch im Inneren noch mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgen lässt. Zwar kann man trivialerweise Muskelgewebe in einer geeigneten Nährlösung züchten, wie es Forschern in einer von der NASA finanzierten Untersuchung zur Ernährung von Astronauten auf Langstreckenflügen mit Zellgewebe von Goldfischen gelungen ist. Doch dabei sterben die inneren Zellen, weil die Nährstoffe sie nicht mehr erreichen.

„Ein schmutziges Küchenexperiment“, kommentiert Veterinärmediziner Haagsman das Verfahren der NASA. Die Holländer überlegen, die Kulturen stattdessen in dünnen Schichten auf essbaren Gerüsten wachsen zu lassen, die man für das fertige Fleischprodukt übereinander stapeln könnte.

Allerdings räumt auch Haagsman ein, dass die Forscher noch einen langen Weg vor sich haben. Selbst wenn der Prototyp 2012 vorliegen sollte: Von der Qualität eines Schnitzels wäre dieses Fleischstück noch weit entfernt. Es würde ihm an langen Fasern mangeln und an anderen Zelltypen, zum Beispiel Fettzellen, die als Geschmacksträger wirken.

Bei der Frage, wie sie den Konsumenten das Produkt schmackhaft machen wollen, verweisen die Forscher an ihren Partner aus der Industrie: den holländischen Fleischhersteller Stegeman. Der wird es nicht leicht haben: In einer von der EU-Kommission Anfang 2005 durchgeführten Studie haben 54 Prozent der befragten Bürger Fleisch aus Zellkulturen abgelehnt und nur 36 Prozent dem Verfahren in Ausnahmefällen zugestimmt. „Wir sehen aber in der EU und den USA eine wachsende Nachfrage nach gesunden und schmackhaften Nahrungsprodukten, die gleichzeitig die Vielfalt der Ernährung vergrößern“, macht sich Jos Glansbeek, Projektsprecher von Stegeman, selbst Mut. „Uns geht es darum, die Bedürfnisse der Konsumenten zu verstehen und sie davon zu überzeugen, dass sie ein reines Fleischprodukt haben können, das die Nachteile der herkömmlichen Fleischproduktion vermeidet.“ (wst)