Umstieg auf .NET Core, Teil 1: Migrieren oder nicht migrieren?
Microsoft entwickelt das .NET Framework nicht mehr weiter. Vor dem Umstieg auf .NET Core stellt sich daher die Frage, ob man migrieren muss oder sollte.
- Dr. Holger Schwichtenberg
Das klassische .NET Framework hat Microsoft in den letzten drei Jahren nur noch in sehr kleinen Schritten (4.6.2, 4.7, 4.7.1, 4.7.2, 4.8) weiterentwickelt. Die aktuelle Version 4.8 stammt aus dem April 2019. Im Mai folgte dann die Ankündigung, dass Version 4.8 das letzte Release des .NET Framework bleiben werde. Microsoft will künftig nur noch mit kleineren Updates Probleme im Bereich Zuverlässigkeit und Sicherheit sowie kritische funktionale Fehler beheben.
Das neu gestaltete .NET Core hat sich in der gleichen Zeit sehr agil entwickelt: Von .NET Core 1.0 im Juli 2016 über die Versionen 1.1, 2.0, 2.1, 2.2 bis zur Version 3.0 im September 2019 (siehe Abbildung 1) – .NET Core 3.1 folgte im Dezember 2019. Als gemeinsamen Nachfolger von .NET Core, .NET Framework und Mono/Xamarin stellt Microsoft für November 2020 .NET 5.0 (ohne Core im Namen) in Aussicht. Technisch gesehen basiert .NET 5.0 auf .NET Core; .NET Framework und Mono/Xamarin fließen nur partiell ein.
Muss man auf .NET Core migrieren?
Viele Organisationen, die zum Teil schon seit Anfang der 2000er Jahren mit dem klassischen .NET Framework entwickeln, stellen sich nun die Frage, ob sie den bestehenden Programmcode (oft viele Hunderttausend, manchmal sogar Millionen Zeilen Code) nun auf .NET Core umstellen müssen.
Einen zwingenden technischen oder rechtlichen Grund gibt es nicht – so viel sei vorweg gesagt. Microsoft erlaubt weiterhin, das .NET Framework in der Softwareentwicklung aktiv zu verwenden, und zwar auf unbestimmte Zeit. Microsofts zentrale Zusicherungen zu diesem Thema lauten:
- "It will continue to ship with Windows (much of Windows depends on .NET Framework)"
- .NET Framework will always be a part of Windows"
- If you have existing .NET Framework applications that you are maintaining, there is no need to move these applications to .NET Core."
Die drei Aussagen stammen von Scott Hunter, Director Program Management für .NET. Natürlich hat Microsoft in seiner Firmengeschichte auch immer wieder einmal die Meinung geändert und Aussagen revidiert oder zurückgenommen. Aber die Tatsache, dass Microsoft selbst einige Produkte auf .NET-Basis besitzt (nicht nur Teile von Windows, sondern auch SharePoint, Microsoft Office und SQL Server verwenden .NET Framework), nährt die Hoffnung, dass diese Aussagen lange Bestand haben werden. Schließlich laufen DOS-Anwendungen und Visual-Basic-6.0-Anwendungen auch heute noch in einem aktuellen Windows 10.