Stürmer aus Stahl

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In der Simulationsliga sind Pässe, sogar Doppelpässe bereits gang und gäbe. Bei den realen Robotern besteht die Kooperation der Spieler dagegen noch vornehmlich darin, sich nicht gegenseitig im Weg zu stehen. Auf dem Weg zum Fernziel des RoboCups wird es zunehmend zum Austausch zwischen den verschiedenen Ligen und teilweise auch zu ihrem Zusammenwachsen kommen müssen: Die realen Roboter lernen von der Simulation das Teamspiel, während die virtuellen Spieler immer realitätsnäher werden. Bei der diesjährigen Robo-WM etwa soll in der Simulationsliga erstmals die dritte Dimension eingeführt werden: Die Spieler, die bisher flache Scheiben waren, werden zunächst als Kugeln simuliert und sollen in Zukunft nach und nach menschenähnliche Gliedmaßen bekommen. Auch die Schwerkraft wird jetzt in der Simulation berücksichtigt, sodass realistische dreidimensionale Flugbahnen des Balls berechnet werden können.

Ein weiterer Meilenstein, der bei den mittelgroßen Robotern in naher Zukunft angepeilt wird, ist der Ersatz des bisher verwendeten orangefarbenen Balls durch einen normalen schwarzweiß gemusterten Fußball. Das wird eine Bewährungsprobe für die Bildverarbeitungssysteme. Denn die rasche und zuverlässige Identifizierung von Mustern ist komplizierter als die Farberkennung.

Im Vergleich zu den anderen Hürden, die es auf dem Weg zum Endspiel 2050 noch zu bewältigen gilt, sind das jedoch Kinkerlitzchen. Humanoide Roboter, die beim Laufen und Springen mit Menschen mithalten sollen, werden sich nicht mehr mit Elektromotoren, Getrieben und Seilzügen betreiben lassen. Hierfür sind grundlegend neue, mit künstlichen Muskeln ausgestattete Aktuatoren erforderlich. Roboter, die von der Fifa zugelassen werden sollen, dürfen auch keine zentnerschweren metallenen Ungetüme sein. Sie müssen über eine weiche, nachgiebige Oberfläche verfügen.

Völlig offen ist bislang zudem, woher sie die Energie für ein bis zu 120 Minuten dauerndes Spiel beziehen sollen. Gegenwärtig werden sie mit gewöhnlichen Nickel-Cadmium- oder auch Blei-Akkus gespeist. Für die Roboter der Zukunft denken Experten an stark verbesserte Brennstoffzellen oder an "etwas noch Futuristischeres", sagt Kitano.

Ein spannender Aspekt bei der Steuerung der Roboter ist die Bedeutung von Emotionen. Brauchen Kickmaschinen so etwas wie Torinstinkt, oder ist es für sie ein Vorteil, völlig emotionslos zu spielen? Beim Menschen können Emotionen eine Quelle der Verunsicherung sein und zugleich eine ungemein effektive Form der Informationsverarbeitung, eine Art Abkürzung im Gehirn. Roboter können nicht auf jene Kraftreserven zurückgreifen, die durch Begeisterungsfähigkeit mobilisierbar sind. Ob sich das allein durch schnellere Prozessoren ausgleichen lässt, wie Kitano vermutet, muss sich erst zeigen.

Vorläufig lernen beim Fußball die Roboter von den Menschen. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis in der umgekehrten Richtung ebenfalls Lernprozesse ablaufen werden. So wird vielleicht schon bei der WM 2006 ein neuartiges Ortungssystem zum Einsatz kommen, bei dem die Schienbeinschoner der Spieler und der Ball mit Sendern ausgestattet sind, die eine zentimetergenaue Positionsbestimmung erlauben. Das im Auftrag der Karlsbader Cairos AG entwickelte System ist in erster Linie zur Unterstützung des Schiedsrichters gedacht, der dadurch genau weiß, wann der Ball etwa die Torlinie überquert hat. Quasi nebenbei erhält man so aber auch die Bewegungsdaten eines Spiels in digitaler Form. Mit den Daten könnten Software-Agenten gefüttert werden, die die Partie nachträglich noch einmal durchspielen und unterschiedliche Spieltaktiken erproben. Gewiss werden solche, auf RoboCup-Technologie gestützte Computeranalysen beim Spitzenfußball bald so selbstverständlich werden, wie sie es bei der Leichtathletik heute bereits sind.

Wenn dann eines Tages auch die humanoiden Roboter so weit sind, dass sie auf dem Rasen gegen Menschen antreten können, werden sie vielleicht tatsächlich "Roboterfußball" spielen: diszipliniert, effektiv, präzise - aber nicht langweilig. Ihre Gegner aus Fleisch und Blut werden gut beraten sein, ihnen nicht in gleicher Weise zu antworten, sondern sich auf spezifisch menschliche Qualitäten zu besinnen: Fantasie, Intuition, Spielfreude. Die Maschinen könnten so den Sport befreien. Es lebe der Roboterfußball! (sma)