Vegas Loop: Teslas im Tunnel unter Sin City

Elon Musks Boring Company will ein Tunnelsystem unter dem Strip bauen, durch das Fahrgäste in autonomen Teslas kutschiert werden. Das erste Stück ist fertig.

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(Bild: The Boring Company)

Lesezeit: 13 Min.
Inhaltsverzeichnis

Elon Musk will stets hoch hinaus. Mit Tesla hat der Seriengründer der Autoindustrie einen Schock versetzt; die Raumschiffe von SpaceX bringen Mensch und Material auf die International Space Station (ISS). Und im Untergrund von Las Vegas bohrt die von Musk gegründete The Boring Company (TBC) ein Tunnelsystem, das mit selbstfahrenden Teslas den berühmten "Strip" mit der Innenstadt und dem Flughafen verbinden soll.

Klingt verrückt. Aber die "Las Vegas Loop" ist mehr als das Hirngespinst eines exzentrischen Milliardärs, sondern ein konkretes Infrastrukturprojekt. Ein erster Streckenabschnitt soll im Frühjahr 2021 eröffnet werden: Zwei Tunnelröhren, die das städtische "Las Vegas Convention Center" (LVCC) mit einem 980 Millionen US-Dollar teuren Erweiterungsbau westlich des alten Messegeländes verbinden sollen. Und das ist erst der Anfang.

Im Mai 2019 entschied sich die Las Vegas Convention and Visitors Authority (LVCVA) gegen einen konventionellen Schienentransport und gab grünes Licht für das rund 52 Millionen US-Dollar (42 Millionen Euro) teure Tunnelprojekt. Die LVCVA war damit ein ziemliches Risiko eingegangen: TBC hat außer einem 1,8 Kilometer langen Testtunnel in einem Vorort von Los Angeles noch nichts vorzuweisen. Ein vergleichbares Projekt in Chicago trifft auf Widerstand bei Anwohnern und Lokalpolitikern, andere sind erst in der Vorplanung. In Las Vegas ist man für verrückte Projekte aufgeschlossener.

Der Tunnel verbindet das alte mit dem neuen Messegelände. Unten die geplante Strecke zum Hotel Encore.

(Bild: Clark County)

TBC hat sich – auch im Hinblick auf Musks Hyperloop-Projekt – zum Ziel gesetzt, die Technik der Vortriebsmaschinen zu verbessern, damit Tunnel schneller und automatisierter gebaut werden können als bisher. Beat the snail: Schneller als eine Schnecke, lautet das Motto. Weil Teslas mit Autopilot zum Einsatz kommen, kann TBC den Tunneldurchmesser von 8,5 auf gut 4 Meter reduzieren, das spart Zeit und Kosten. Für die Verbindung des LVCC baut das Unternehmen die Tunnel samt Bahnhöfen und Betriebstechnik und wird darüber hinaus auch für den Fahrbetrieb zuständig sein. Auf seiner Website sucht das Unternehmen bereits nach Fahr- und Betriebspersonal.

Am 15. November 2019 rückten die ersten Bagger und die große Bohrmaschine an. Drei Monate später war die erste Röhre fertig gebohrt, Mitte Mai 2020 dann auch die zweite. Die Strecke von etwa 1,3 Kilometern führt vom Osteingang der "South Hall" unter der Haupthalle sowie der angrenzenden Paradise Road entlang und endet an einer oberirdischen Station westlich der neuen Halle. Kernstück der Anlage ist der unterirdische "Bahnhof" vor der Haupthalle, der kurz vor der Fertigstellung steht.

Fast fertig: Der unterirdische Bahnhof unter dem alten Messegelände.

Die West-Halle mit 55.700 Quadratmetern Ausstellungsfläche und das neue Transportsystem sollten ursprünglich zur CES 2021 in Betrieb genommen werden. Die Arbeiten sind auch so gut wie abgeschlossen, aber die CES findet wegen der Corona-Pandemie nur virtuell statt. "Die West Hall ist zwar im Zeitplan fertig geworden, doch wann sie offiziell eröffnet werden kann ist, angesichts der Pandemielage unsicher", sagt eine Sprecherin der LVCVA. Wann größere Messen – zur vorigen CES kamen im Januar 2020 rund 170.000 Besucher – wieder stattfinden können, ist ungewiss.

Ebenso offen ist, ob das System die gewünschte Kapazität von bis zu 4400 Passagieren pro Stunde leistet. Die Messe-Besucher sollen in teilautonomen Teslas mit bis zu 250 km/h durch die Tunnel kutschiert werden. Dabei kommen zunächst Model 3 und Model X mit einem Sicherheitsfahrer zum Einsatz. "Wir haben das sehr vereinfacht", erklärt Musk auf Twitter. "Im Moment sind es im Prinzip nur Teslas in einem Tunnel, was aber viel tiefgreifender ist, als es klingt." An den ober- oder unterirdischen "Bahnhöfen" lassen die Autos die Passagiere aussteigen und nehmen neue auf, um sich dann wieder in den Tunnelverkehr einzufädeln.

(K)eine Alternative: Ein zur CES 2020 als Werbefläche vermarkteter Zug der Monorail im Bahnhof MGM Grand.

(Bild: Joseph Zadeh/Wikimedia Commons/CC BY 4.0)

Ein Tesla mit drei, maximal vier Plätzen ist aber kein Bus. Es dauert eine Weile, bis alle ein- oder ausgestiegen sind – zumal Messebesucher oft mit sperrigem Gepäck unterwegs sind. Laut Medienberichten begrenzen Feuerschutzvorschriften darüber hinaus die Anzahl der Passagiere, die sich gleichzeitig auf den Plattformen aufhalten dürfen, was die Kapazität des Systems senken könnte. Die Frage, ob LVCC Loop die erwartete Kapazität liefert, ist eine entscheidende: Was die Messebehörde letztlich bezahlt, hängt von der Leistungsfähigkeit des Systems ab. Die LVCVA hat sich auch vertraglich abgesichert, falls das System dem Ansturm einer Großveranstaltung wie der CES nicht gewachsen sein sollte.

Von den in der Planungsphase noch beschriebenen autonomen "People Movern" für bis zu 12 oder gar 16 Passagiere ist zudem keine Rede mehr – auch aus Sicherheitsgründen, wie Musk einräumt: "Für Sicherheit und Reisegeschwindigkeit ist am besten, wenn die Leute sitzen." Noch im Sommer hatte ein Mitarbeiter der Verwaltung des San Bernardino County, wo ein ähnliches Projekt zur Anbindung des Ontario International Airport in Planung ist, Spekulationen über die Entwicklung eines solchen Tesla-Vans angeheizt.

Trotz solcher Unsicherheiten hat Musk mit seinem Loop-System in Las Vegas einen Nerv getroffen. Gleich zwei große Hotels in der Nähe des Messegeländes wollen, dass TBC ihnen auch eine Tunnelverbindung zum Convention Center bohrt. Wynn und Encore sowie das neue Resorts World, das im Sommer 2021 eröffnen soll, haben bereits die ersten Anträge bei den zuständigen Behörden eingereicht. Alles ganz normal in Vegas, wo Casinohotels für ihre Klientel auch mal eine eigene Flugbereitschaft unterhalten.

Ein Grund für den Enthusiasmus dürfte sein, dass ein leistungsfähiger öffentlicher Nahverkehr nicht zu den Stärken der Zocker-Metropole gehört. Während der großen Messen kommt der Verkehr auf dem weltberühmten "Strip" mit seinen zahlreichen großen Hotels zu Stoßzeiten nur schrittweise voran – eine Entwicklung, die Fahrdienstleister wie Uber und Lyft auch eher verschärfen als entspannen helfen. Wenn morgens alle zur Messe wollen und abends zurück, stehen sie im Stau – neben den paar Bussen, die es immerhin gibt.

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Auch die Las Vegas Monorail ist dem Ansturm während großer Messen nicht gewachsen und zudem in die Jahre gekommen. Auf der gut sechs Kilometer langen Hochbahnstrecke, die östlich des Strips zwischen dem MGM Grand im Süden und dem Sahara im Norden verläuft, verkehren seit 2004 neun fahrerlose Züge des Typs Innovia Monorail 200 von Bombardier mit Platz für 220 Passagiere. Die werden langsam fehleranfällig und fallen ganz gerne mal aus. Ersatz gibt es nicht.

Besonders beliebt ist die Monorail ohnehin nicht. Keine fünf Millionen Fahrgäste ware es im Jahr 2019 – bei über 42 Millionen Besuchern in der Stadt. Die Strecke führt an der Rückseite der Hotels und Parkhäusern vorbei. Das ist nicht gerade pittoresk; Touristen gehen lieber den Strip entlang, da gibt es was zu sehen. Pläne, die Monorail zur Steigerung der Attraktivität an den Flughafen anzubinden oder über das MGM Grand hinaus nach Süden bis zum Mandalay Bay und dem neuen Stadion der Las Vegas Raiders zu verlängern, wurden immer mal wieder hervorgekramt und dann doch wieder verworfen.

Denn die Las Vegas Monorail Company, bis vor Kurzem Betreiber der Strecke, war ständig klamm. Trotz zuletzt knapp fünf Millionen Passagieren im Jahr schrieb der Non-Profit-Betrieb rote Zahlen und musste 2010 schon einmal durch ein Gläubigerschutzverfahren gerettet werden. Den Einnahmen von 22,6 Millionen US-Dollar stand 2019 ein Verlust von 15,6 Millionen gegenüber. In Las Vegas ist vieles möglich, aber Personennahverkehr geht auch hier nicht ohne öffentliches Geld.

Arbeiter senken den Bohrkopf in die Baugrube am Osteingang der Südhalle.

(Bild: LVCVA)

Auftritt Elon Musk. Er will sein Tunnelprojekt auf wesentliche Touristenzentren der Stadt und den Flughafen ausdehnen. Geplant ist eine Ringtunnelstrecke von der Fremont Street im alten Stadtzentrum von Las Vegas entlang des Las Vegas Boulevard ("Strip") über das Mandalay Bay, das neue Allegiant Stadium und einige Hotelcasinos westlich des Strip – das sind etwa 25 Kilometer. Ein Stichtunnel nach Osten soll den McCarran International Airport anbinden.

Der Plan. Die violetten Bögen kennzeichnen mögliche Wendepunkte. Die grünen Strecken sind im Bau oder kurz davor, die gepunkteten Linien mögliche Anschlusstrecken.

(Bild: The Boring Company)

Zwischen den beiden "Hauptschlagadern", wie TBC die Haupttunnel nennt, sind Wendeschleifen geplant, die den Autos einen Wechsel der Tunnelröhre ermöglichen. Denn die Teslas sollen nicht im Liniendienst verkehren, sondern ihre Passagiere von Punkt zu Punkt befördern. Für die Anbindung der Hotels und des Stadions sind die Betreiber selbst zuständig. Die Stadtverwaltung von Las Vegas diskutiert auch über eine mögliche Anbindung des Rathauses und weiterer Stadtteile. Und es gibt offenbar schon Pläne für eine weitere Tunnelschleife, mit der die Hotels der Caesars-Entertainment-Gruppe an die Hauptstrecke angebunden werden sollen (Caesars Palace, Paris Las Vegas, The Linq, Bally's, The Cromwell, Harrah's und Planet Hollywood).

Die Stadtverwaltung von Las Vegas, für den nördlichen Teil der Strecke zuständig, hat bereits erste Landnutzungsrechte erteilt. Etwa zwei Drittel der geplanten Tunnel verlaufen im Untergrund der Gemeinde Paradise südlich von Las Vegas, für die der Landkreis Clark County zuständig ist. Hier hat TBC seine Anträge Mitte Dezember eingereicht, im Februar soll es eine öffentliche Anhörung der Anträge geben. Die Gemeinden soll der Tunnel nichts kosten: "Keine öffentlichen Gelder fließen in das System", verspricht TBC-Präsident Steve Davis. Die Baukosten sollen TBC und die angeschlossenen Hotels stemmen.

Die "Las Vegas Loop" soll rund 4000 Fahrzeuge pro Stunde und Richtung verkraften, sagt TBC. Ansonsten sagt das Unternehmen nicht viel. Wie funktioniert das genau? Mit welchem Mindestabstand zwischen den Fahrzeugen wird kalkuliert? Wie fädeln sich die Autos in den Verkehr der Hauptadern ein? Wie aktiv oder passiv ist die Rolle der Fahrer? Und was kostet der Spaß eigentlich? Solche Fragen lässt TBC in typischer Musk-Manier unbeantwortet. Für das nördliche Drittel innerhalb der Stadtgrenze von Las Vegas spricht TBC von 35 Millionen bis 45 Millionen US-Dollar. Angesichts der über 50 Millionen, die das gut einen Kilometer lange Tunnelstück auf dem Messegelände kosten soll, bleibt bei den Kosten ein Fragezeichen.

Doch es sind nicht nur ein paar Verwaltungshürden, die das ambitionierte Projekt nehmen muss. Fragen wird TBC auch hinsichtlich der Sicherheit des Systems beantworten müssen. Das Unternehmen verweist auf reduzierte Feuergefahr, weil batterieelektrische Autos zum Einsatz kommen. Sollte dennoch ein Feuer ausbrechen, soll ein Ventilationssystem dafür sorgen, dass der Rauch abgesaugt wird. Für den Fall, dass Passagiere zu Fuß evakuiert werden müssen, soll es Fußwege und Ausstiegsmöglichkeiten geben. Inwieweit dabei gehbehinderte Passagiere oder Rollstuhlfahrer berücksichtigt wurden, ist offen.

Las Vegas Convention Center Loop (12 Bilder)

Arbeiten an der Bohrmaschine
(Bild: The Boring Company)

Beim Tunnelbau unter dem dicht bebauten Touristenzentrum von Las Vegas dürfen keine Versorgungsleitungen in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Tunnel sollen in etwa neun bis zehn Meter Tiefe verlaufen und damit unter den Versorgungssträngen, die nicht tiefer als drei Meter liegen, erklärt TBC. Trotzdem braucht man vorher ein genaues Bild von allen Strängen, die im Tunnelverlauf liegen. Und auch die Beschaffenheit des Untergrunds muss erkundet werden, weil die Wüste unter Las Vegas teilweise aus sehr harten Kalksteinverbindungen besteht, die eine Herausforderung für die Maschinen sein kann.

Doch eines der größten Hindernisse für Musks Mega-Loop wurde bereits beseitigt – mit tatkräftiger Unterstützung der Lokalpolitik. Die Monorail, zuletzt wieder einmal mit Plänen für eine neue Station am Sands Convention Center in der Presse, besitzt die Exklusivrechte für Personenbeförderung auf einer separaten Fahrstrecke im "Resort Corridor" um den Strip. Damit wäre Musks Tunnel raus.

Um den Konkurrenzausschluss aus dem Weg zu räumen, wurde die chronisch klamme und seit Mitte März wegen der Corona-Krise außer Betrieb gesetzte Monorail erneut ins Insolvenzverfahren geschickt. Aus diesem übernahm die Tourismusbehörde LVCVA das Unternehmen für 24 Millionen US-Dollar. Die ehemals privatwirtschaftlich als Non-Profit betriebene Monorail ist damit nun in öffentlicher Hand und die LVCVA hat den Verzicht auf die Exklusivrechte eingeleitet. Der Weg für das Tunnelprojekt ist frei. "Das wird als Wendepunkt in die Geschichte von Las Vegas eingehen", sagte LVCVA-Präsident Steve Hill.

Die LCVCA wird die Monorail zunächst weiter betreiben, sobald die Lage das wieder zulässt. Selbst wenn Musks Tunnelvision Wirklichkeit wird, wird über eine Ko-Existenz der Systeme nachzudenken sein. Zu Stoßzeiten fährt die Monorail – wenn sie denn fährt – alle vier Minuten. Das sind immerhin 3300 Passagiere pro Stunde und Richtung. Die Tunnel-Teslas müssen das erstmal schaffen. Und wenn nicht? Vegas wäre um eine irre Attraktion reicher.

(vbr)