Was hindert Bitcoin am Proof-of-Stake? Bei Ethereum klappt's doch

Ethereum ist auf ein deutlich umweltfreundlicheres Blockchain-Verfahren umgestiegen. Das zeigt: Es gibt auch für Bitcoin keine Hindernisse.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 354 Kommentare lesen
Diverse Münzen mit Kryptowährungs-Logos; im Hingtergrund eine Hand, die ein großes Smartphone hält.

(Bild: Chinnapong / Shutterstock.com)

Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Amy Castor
Inhaltsverzeichnis

2022 wurde Ethereum endlich "grün". Die zweitpopulärste Kryptowährung des Planeten stellte auf das Proof-of-Stake-Verfahren um, ein energieeffizientes Framework zum Hinzufügen neuer Transaktionsblöcke, NFTs und anderer Informationen zur Blockchain. Als Ethereum das Upgrade, bekannt als "The Merge", im September abschloss, reduzierte es den direkten Energieverbrauch Schätzungen zufolge um 99 Prozent. Was bei Ethereum geklappt hat, könnte auch ein Weg bei Bitcoin sein. Denn die Energiebilanz sieht bei dieser Kryptowährung verheerend aus. Sie verbraucht weiterhin so viel Energie wie das gesamte Land der Philippinen.

Das Bitcoin-Mining, jener rechenintensive Prozess, bei dem neue Coins (oder Coin-Anteile) erzeugt und in der Blockchain verbucht werden, ist zu einem globalen Ökoproblem geworden. Nachdem China Mitte 2021 rigoros gegen Kryptogeldschürfer vorgegangen war, suchten die Miner nach anderen Regionen der Welt, in denen die Lage sicherer und die Energie zwar billig, aber nicht immer sauber war.

In Ländern wie Kasachstan setzten ganze Horden von Bitcoin-Profis das Stromnetz unter Druck, Das ist in hohem Maße auf CO2-intensive Kohlekraftwerke angewiesen ist. Der zusätzliche Verbrauch führte wahrscheinlich zu lokalen Stromausfällen und trug damit wohl sogar zu Unruhen bei. Im US-Bundesstaat New York, wo Miner stillgelegte Fabriken und leere Lagerhäuser übernommen haben, beschweren sich die Anwohner über steigende Energierechnungen und das hochfrequente Heulen der Ventilatoren von Rechenzentren – und sind besorgt über den ökologischen Tribut, den die Kryptowährung fordert. In den USA werden derzeit 38 Prozent aller Bitcoin-Schürfvorgänge durchgeführt.

Schätzungen nach verbraucht das Bitcoin-Netzwerk aktuell rund 87 TWh pro Jahr an Strom. Muss das wirklich so sein? Die Bitcoin-Community hat sich in der Vergangenheit heftig gegen Veränderungen gewehrt, doch der Druck von Regulierungsbehörden und Umweltschützern, die der massive CO2-Fußabdruck von Bitcoin sauer aufstößt, könnte sie dazu zwingen, ihre Haltung zu überdenken.

Eine Reihe von weiteren Ländern, darunter Kasachstan, Iran und Singapur, haben nach China ebenfalls Grenzen für das Krypto-Mining gesetzt. Im April 2023 könnte das Europäische Parlament ein bahnbrechendes Krypto-Gesetz namens "Markets in Crypto Assets" (MiCA) verabschieden, das von Krypto-Firmen die Offenlegung ihrer Umweltbelastungsdaten verlangt. Die Regelung könnte schon 2024 in Kraft treten.

Das könnte nur der Anfang sein: Die Europäische Zentralbank hat zuvor erklärt, dass sie sich keine Welt vorstellen kann, in der Regierungen benzinbetriebene Autos zugunsten von Elektrofahrzeugen verbieten, aber nicht gegen den Bitcoin-CO2-Ausstoß vorgehen würden. "Einige Mitglieder des Europäischen Parlaments fragen sich bereits, warum Bitcoin nicht Ethereum folgt", sagte Alex de Vries, Datenwissenschaftler hinter der Plattform Digiconomist, die den Energieverbrauch von Kryptowährungen verfolgt, gegenüber MIT Technology Review.

Auch in den USA gewinnen die Bemühungen, gegen die Energieverschwendung durch Bitcoin vorzugehen, an Fahrt. Im November wurde New York der erste US-Bundesstaat, der ein vorübergehendes Verbot für neue Genehmigungen für das Mining von Kryptowährungen mit Kraftwerken erließ, die fossile Energieträger nutzen. Das neue Gesetz sieht außerdem vor, dass New York die Auswirkungen des Krypto-Minings auf die Bemühungen des Staates zur Reduzierung seiner Treibhausgasemissionen untersucht.

Kryptowährungen verfügen über keine zentralen Marktwächter wie die Banken – und auch nicht über zentrale Einrichtungen, die die öffentlichen Bücher überwachen. Stattdessen verlassen sich die Bitcoin-Teilnehmer auf Konsensmechanismen, um sich auf Aktualisierungen der gemeinsamen digitalen Aufzeichnungen jeder Transaktion in der Blockchain zu einigen.

Beim Proof-of-Work-Verfahren, auf das sich Bitcoin stützt, gibt ein weltweites Netzwerk von Computern aus Minern praktisch Strom dafür aus, um an einer Art Lotterie teilzunehmen. Wer "gewinnt", darf den nächsten Block anhängen und dabei neue Bitcoins sammeln. Die Gewinnchancen stehen in direktem Verhältnis zu der Anzahl der – prinzipiell sinnfreien – Berechnungen, die ein Miner durchführen kann. Infolgedessen sind rund um den Globus riesige Serverfarmen entstanden, die sich ausschließlich dem Gewinn der Bitcoin-Lotterie widmen. Konnte man einst Bitcoins mit einem lahmen Heimcomputer minen, braucht man dafür nun gigantische Rechenkapazitäten.

Der Proof-of-Stake-Ansatz, den Ethereum jetzt verwendet, macht Schluss mit diesem massiven Energieverbrauch. Anstelle von Minern werden bei Proof-of-Stake-Systemen Unmengen von "Validatoren" eingesetzt. Um ein Validator zu werden, muss man einen bestimmten Betrag in Münzen – im Falle von Ethereum sind es 32 Ether – einzahlen oder "einsetzen". Der Einsatz gibt den Validatoren die Möglichkeit, neue Transaktionsblöcke zu prüfen und zur Blockchain hinzuzufügen, so dass sie zusätzlich zu ihren eingesetzten Münzen "Belohnungen" verdienen können. Je mehr Münzen man einsetzt, desto größer sind die Chancen, dass man ausgewählt wird, um den nächsten Transaktionsblock zur Blockchain hinzuzufügen.