TR Online 2011: Von spritsparenden Schwungrädern, bionischen Kabinettstückchen und streitenden Internet-Expertinnen

Der zweite Teil der Technology-Review-Online-Jahresrückschau – von Juli bis Dezember. Welche Beiträge haben die Leser 2011 am häufigsten angeklickt?

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Inhaltsverzeichnis

Der zweite Teil der Technology-Review-Online-Jahresrückschau – von Juli bis Dezember. Welche Beiträge haben die Leser 2011 am häufigsten angeklickt?

Online zu veröffentlichen hat einen wesentlichen Vorteil gegenüber anderen Mediengattungen: Man kann sehr direkt messen, welche Themen die meisten Leser interessieren. Wir haben für Sie in unser Redaktionssystem geschaut und die zwölf am häufigsten abgerufenen Beiträge des Jahres 2011 von Januar bis Dezember zusammengetragen.

In der Rangliste der Popularität ganz oben finden sich diesmal sechs Beiträge zum Thema Energie, drei Artikel zum Thema Transportsysteme, zwei Artikel zum Thema IT und ein Text aus dem Themenbereich Medizin. Insgesamt also eine runde Mischung, wie wir finden. Viel Spaß bei diesem Rückblick auf TR Online 2011, der zwei Teile hat: Am Dienstag beschäftigen wir uns mit den Monaten Januar bis Juni, am Mittwoch mit den Monaten Juli bis Dezember.

Schwungvolle Energie

Die Autohersteller Volvo und Jaguar arbeiten an Hybriden, bei denen Schwungräder statt Batterien als Energiespeicher dienen sollen. Die Technik könnte den Spritverbrauch um bis zu 20 Prozent senken, hoffen die Ingenieure. Gleichzeitig sollen die Kosten aber nur bei einem Drittel vergleichbarer Akkusätze liegen. Neu ist die Idee keinesfalls, doch war es bislang schwer, wirklich effiziente Schwungräder zu bauen. Ein großer Teil der Energie ging bisher durch Reibung verloren. 1982 entwickelte General Motors beispielsweise ein Schwungradsystem, das eigentlich in wenigen Jahren serienreif sein sollte. Geklappt hat das nicht.

Ingenieuren, die Formel-1-Rennwagen bauen, gelang es bereits, Schwungräder aus einem Verbundwerkstoff zu bauen, die deutlich weniger wiegen als ihre Vorfahren. Um die Reibungsverluste zu minimieren, versiegeln sie die Schwungmassen zudem in einer Vakuumkammer. Ob sich dies auch auf reguläre Fahrzeuge übertragen lässt, soll sich in den nächsten Jahren zeigen. Das faszinierende Thema für Autofans war meistgeklickter TR-Online-Beitrag im Juli 2011.

Atomboom in Fernost

Trotz Fukushima setzt China weiter voll auf die Kernkraft. Wie Technology Review in einer ausführlichen Reportage berichtet, planen die Energiekonzerne den Bau von mindestens 33 verbesserten Druckwasserreaktoren der Baureihe CPR-1000. Aber das ist nur der Anfang. Reaktoren der "dritten Generation" mit passiven Sicherheitssystemen, die auch ohne Strom funktionieren sollen, sind der nächste Schritt. Von dem Modell AP1000, dessen Technik vom japanischen Hersteller Toshiba stammt und in den USA entwickelt wurde, sind vier in China bereits im Bau. Verläuft das Pilotprojekt erfolgreich, sollen weitere 40 folgen.

Doch technische Sicherheit allein dürfte Kritiker nicht beruhigen. Mehrere Korruptionsfälle in der Atomindustrie haben das Vertrauen in die AKW-Hersteller nachhaltig erschüttert. Sowohl Kang Rixin, der frühere Chef der China National Nuclear Corporation, größter Atomkraftwerkbetreiber des Landes, als auch der ehemalige Vizepräsident der bedeutenden China Guangdong Nuclear Power Corporation, Shen Rugang, waren in Bestechungsskandale verwickelt und wurden ihrer Posten enthoben. Der Beitrag zu den Kernkraftplänen im Riesenreich wurde im August 2011 am häufigsten auf TR Online gelesen.

Abheben wie eine Möwe

Der Maschinenbauer Festo sorgte auf der Hannover Messe 2011 für eine kleine Sensation: Der "Smartbird" wurde vorgestellt, ein künstlicher Vogel, der seinem biologischen Vorbild so nah kommt wie zuvor keine andere Flugmaschine. Gegen die bionische Möwe mit ihren zwei Metern Spannweite wirken alle anderen existierenden Vogelmodelle überraschend steif. Und der Smartbird ist auch der erste Flieger mit einem aerodynamischen Wirkungsgrad von 80 Prozent. Das ist ein Wert, nach dem sich Flugzeugbauer die Finger lecken würden.

Technology Review berichtete über die Technik hinter dem Kabinettstückchen – und zeigt weitere Beispiele wie den "Nano Hummingbird", eine Art elektromechanischen Kolibri. Ob die Technik auch irgendwann größere Flugzeuge antreiben könnte, ist indes unklar. Was nämlich noch fehlt ist eine Antwort auf die Frage, ob das, was im Experiment gemacht worden ist, sich auch in der Theorie nachvollziehen lässt. Der Beitrag zum Smartbird und seinen Brüdern war im September 2011 der beliebteste Text auf TR Online.

Streitpunkt Stromleitung

Damit erneuerbare Energie leicht in der ganzen Republik verteilt werden kann, muss das Versorgungsnetz ausgebaut werden. Doch genau darum gibt es vielerorts Streit, wollen doch die wenigsten Bürger einen Hochspannungsmast in ihrem Garten sehen. Bürgerinitiativen fordern daher, die Leitungen unter der Erde zu verlegen. Doch das ist nicht trivial, wie Technology Review in einem Report zeigt. Denn so nebenwirkungsfrei, wie die Aktivisten sich das erhoffen, sind die in zwei Meter Tiefe vergrabenen Leitungen nicht.

Für das Verlegen müsse, schreibt Autor Manuel Berkel, eine 40 Meter breite Schneise durch die Landschaft geschlagen werden. Nach Abschluss der Arbeiten bleibt eine Trasse von 15 bis 35 Meter sichtbar. "In diesem Schutzstreifen dürfen keine Bäume wachsen, deren Wurzeln die Kabel beschädigen könnten. Wenigstens in diesem Punkt schneiden Kabel besser ab als Freileitungen, die Trassen von bis zu 100 Metern Breite benötigen." Der Beitrag zum Thema Energieversorgungsnetze wurde – sicher auch aufgrund seiner Brisanz – meistgeklickter TR-Online-Beitrag im Oktober 2011.

Altmodische Privatsphäre

Das wohl spannendste Technology-Review-Streitgespräch des Jahres lieferten sich die "Post Privacy"-Aktivistin Julia Schramm und die Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Constanze Kurz. Die beiden IT-Frauen diskutierten über die Frage, ob Datenschutz im Zeitalter sozialer Netzwerke wie Facebook und Twitter ein überholtes Konzept ist, das Konzept der gesicherten Privatsphäre im Netz gar die Freiheit von Nutzern und Firmen einschränkt.

Schramm von der "datenschutzkritischen Spackeria", einem losen Verbund von Post-Privacy-Freunden, sieht die Sache glasklar: "Ich will gewisse Dinge, die mir nahegehen oder die für mich persönlich bedeutsam waren, nach außen tragen. Ich will ehrlich und authentisch sein und mein Inneres nach außen kehren." Kurz, die unter anderem als Sachverständige in der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" sitzt, hält das für problematisch: "Ich wünsche mir eine sehr aufgeklärte Gesellschaft, die in der Mehrheit aus Leuten besteht, die sich um fundamentale Bürgerrechte – zum Beispiel das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – mehr Gedanken machen." Das Gespräch von Schramm und Kurz war der am häufigsten gelesene TR-Online-Beitrag im November 2011.

Energiegiganten im Ozean

Offshore-Windkraftanlagen werden größer und leistungsstärker. Wenn es nach Firmen wie Areva Wind, REpower oder Bard geht, erreichen sie in wenigen Jahren Rotordurchmesser von über 200 Metern und eine Energieausbeute von bis zu 20 Megawatt pro Stück. Zum Vergleich: Die heutigen Riesen erreichen gut 5 Megawatt, neuere Modelle wie die von Vestas bis zu 7. "Die derzeitige 5-MW-Anlage ist ein Zwischenschritt", zitiert Technology Review den Experten Christian Nath vom Germanischen Lloyd in einem Report zum Thema.

Diese Maschinen sollen außerdem die ersten reinen Offshore-Entwicklungen sein. Zahlreiche weitere Unternehmen versprechen Hochsee-Großanlagen und sollen in den nächsten Jahren erste konkrete Ergebnisse vorzeigen. So planen Clipper, Mitsubishi, Samsung und United Power ebenfalls 10-MW-Maschinen für den Einsatz auf See. Der Beitrag zum Thema Windgiganten war meistgeklickter TR-Online-Text im Dezember 2011.

  • 20.000 Kilowatt über dem Meer

(bsc)